Bis die Gerechtigkeit dich holt. Ute Dombrowski
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„Guten Morgen, Frau Schmidt, mir geht es ganz gut. Und Ihnen? Möchten Sie einen Kaffee?“
„Nein, danke, ich hatte schon eine Tasse, von zu viel Kaffee schlägt mein Herz immer so heftig. Sie sehen aber gar nicht ausgeruht aus, Kindchen.“
„Ich schlafe in letzter Zeit schlecht. Erinnerungen, böse Träume.“
„Oh, wie furchtbar, in Ihrem Alter sollte man doch von der Liebe träumen und in den Armen eines netten Mannes schlafen. Was bedrückt Sie denn?“
„Sie haben doch sicher in der Zeitung von dem kleinen Mädchen, das verletzt im Park gefunden wurde, gelesen. Sie ist im Krankenhaus gestorben, ihr Stiefvater hatte sie misshandelt und vergewaltigt.“
Frau Schmidt nickte.
„Das arme Mädchen, ich habe es gelesen. Wie kann ein Mensch einem anderen so etwas Grausames antun? Ich frage mich dann immer, ob so etwas niemand mitbekommt.“
„Die Opfer schweigen aus Scham oder weil sie bedroht werden und oft haben sie keine Kraft, sich zu wehren oder Hilfe einzuholen. Ich finde, da wird zu wenig getan, aber der Stiefvater ist auch getötet worden. Das kann kein Zufall sein. Er hat es verdient, ich kann dem Täter nicht böse sein.“
„Oh, ich verstehe Sie, aber Gewalt ist auch hier keine Lösung. Es ist der falsche Weg, den Mörder zu töten.“
„Die Polizistin hat zu mir gesagt, dass man gar nicht gegen ihn ermittelt hat, aber dass ihn jetzt jemand zur Rechenschaft gezogen hat, zeigt doch seine Schuld ganz deutlich. Sie war so verstört und zerbrechlich … die kleine Hanka.“
Frau Schmidt runzelte die Stirn und legte einen Arm um Kendra.
„Woher wissen Sie das denn? Kannten Sie die Kleine?“
„Ich … ich … ich habe sie gefunden, im Park unter einem Busch. Sie hat so gewimmert, es war fürchterlich.“
Eine Träne lief aus Kendras Augenwinkel über die Wange und tropfte auf ihre Bluse. Frau Schmidt reichte ihr wortlos ein Taschentuch und drückte sie an sich.
„Wenn ich könnte, würde ich alle diese miesen Typen bestrafen, sie haben es nicht anders verdient. Aber keine Angst“, sagte Kendra mit geballter Faust, „ich weiß, es ist der falsche Weg.“
Dann schloss Frau Schmidt die Tür auf und die ersten Studenten strömten an ihr vorbei in die Bücherei. Einige knurrten mürrisch, andere riefen ihr ein fröhliches „Guten Morgen“ zu, drei junge Männer schwiegen, sodass Frau Schmidt ihnen eine herzliche Begrüßung entgegen schmetterte. Die drei Studenten zuckten zusammen und antworteten höflich, dann verteilten sie sich in den Regalreihen. Frau Schmidt lächelte und trat zu Kendra hinter die brusthohe Theke.
Kendra saß am Computer und aktualisierte die Aus- und Eingänge der Bücher. Ihre Kollegin trug die fertig bearbeiteten Bücher an die richtige Stelle im Regal und legte die Vorbestellungen in einem Korb ab. Die Technik hatte auch hier Einzug gehalten, aber es gab noch das Flair einer Bücherei. Kendra liebte den Geruch der Bücher und fühlte gerne die festen, trockenen Seiten. Wenn mal wenig zu tun war, schlenderte sie durch die endlosen Reihen der Regale, die fast bis zur Decke reichten und rückte den einen oder anderen Buchrücken zurecht. Manchmal las sie auch in einem Fachbuch, besonders die Psychologie und der Weinbau interessierten sie. So war ihr vor kurzem ein Buch in die Hand gefallen, das sich mit dem Thema Gewalt in der Familie beschäftigte und sie suchte nach Erklärungen für ihr eigenes Schicksal. Als sie es wieder ins Regal zurückstellte, fühlte sie sich nicht besser, sie konnte auch ihre Mutter nicht besser verstehen, nur eines war klar geworden: Niemals würde sie es zulassen, dass sich ein Mensch an ihr oder ihren Kindern vergreifen würde.
10
Lisa hatte bis zum Wochenende jeden Abend mit Sascha telefoniert. Nun stand sie aufgeregt vor dem Haupteingang des Schlosses Johannisberg, das hoch über den Weinbergen thronte. Die Sonne gab ihr Bestes und tauchte die Landschaft in ein sattes Grün. Vögel zwitscherten, es war zehn Uhr am Vormittag und viele Wanderer und Weinliebhaber waren an diesem Punkt zu ihrem Wochenendvergnügen verabredet.
Dann sah Lisa den dunkelblauen Sportwagen, an dem kein einziger Kratzer mehr von ihrem unfreiwilligen Zusammentreffen zeugte, in die Allee einfahren und in eine Parklücke abbiegen. Lisas Herz klopfte heftig, aber die Freude, den attraktiven Fotografen wiederzusehen, überwog.
Sascha sah gut aus, der Wind wehte durch sein kastanienbraunes Haar, sein Lächeln ließ Lisa schmelzen und als er sie sanft auf die Wange küsste, lief ihr ein wohliger Schauer über den Rücken.
„Guten Morgen, schöne Frau, wie habe ich diesen Tag herbeigesehnt.“
„Ich auch …“, stammelte Lisa und sah auf ihre Schuhspitzen.
„Ich mag es, wenn Sie so schüchtern sind, aber ich tue Ihnen nichts, außer vielleicht …“
Er griff nach Lisas Kinn und hob es ein wenig an. Ihre Blicke trafen sich und Sascha beugte sich vorsichtig zu ihr herab, um seine warmen, weichen Lippen auf ihre zu drücken. Lisa wollte zurückweichen, aber Sascha legte einen Arm um ihre Taille und zog sie an sich. Seine grauen Augen schauten ihr danach forschend ins Gesicht. Es fühlte sich gut an und Lisa schloss die Augen, als sie sich entspannte. Sie küssten sich innig und liefen Hand in Hand los, an der Basilika vorbei den Weinbergen entgegen. Sascha redete, Lisa hörte zu.
„Ich liebe die Weinberge, sie haben so etwas Beständiges. Und wenn man den Rhein sieht, wie er in der Sonne glitzert, dann fragt man sich wirklich, wozu man noch im Ausland Urlaub machen soll. Ich liebe diese Gegend. Wir sind hier aufgewachsen, meine Schwester und ich. Immer, wenn es Krach gab, bin ich in die Weinberge geflüchtet. Nele hatte viel Ärger mit meinem Vater.“
„Ich habe keine Geschwister und meine Mutter ist auch schon tot. Vor kurzem habe ich Kendra kennengelernt, wir haben uns angefreundet. Es war ein böses Ereignis, das uns zusammengeführt hat, aber irgendwie hat es uns die Freundschaft gebracht.“
Lisa berichtete von Hanka, den Ereignissen, der Polizei-Befragung und dem Tod des Stiefvaters. Sascha hatte geduldig zugehört und seinen Arm fest um Lisas Schultern gelegt.
„Ich habe es in der Zeitung gelesen und mit meiner Schwester darüber geredet. Sie war die ermittelnde Staatsanwältin, bis sie vom Oberstaatsanwalt von dem Fall abgezogen wurde. Nele war sehr sauer, denn bei Gewalt gegen Kinder kennt sie keinen Spaß. Vielleicht, weil sie selbst oft geschlagen wurde.“
„Oh, das tut mir leid, meine Freundin hatte eine Schwester, die vom Vater misshandelt wurde. Sie hatte sich vor vielen Jahren selbst getötet, nachdem sie den Vater umgebracht hat. Meine Freundin war zehn Jahre und hat alles mit angesehen.“
„Warum sind Menschen so böse zu Kindern? Die soll man doch lieben! Ich habe meinen Vater auch nie verstanden, irgendwann ist meine Mutter mit uns weggezogen. Dann war Vater plötzlich verschwunden. Wir wissen bis heute nicht, wo er ist oder ob er noch lebt. Unsere Mutter ist vor zwei Jahren gestorben.“
„Hat er dich auch geschlagen?“
„Nein, nur Nele. Ich war ein Junge, er mochte nur keine Mädchen, denke ich. Zu meiner Mutter war er auch nicht gut. Sie hat viel geweint, aber ich war noch klein und habe das nicht verstanden. Und jetzt lass uns nicht mehr über so etwas Trauriges reden. Ich möchte gerne mit dir zusammen sein, Lisa. Du gefällst