Im Schatten der Dämmerung. Marc Lindner

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Im Schatten der Dämmerung - Marc Lindner Die Diener der Krone

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waren von mir die Armeen aus dem ganzen Reich zusammengezogen worden. Selbst unsere Nachbarn hatten ihre Söldner unter meinen Befehl gestellt. Gemeinsam waren wir gegen die Zwerge und Zentauren in den Krieg gezogen. Es waren grausame Zeiten damals. Aber ...“ Die Erinnerung drückte schwer gegen die Brust. „Aber es musste getan werden, wenn wir Freiheit für die Menschen wollten. Frei von den dunklen Verschwörungen, frei von den Flüchen jener Wesen, die glaubten, über allen anderen zu stehen. Und wir hatten sie beinahe besiegt. Sie hatten sich zurückgezogen. Nur aus dem Hinterhalt haben sie wie Feiglinge kleinere Gruppen von uns abgeschlachtet.“

      Der Junge zog verängstigt die Decke über das Gesicht, sodass nur die Augen hervorlugten.

       „Ihre Verhexungen haben uns getötet, ohne dass wir einen von ihnen zu Gesicht bekamen.“ Der Narr lächelte dem Jungen zu und drückte sein Bedauern aus, ihm das alles erzählen zu müssen. „Du kannst dir die Grauen nicht vorstellen!“ Eine bedrückende Pause setzte ein. „Und da kam dein Vater ins Spiel. Er hat den Anblick der Leichen unseres Volkes nicht mehr ertragen. Dabei kann ich ihn nur allzu gut verstehen. Auch mich hat es geschmerzt, dies alles ertragen zu müssen, aber mir war auch bewusst, dass es keinen anderen Weg gab. Wir waren dem Sieg so nahe. Nur noch wenige Wochen oder Monate und es hätte auf ewig Frieden geherrscht. Stell dir das nur vor, aufzuwachen und zu wissen, dass jeder deines Volkes, sich frei bewegen könnte und keine Angst um sein Leben haben müsste.“ Ein Stöhnen des Schmerzes ertönte. „Aber das Böse durfte überleben. Alles, weil das Herz deines Vaters die Schreie nicht länger erdulden konnte.“ Eine längere Pause setzte ein, während der Alte schwer atmete. „Deshalb war er ins verborgene Reich gestiegen – glaub mir, allein für diesen Mut verdient er große Bewunderung – und er hat einen Pakt ausgehandelt. Ihr Reich würde nie wieder von einem Menschen betreten werden und einem jedem sollte es gar verboten sein, von ihnen zu erzählen. Sie sollten vergessen werden. Keiner durfte wissen, wer sie wirklich waren.“

      „Natürlich war ich nicht damit einverstanden. Ich sah den endgültigen Frieden zum Greifen nah. Unser Volk hätte im Vergleich zu dem, was es erleiden musste, nur noch wenig Schmerz ertragen müssen. Dein Vater aber fand viele, die seiner Meinung waren, und so musste ich abdanken. Üblich wäre gewesen, dass er mich getötet hätte, doch dein Vater hat ein großes Herz. Damit mir aber niemand glauben würde, was ich zu erzählen hatte, machte er mich am Tag seiner Krönung zum Hofnarr.“

      „Großvater?“

      „Mein Kind?“

      „Aber das ist schon lange her. Vielleicht sind sie nicht mehr böse. Vielleicht bleibt der Frieden uns erhalten.“

      „Das wäre schön, mein Junge.“ Ein aufmunterndes Lächeln erfasste das Gesicht des Alten. „Nichts würde ich lieber glauben als das!“

      Ein Stöhnen der Erschöpfung.

      „Aber die Schmieden des Bösen rüsten von Neuem. Mit jedem Frühling werden sie mächtiger. Und es gibt einen viel mächtigeren Feind. Vergiss den nicht, auch wenn andere ihn vergessen haben.“ Er kniff die Augen zusammen und sah zur Wand. „Legenden sind nichts weiter als verblasste Erinner­ungen. Sie wirst du nicht mit Schwertern töten können.“

      „Mein Vater ist stark.“ Es klang etwas trotzig, so wie der Junge es aussprach. „Wenn sie angreifen, wird er sie besiegen!“

      Ein gütiges Lächeln sollte das aufbrausende Gemüt beruhigen.

      „Noch sind wir alle sicher. Was den Pakt angeht, so werden sie ihn nicht brechen.“

      Stille.

      „Wenn der König aber stirbt und du die Krone erbst, werden sie sich nicht länger an den Pakt gebunden fühlen. Dann werden die Grauen von Neuem beginnen. Dann wird es nicht die Aufgabe deines Vaters sein und meine längst nicht mehr. Es ist dein Schicksal, der Weg, der seit deiner Geburt für dich bestimmt ist.“

      „Aber mein Vater...?“ Der Junge wollte den Alten unterbrechen.

      „... will nicht, dass du das weißt! Deshalb darfst du ihm dies nie erzählen. Er glaubt an den Pakt, er muss es, ansonsten würde er wahnsinnig vor Sorge, was er dir aufbürdet – und selbst darf er nichts tun, da sonst er es wäre, der den Pakt bricht. Tief in seinem Innern weiß er das. Dass er es aber weder aussprechen noch hören muss, ist die einzige Möglichkeit für dich, es ihm erträglich zu machen.“ Der Narr legte seine Hand auf die Decke des Kindes. „Junge, versprich mir eines, kein Wort zu niemandem! Es würde das Herz deines Vaters brechen.“

      „Versprochen.“ Eiseskälte ergriff den Jungen.

      „Nun schlaf, Triton, mein Junge.“

      Der alte Mann stand auf und ließ den Jungen mit seinen verwirrten Gedanken allein.

      Eine ganze Weile noch starrte der Junge in den Baldachin.

      „Ich werde nicht zulassen, dass mein Volk nochmals leiden muss“, hauchte der Prinz, kurz bevor der Schlaf ihn überwältigte.

      Die große Halle

      In der großen Halle öffnete sich ein schwerer Flügel der mächtigen Tür. Herein trat ein einzelner Mann, gehüllt in seinen langen dunkelblauen Mantel. Sein Gesicht trotz des warmen Lichtes der zahlreichen offenen Kamine ganz bleich, schien er zu blinzeln, da er noch an das gedämpfte Licht der Tunnel gewöhnt war. Aber ansonsten war sein Gesicht völlig ausdruckslos. Nicht die kleinste Sorgenfalte belastete seine Stirn. Er wirkte beinahe entspannt, missachtete man die Gleichgültigkeit in seinem Blick. Die Kälte, die sich mit seiner Ankunft in dem großen Thronsaal ausbreitete, konnte die Unzahl an Feuern rechtfertigen.

      Der König jedoch bemerkte dies nicht, denn seine Miene hellte sich auf, als die stöhnende Tür den Blick auf seinen treuesten Diener freigab.

      Noch an der Tür stehend, deutete der Eintretende eine leichte und doch huldvolle Verbeugung an, bevor er, ohne ein Zeichen abzuwarten, auf den Thronsässigen zuging. Obwohl dieser offensichtlich auf ihn wartete, ließ sich der Heranschreitende nicht zur Eile bewegen, noch zögerte dieser. Jeder seiner Schritte wirkte gemessen und unbeirrbar.

      „Thanatos, treuester aller Diener, mächtigster aller Freunde, welch Unheil bringt dich so früh in meine einsamen Hallen“, begrüßte Triton den Ankömmling und ließ es sich nicht nehmen, aufzustehen und die letzten Schritte selbst zu bewältigen.

      „Herr, meine Hoheit, die Finsternis wird bald über uns ziehen und unsere Feinde verschlingen“, verkündete der Diener mit seiner gefühllosen Stimme und küsste den Ring auf der Hand seines Königs, die dieser ihm darreichte. „Die Jahre der Vorbe­rei­tung haben sich gelohnt. Alles ist fügt sich zusammen.“

      Triton nickte und wirkte auf einmal niedergeschlagen.

      „Ach, dass diese dunklen Tage die meinen sein müssen.“ Der König wandte sich mit gesenktem Haupt zur Seite. Langsam schritt er auf eines der nahen Feuer zu und begann mit dem Schürhacken darin herum zu stochern. „Von Woche zu Woche werden die Berichte aus den Außenbezirken schlimmer.“ Funken stoben aus dem Kamin, als ein Scheit zur Seite kippte.

      Der Diener sah dem Monarchen mit leicht gekräuselten Lippen zu. „Herr, ich verstehe nicht, es war euer Plan“, drang er mit seinen schmucklosen Worten durch die Gedanken seines Herrn bis zu dessen Bewusstsein durch.

      „Und an diesem halte ich fest! Es gibt nur diesen einen Weg, um die Fehde zu Ende zu bringen. Aber es wird viele Opfer geben.“

      „Ihr

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