Wir haben alle mal klein angefangen. Rainer Bartelt

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Wir haben alle mal klein angefangen - Rainer Bartelt

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und zu spartanisch eingerichtet. Zwar gab es ein Waschbecken, einen Schrank, einen kleinen Tisch und auch ein Bett, aber genau dieses Bett war das Problem, für Marion ebenso wie für mich: Doppelbett wäre geschmeichelt gewesen, das Bett hatte noch nicht einmal Queen-Size-Maße. Eigentlich war es nur ein Bett für eine einzige, mäßig große Person. Und für diese eine Person gab es auch nur eine einzige Bettdecke.

      Marion schoss sofort wieder aus dem Zimmer, um das vermeintliche Missverständnis aufzuklären – vergeblich: Anscheinend überstieg es vollkommen den geistigen Horizont unserer katholisch-frommen Hauswirtin, dass ein Mann und eine Frau, die gemeinsam eine Reise taten, nicht in ein- und demselben Bett schlafen wollten. Meine leicht panisch werdende Bekannte versuchte daraufhin, der guten Frau in ihrem gebrochenem Schul-Englisch verständlich zu machen, dass wir genau das nicht waren, nämlich keineswegs Mann und Frau. Und zwar weder verheiratet, noch verlobt, ja noch nicht einmal eng befreundet. Bloße Reisegenossen also.

      Allerdings hätte Marion unserer armen Gastgeberin genauso gut erzählen können, im Hof hinter ihrem Haus wären Außerirdische gelandet. Als fromme Irin verweigerte sich unsere Wirtin stocksteif der Annahme, ein Mann und eine Frau im heiratsfähigen Alter könnten gemeinsam unterwegs sein, ohne nicht wenigstens kirchlich getraut zu sein. Gut möglich, dass sie in unserem Auto noch eine mehrköpfige Kinderschar vermutete, die wir dort versteckt hatten, um sie im Schutze der anbrechenden Nacht heimlich ins Haus zu lassen. Dass wir nur deshalb um ein zweites Zimmer baten, um mit diesem Trick das Geld für die Übernachtung unserer Kinder zu sparen. Kurz und gut, es gab kein zweites Zimmer und kein zweites Bett. Und eine zweite Bettdecke gab es auch nicht.

      So hatte die arme Marion schon gleich zu Beginn unserer zweiwöchigen Irland-Rundreise in der ersten Herbergsmutter ihren Meister gefunden und bekam deshalb während dieser ersten gemeinsamen Nacht am Ziel unserer gemeinsamen Abenteuerreise kein Auge zu. Ruhelos wälzte sie sich, meistens allein unter der schmalen Bettdecke liegend, ihren eigenen, vom (Angst-)Schweiß nassen Rücken gegen meinen ebenfalls leicht feuchten, weil ebenfalls schwitzenden Rücken gepresst, die ganze Nacht von einer auf die andere Seite hin- und her. Ich hingegen schlief wenigstens ab und zu den Schlaf totaler Erschöpfung. Und zwar immer dann, wenn ich den die ganze Nacht andauernden Kampf um die schmale Bettdecke, die in etwa die Ausmaße eines in der Wäsche eingelaufenen Badehandtuchs hatte, für ein paar Minuten für mich entscheiden konnte.

      Am anderen Morgen saß ich einigermaßen ausgeschlafen am Frühstückstisch und wunderte mich nicht das erste und auch nicht das letzte Mal in meinem Leben, wie Frauen aus einem bei Lichte besehen absolut nichtigen Anlass tatsächlich den Saft für einen ganzen Tag schlechte Laune ziehen können. Vollkommen zu Unrecht musste ich in unserem nächsten Quartier irgendwo in einer anderen trostlos öden Pampa zwischen Rosslare und Cork die Nacht wortwörtlich in einer Rumpelkammer schlafen, damit Marion ihr eigenes Zimmer hatte, das sie ganz für sich allein beziehen konnte.

      Nun, ich habe auch diese zwiespältige Erfahrung bei einigermaßen guter körperlicher und seelischer Gesundheit überlebt, obwohl mitten in der Nacht die unverschlossene Haustür synchron mit meiner eigenen Kammertür aufsprang und eine eiskalte Windböe mit lautem Geheul zur Tür herein und durch den offenen Kamin meiner kleinen Kammer wieder hinaus zog. Zähneklappernd saß ich senkrecht im Bett und brauchte danach einigermaßen lange, um wieder zurück in einen halbwegs ruhigen Schlaf zu finden.

      Aber wie heißt es doch so schön: Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort! Aber warum nun ausgerechtet ich die alleinige Schuld an unserer ersten, schlaflosen Nacht auf der Insel zugewiesen bekam und dafür büßen musste, darüber bin ich mir bis heute immer noch nicht wirklich im Klaren!

      Die fröhliche Tramperin

      Die Reise durch die irische Republik war in jeder Hinsicht ein Abenteuer: Jedes Quartier war anders – ein Dachzimmer war so niedrig, dass ich beim Auszug mit meinem Kopf einfach die Lampe von der Decke fegte. Der Wirt lachte nur. Überhaupt waren die Iren ein fröhliches Volk: Erlaubt war, was gefällt. „Halbe Pizza mit Pommes Frites” war das Top-Angebot einer irischen Gaststätte. Mir drehte sich schon beim Anblick dieses handgeschriebenen Reklameschildes im Fenster des Gasthauses der Magen um.

      Den Gipfel der Fröhlichkeit erlebten wir dann wenige Tage später, als wir eine hutzlige Alte, ganz in Schwarz gekleidet, am Straßenrand stehen sahen, den Arm heraus und den Daumen in die Höhe gestreckt. Facebook war damals noch nicht erfunden, also war das kein Like-it-Zeichen, sondern nur der zarte Hinweis, dass diese alte Dame als Tramperin von freundlichen Autofahrern mitgenommen werden wollte.

      Natürlich ließen wir uns diese günstige Gelegenheit, mit der lokalen Bevölkerung intensiver ins Gespräch zu kommen, nicht entgehen. Marion trat auf die Bremse, und ich hielt der guten Frau galant die Tür auf. Sie stieg auch ohne einen Moment zu zögern bereitwilligst zu uns ins Auto. Sicher hatte sie noch nie einen dieser heute so beliebten Splatterfilme gesehen, in denen mordlustige junge Pärchen reihenweise einsame und ahnungslose Tramperinnen dahinmeucheln. Andererseits war unsere neue Beifahrerin auch schon in einem Alter, wo das lustvolle Meucheln selbst für den abgebrühtesten Gewohnheitsmörder etwas an Reiz verliert.

      Sei dem, wie es war, ich drehte meinen Kopf nach hinten in Richtung Rücksitzbank, wo unsere neue, einheimische Bekanntschaft saß und uns beide mit großem Interesse beäugte. Was es denn so für neue Nachrichten gäbe, fragte ich jovial und erwartete den üblichen Klatsch und Tratsch über Hochzeiten in der Nachbarschaft oder vielleicht die überraschende Auflösung eines äußerst mysteriösen Falles wiederholten Milchkannen-Diebstahls in dem County, durch das wir gerade fuhren.

      Doch ihre fröhliche Antwort, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde, lautete nur kurz und knapp:

      „Today, they’ve blown the British ambassador to pieces!“ (Flöt, flöt…)

      Ich glaubte, mich verhört zu haben, weil ihr diese unglaubliche Schreckensnachricht so blümchenartig unaufgeregt über die Lippen gekommen war:

      „Sagten Sie gerade, die britische Botschaft sei in die Luft gesprengt worden?“, fragte ich ungläubig zurück.

      „Nein, nein, den britischen Botschafter haben sie in die Luft gesprengt!“

      Ihre gute Laune, mit der sie diese grandiose Neuigkeit gelassen aussprach, ließ sich kaum noch steigern.

      Reich bebilderte Zeitungsberichte bestätigten gleich am anderen Tag die grausame Tat: Vom Botschafter, seinem Fahrer und dem großzügigst dimensionierten Diplomatengefährt (ein gepanzerter Bentley) waren nur noch ein vollkommen zertrümmertes Autowrack und ein großes und über einen Meter tiefes Loch in einer der unzähligen namen- und gesichtslosen irischen Landstraßen übrig.

      Ob unsere Hutzelalte in Wirklichkeit ein verkleideter irischer Terrorist war, der sich von uns an den Ort seiner nächsten Schandtat fahren ließ? Nein, diese Annahme wäre dem Augenschein nach vollkommen abwegig gewesen: Sie sah mir eher nach einer ebenso frommen Kirchgängerin aus wie unsere erste irische Hausmutter mit dem unbequemen Einbettzimmer.

      Es war wohl eher so, dass es all die frommen und grundehrlichen Einwohner der Republik Irland damals vollkommen okay fanden, ab und zu mal einen britischen Botschafter in die Luft zu sprengen. Und weil die Iren halbe Sachen verabscheuen, war später in Dublin – der Endstation unserer irischen Rundreise – die Straße mit der britischen Botschaft gesperrt, weil sie nach dem Botschafter auch gleich seinen Amtssitz ebenfalls mit einer ordentlichen Prise scharfen Sprengstoffs bedacht hatten.

      Nur: Warum hassen die Iren die Engländer bloß so innig und abgrundtief? Umgekehrt ist es doch überhaupt nicht so! Ich glaube, der Hauptgrund ist die englische Polizeistunde: Im Pub schon nachts um Elf mit dem Trinken aufhören zu müssen, das bringt auch den friedliebendsten Iren irgendwann

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