Im Schatten der Dämmerung. Marc Lindner
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![Im Schatten der Dämmerung - Marc Lindner Im Schatten der Dämmerung - Marc Lindner Die Diener der Krone](/cover_pre1104041.jpg)
„So oder so, ja.“
„Aber warum gehst du zu ihnen, wenn sie nicht helfen werden?“, versuchte Brontes ihn zu verstehen.
„Ich suche nach Antworten.“
Asylma blieb während dessen stumm. Der Krieg ging sie nichts an, auch wenn sie wusste, dass ihr Vater anders gedacht hatte. Er wäre für die Sache gestorben und vielleicht war er das auch. Ihr Vater hatte ihr wohl das meiste verschwiegen. Doch sie verstand die Wut, die Brontes gegen die Herrschenden hegte nur zu gut. Auch sie hatte viel an die sinnlose Gewalt in diesem Lande verloren – zu viel. Tief in ihrem Herzen brannte ein Feuer, das dort unaufhaltsam loderte und von dem geschürt wurde, was sie sah, hörte und fühlte.
„Wir werden Verbündete brauchen. Irgendwo müssen wir anfangen.“
„Das stimmt. Aber erst brauchen wir Antworten. Verbündete werden wir viele finden. Sieh dir die Städte an. Viele sind ausgewandert und verstecken sich in den Wäldern und den Bergen. Aber bevor wir kämpfen…“
Plötzlich klopfte es an einer Wand.
Erschrocken fuhr Brontes auf und ging zur Rückwand seines Hauses. Er schob ein loses Brett beiseite. Legarus und Asylma konnten den Mann dahinter nicht sehen. Aufgeregt flüsterte er mit Brontes. Auf Brontes' Fragen gab er nur abgehackte Antworten und war bald wieder verschwunden.
„Brandolf weiß, wer du bist. Er hat Truppen ausgesandt, um uns gefangen zu nehmen. Wir haben keine Zeit mehr, wir müssen augenblicklich fliehen.“
„Wir? Warum musst du auch weg?“ Legarus zögerte nicht und war dabei seine Habseligkeiten aufzugreifen.
„Sie haben euch beobachtet. Sie wissen, dass ihr bei mir seid.“ Seine Miene verfinsterte sich. „Er würde mich solange foltern, bis er alles über euch wüsste.“
Brontes führte sie in Richtung der Stadtmauern. Schnell ließen sie das nun gänzlich verlassene Haus hinter sich und eilten zwischen den verschlungenen Gassen hindurch. Obwohl sie die Hufe des Pferdes mit Tüchern umwickelt hatten, waren die Tritte in der ansonsten stillen Stadt verräterisch laut.
Im Stadtzentrum kamen sie schnell voran, aber als sie sich der westlichen Grenzmauer näherten, waren die großen Wegkreuzungen von wachsamen Soldaten besetzt. Es war kein Vergleich mit zuvor.
Allein der Ortskenntnis ihres Führers verdankten sie, dass noch keine dieser Truppen sie bemerkt hatte. Er führte sie durch verwinkelte, enge Passagen, in denen die Fassaden die ausgespülten Pflastersteine bedeckten, anstatt die arg mitgenommenen Häuser vor Regen zu schützen. Es roch nach abgestandener feuchter Luft, modrig und alt.
Kaum mehr als 200 Schritt und drei Wegkreuzungen von der zu überwindenden Mauer entfernt, geschah das Unvermeidliche. Eine Patrouille bog um eine Ecke und erblickte die ungewöhnliche Gemeinschaft. Sie waren in der sonst ausgestorbenen Stadt so fehl am Platz wie ein Fisch in der Wüste.
„Im Namen Brandolfs, ihr seid festgenommen!“ Sie erweckten nicht den Eindruck, als wollten sie lange reden. Kaum ausgesprochen zogen sie ihre Schwerter blank und stürmten los.
„Asylma steig auf das Pferd und reite voraus!“, zischte Brontes in einem scharfen Ton. „Hinter dem Dornenstrauch findest du einen Durchschlupf. Warte dahinter auf uns.“ Brontes wandte sich an Legarus. „Komm, wir locken sie hier weg. Dort kommen wir nicht durch.“ Dabei konnte er sich einen ironischen Unterton nicht verkneifen und musste trotz der ungemütlichen Lage grinsen.
Doch das war leichter gesagt als getan. Die Soldaten waren bedrohlich nah als Asylma das Pferd bestieg und Legarus diesem einen Klaps gab. Ihr Vater hatte ihr immer wieder eingebläut, dass Befehle ohne aufzumucken zu befolgen waren, besonders in einer heiklen Situation wie diesen. Darum ritt sie, ohne zu zögern auf den rettenden Spalt zu. Dort angelangt zwängte sich Asylma hindurch, um auf der anderen Seite das Kommen der Männer abzuwarten.
Ein heller Pfiff ertönte. Sie hörte wie das Pferd davonlief. Es war Legarus, der sein treues Pferd zu sich rief. Als Naskur seinen Herrn erblickte, sah es diesen von vier Soldaten umringt. Weitere lagen bereits überwältigt auf der sich färbenden Erde, während andere ihren Kameraden, vom Pfiff angelockt, zu Hilfe eilten. Auf dem Weg zu Legarus rannte Naskur zwei überraschte Gegner zu Boden, bevor es abrupt hinter Legarus zum Stehen kam.
„Brontes steig auf!“ Dieser Tat wie ihm geheißen, während Legarus seine Kontrahenten mit einem derben Hieb seines überlangen Schwertes auf Distanz hielt. Er fasste die hilfreiche Hand und hievte sich blitzschnell auf Naskur.
Abermals lief der Hengst los. Zwar waren sie fürs erste außer Reichweite der Soldaten, doch durch den Lärm geleitet, strömte jetzt aus jeder erdenklichen Richtung Verstärkung an und machte jeden Versuch durch die ohnehin geschlossenen Tore zu fliehen, schon am Ansatz zunichte.
Legarus sah keinen Weg mehr der Stadt zu entkommen. Brontes jedoch schien nicht sonderlich besorgt.
„Gut, dass diese Stadt schon halb verfallen ist. Selbst die Befestigungsanlagen sind ausbesserungswürdig“, erwähnte Brontes wie beiläufig.
Der Schmied hielt die Zügel. Als Legarus auffiel, dass dieser im Halbkreis geritten war, erlangte er neuen Mut. Wenige Hufschläge später tauchte vor ihnen ein gigantisches Trümmerfeld auf, das einst wohl eine beeindruckende Mauer gewesen war. Jetzt aber legten die Trümmer eine gut zwanzig Meter breite Öffnung in der Verteidigungsanlage frei, durch die eine Armee hindurchmarschieren könnte, ohne dabei aus dem Takt zu geraten. Diese Öffnung war von etwa zehn Mann bewacht gewesen, nun aber kündeten nur noch ihre zurückgelassenen Pferde von ihrer einstigen Tätigkeit. Mit dem Beginn des Tumultes, hatten auch sie ihre Posten verlassen. Dank des Schlenkers, den Brontes eingeschlagen hatte, waren nun alle Soldaten des Stadthalters hinter ihnen.
Ungestört passierten sie die Ruine. Brontes stieg von Naskur und übergab Legarus die Zügel. Mit sich selbst zufrieden ging er auf die herrenlosen Pferde zu, bestieg eines und nahm ein weiteres bei den Zügeln.
Mit einem breiten Grinsen überholte er Legarus und führte ihn westwärts der Mauer entlang zu Asylma.
Asylma versteckte sich hinter einem kleinen Busch nicht unweit vom Spalt und lehnte sich erschöpft gegen die Stadtmauer. Beide waren erfreut sie unversehrt wieder zu sehen. Mit seinem neu gewonnenen Elan ritt Brontes voraus, doch dann zog er erschrocken die Zügel. Das Pferd reagierte nervös, weil es sich noch nicht an seinen neuen Reiter gewöhnt hatte. Legarus schloss auf und verengte besorgt seine Augen. Asylma war nicht allein. Im Spalt lag ein Soldat. Seine Kehle war durchgeschnitten. Der Schrecken stand ihm noch im Gesicht. Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, war diesem armen Kerl nicht einmal die Zeit geblieben, irgendeinen vernehmlichen Ton von sich zu geben. Asylma hatte ihn soweit nach vorne gezogen, dass er den Spalt vollständig verstopfte und seine ausgestreckten Arme verhinderten, dass er zurückgezogen werden konnte.
Mit diesem Bild vor Augen verging Brontes das Grinsen. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Sein Mund öffnete und schloss sich mehrmals, bevor er anerkennend nickte.
„Du scheinst einiges auf dem Kerbholz zu haben, junges Fräulein“, meinte Brontes und zwinkerte ihr freundlich zu. Asylma quittierte diese Bemerkung mit einem etwas frechen Grinsen. Legarus musste erst einen Kloß herunterschlucken und versuchte sie zu tadeln. Er stellte sich dabei aber so wenig überzeugend an, dass sie es mit einem Achselzucken überspielte.
Der