Im Schatten der Dämmerung. Marc Lindner

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Im Schatten der Dämmerung - Marc Lindner Die Diener der Krone

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mit leichten Schritten zur Treppe hin, bevor er abermals innehielt.

       „Tibur würde es dir etwas ausmachen mir eine Statur von ihm in Lebensgröße anzufertigen? Ich werde beim Stadthalter auch ein gutes Wort für dich einlegen.“ Er wartete auf keine Antwort und betrat die Treppe. Der Handwerker nickte stumm, verängstigt nun doch vom Magiermeister des Zirkels der Acht wahrgenommen worden zu sein. Es war das dritte Mal, dass er ihm persönlich begegnet und mit keinem dieser Tag verband er angenehme Erinnerungen.

      „Bringt beide in das Verlies und besorgt ihm einen ausreichend großen Stein“, meinte er zu den beiden Wachen, die ihn herunter begleitet hatten.

      Als diese auf den Zwerg zugingen, hallte eine sich entfernende Stimme die Treppe hinunter.

      „Nur weil die Zwerge bald alle Geschichte sind, heißt es ja nicht, dass sich keiner erinnern soll, dass es sie einst gab.“ Während die Schritte leiser wurden, drang ein letztes finsteres Lachen bis zu den übrig Gebliebenen herunter.

      Der Schatten

      Die Sonne spendete ihre letzten Trost bringenden Strahlen, bevor sich ein dunkler Mantel über Land und Leute legen würde. Ein einsamer Reiter ritt zügig am schützenden Wald entlang. Gedankenvertieft pfiff er ein melancholisches Lied in die rasch kühler werdende Abendluft. Kaum einer kannte es noch, es stammte aus einer längst vergangenen Zeit und erzählte von den altvorderen Königen, die alle Völker und Rassen Calvaldurs unter einem Banner vereinten. Obwohl er sehr alt war, stammte es doch aus einer Zeit lange bevor er geboren war. Seine Sorgen waren in letzter Zeit schlimmer geworden und nicht einmal die Menschen waren mehr in einem Bündnis. Fast überall waren geordnete Strukturen verfallen und es bildeten sich immerzu Gruppen, die glaubten ihre Macht ausleben zu müssen. Bis auf wenige Ausnahmen überließen die Könige es den unter ihnen herrschenden Strukturen sich selbst zu festigen, solange die Steuern ausreichend flossen.

      Große Kriege hatte es lange nicht mehr gegeben, aber es wimmelte überall von Soldaten und Söldnern, da jeder Stadtherr seine Truppen brauchte um halbwegs für Ordnung zu sorgen. Doch längst boten sie nicht nur Schutz. Sie waren Fluch und Segen zugleich.

      Unermüdlich trug der kastanienbraune Hengst den vom Alter gezeichneten Wanderer. Ohne ein reales Ziel seiner Reise zu kennen, setzte er Tag um Tag seinen Weg fort. Überall wo er auftauchte erzählte man sich wundersame Geschichten über einen Schatten. Eine konturlose Erscheinung, die wie aus dem Nebel auftauchte und die Schergen der zahllosen gierigen Stadthalter niederstreckte. Viel Hoffnung war dem einfachen Volk nicht mehr geblieben. Einen ernsten Widerstand, der der Gewalt und der Ausbeutung Einhalt gebot, gab es nicht mehr. Andächtig wurde erzählt, wenn der Schatten den üblichen Plünderungen und der Willkür gegen das eigene Volk entgegentrat, um dann gleichsam wieder im Schleier des Waldes zu verschwinden. Diese seltsame Gestalt war die Hoffnung, die die letzten Widersacher am Leben hielt.

      Jahre waren so verstrichen, Tyrannen wechselten sich ab, um dann selbst in Vergessenheit zu geraten. Magier, die einst zum Schutz aller gedient hatten, zeigten sich selten und die meisten lebten zurückgezogen. Sie waren des fortwährenden Wechsels von Krieg und Frieden überdrüssig geworden. Bis auf Splitter­gruppen hatten sie sich zu dem Bündnis der Acht Türme zusammen­geschlossen und widmeten sich der Lehre und der Heilkunst und solange keiner zu mächtig und finster wurde, überließen sie die Reiche der Menschen sich selbst. Es gab nur noch wenige Narren, die zu hoffen wagten. In den Dörfern zeigte sich stets das gleiche Bild. In den Gesichtern der Kinder spiegelte sich die Aussicht auf eine trostlose, mit jedem Tag unsicherer werdende Zukunft. Die Strukturen zerfielen vielerorts und das organisierte Verbrechen nahm sich, was es wünschte. Übrig bleib das Nötigste, um zu überleben. Die Bauern mussten geheime Verstecke anlegen, wollten sie die Winter überleben. Viele mussten in den Wäldern wildern oder verfielen selbst dem Drang zu stehlen. Etliche hatten sich aufgemacht, um in den wenigen scheinbar noch intakten Städten Arbeit zu finden. Doch selbst hart zu arbeiten, reichte meist nicht, um davon auch leben zu können. Meist bot das Militär ihnen den einzigen Ausweg. Ein großer Teil der Männer verließ in den Wintermonaten die Dörfer um sich als Söldner ausbilden zu lassen. Geld gegen Gefolgschaft, das war das Geheimrezept für viele der Stadthalter. Im Sommer bot es den Dörfern zudem scheinbaren Schutz vor kleinen Überfällen. Aber von Frieden war fast nirgends mehr zu sprechen.

      Bald schon ließ der Reiter den Wald hinter sich und hielt auf eine Rauchsäule zu. Als er sich näherte, musste er feststellen, dass er erneut zu spät war. In den vergangenen Wochen war es schlimmer geworden und er wusste nicht, was dies zu bedeuten hatte. Aber das hier war nicht das Werk von ein paar herum­streunenden Soldaten, die sich mit Raubzügen bereichern wollten. Seit einigen Tagen folgte er einer Gruppe von etwa fünfzehn Mann.

      Legarus blieb stehen und horchte. Er kam an einem Ausläufer des Waldes vorbei. Der nun scharfe Wind trug Stimmen des Grauen zu ihm heran. Es erhob sich bereits eine Rauchwolke in weiter Ferne. Er war soweit entfernt, dass er die einzelnen Hütten nicht einmal erkannte. Einige Menschen liefen schreiend davon, doch wurden sie schnell eingeholt. Seine Miene verfinstere sich und er trieb sein Pferd zur Eile an. Doch er war zu weit entfernt. Als die letzten Kehlen verstummten, saß er noch im Sattel und alles was der Wind verbreitete war Kälte. Angelangt lähmte ihn das Grauen. Er hatte schon viel gesehen, doch dies überstieg alle Vorstellungs­kraft. Wer auch immer die waren, sie hatten alles Leben ausgelöscht. Die Flammen nahmen sich den Hütten an und begannen die Spuren zu vertilgen. Die spärlich ausgestatteten Häuser brachen nacheinander in sich zusammen und beißender Gestank legte sich wie ein undurchdringlicher Schleier über das Dorf. Der Geruch von blutdurchtränkter Erde und verbrennenden Leichen hing an jeder Brise, die sich durch die ausgestorbene Siedlung zwang, und drückte schwer gegen die Brust. Allein der Anblick dieser Schandtat reichte, um ihm zuzusetzen, doch mit dem Tod, der bei jedem Atemzug tiefer in die Lungen drang, verkrampfte sich sein Magen. Eigentlich wollte er nur noch weg, an einen Ort, wo er wegsehen konnte und er nicht mit jeder schwindenden Sekunde leiden musste.

      Hier gab es nichts mehr, was Legarus tun konnte. Doch als er weiterziehen wollte, fühlte er, dass er nicht allein war. Zögerlich folgte er seinem Gespür. Er wagte kaum zu hoffen einen Über­lebenden zu finden. Erstaunt fand er ein kleines Mädchen, kaum älter als vierzehn, über seine Mutter gebeugt. Zögernd näherte er sich dem Kind. Lange bemerkte es ihn nicht. Doch urplötzlich sprang es auf und riss ein Schwert von der Wand, um den Leichnam seiner Mutter zu verteidigen. Verkrampft hielt es sich am Schwert fest, das zu schwer für seine Hände war. Die Miene des Mädchens war genauso starr wie ausdruckslos. Nur seine Augen strahlten vor Hass und Wut. Doch dann regte es sich nicht mehr. Es stand nur da. Die Platzwunde am Kopf war bereits am trocknen, aber ansonsten war es kaum verletzt. Dennoch wirkte es wie tot. Von innen tot. Dies alles war zu viel Grauen, zu viel sinnlose Gewalt. Der Tod war allgegenwärtig. Legarus hielt in seiner Bewegung inne. Trauer überwältigte das Mädchen und ertränkte die Wut.

      Das Schwert nicht achtend, nahm Legarus das Mädchen behutsam in den Arm. Ohne Vorwarnung ergoss sich ein Strom warmer Tränen auf den Mantel des Mannes. Die Berührung war sanft, die Umarmung tröstend. Doch es war nicht der Fremde, den es in den Armen hielt. Es vergaß seine Anwesenheit. Es war für das Mädchen wie eine letzte Umarmung mit seinen Eltern. Lange stand es schweigend so da, bevor es erschöpft zusammen­brach. Vorsichtig trug Legarus es aus dem Dorf, hüllte es in eine seiner Decken, und säuberte und verband die Wunde am Kopf.

      Er suchte in den Taschen seines Pferdes nach einer kleinen Flasche und träufelte dem Mädchen einige Tropfen davon auf die Lippen, damit es ruhiger schlief. Sein Atmen beruhigte sich und Legarus musste sich weniger sorgen, dass es sich im Schlaf verletzen würde. Es war besser wenn sein Kopf nun ruhig lag, auch wenn es nicht lebensbedrohlich war, war es besser wenn er sich darum kümmerte.

      Er trat aus dem Gebüsch in das er es gelegt hatte und sah sich in alle Richtungen um. Niemand war zu sehen, doch er wusste in etwa wohin sich die Schergen verzogen hatten. Diesmal durfte

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