Wahre Kriminalfälle und Skandale. Walter Brendel

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Wahre Kriminalfälle und Skandale - Walter Brendel

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"Interview" mit Gitta Sereny, in dem sie das große Geheimnis um "Mr. X" lüftete: Er hatte sichwie die Hitler-Tagebücher vervielfacht, zu einem Quartett "alter Nazis", allen voran General a.D. Wilhelm Mohnke ("aus einer alten Offiziers-Familie, er war ein Herr" [selbst das war schlampig recherchiert: Mohnkes Vater war Kunsttischler, und er selber war nicht General a.D., sondern SS-Brigadeführer a.D.] und SS-Mann a.D. Klapper ("er war ein Schuft"); die Namen der beiden anderen hat auch sie nicht heraus gefunden. Diese vier, so Sereny, wollten ursprünglich gar kein Geschäft mit den Hitler-Tagebüchern machen, sondern nur beweisen, dass Hitler doch eigentlich ein netter Mensch war, der gar keinen Krieg wollte und vom "Holocaust" nichts wusste. Wenn das tatsächlich der Inhalt der Hitler-Tagebücher ist - mit oder ohne Ausschmückungen Kujaus und seiner Hintermänner -, dann ist es durchaus verständlich, wenn die amtlichen Gutmenschen nicht wollen, dass das an die Öffentlichkeit gelangt. Dabei dürfte zumindest der erste Punkt längst kein Geheimnis mehr sein: Hitler wollte wirklich keinen neuen Weltkrieg - er glaubte, seine außenpolitischen Erfolge allein mit Bluff und Erpressung erringen zu können und war ganz niedergeschlagen (oder, wie man heute auf Neu-Deutsch sagt: "down" :-) als ihm Frankreich und vor allem sein geliebtes England dann doch den Krieg erklärten, auf den Deutschland nicht annähernd hinreichend vorbereitet war (aber das ist eine andere Geschichte). Er hatte doch nur mal kurz der von den Polen verfolgten volksdeutschen Minderheit zu Hilfe eilen wollen!

      Und der zweite Punkt? Sereny hat ihr jüngstes Buch "Das deutsche Trauma" genannt. Es ist wohl eher ein jüdisches Trauma - die Angst, eines Tages feststellen zu müssen, dass Hitler persönlich vielleicht weniger zum "Holocaust" beigetragen hat als andere, die man versäumt hat, rechtzeitig zu Buhmännern aufzubauen. Es fällt auf, dass in Serenys ersterem, so schnell wieder gelöschten Beitrag vom 20. April 2002 noch genau stand, worin denn das bösartige Leugnen von Hitlers Wissen um den "Holocaust" bestand: Auf 12 Seiten (und ausgerechnet die waren dem Bundesarchiv vorgelegt worden!) stand, was der Hitler der Tagebücher sich unter "Endlösung" vorstellte: nicht die Ausrottung der europäischen Juden, sondern "nur" ihre Deportation nach Sibirien. "Eine Möglichkeit, die damals tatsächlich erwogen wurde", kommentierte Sereny - nanu, eine Jüdin als "Holocaust"-Leugnerin? Wurde der Beitrag etwa deshalb so schnell wieder vom Netz genommen? Im "Interview" zweieinhalb Wochen später fehlt jedenfalls jegliche diesbezügliche Bemerkung. Wie dem auch sei, letztlich bleibt es eine Glaubensfrage, ob und wieviel Hitler vom "Holocaust" wusste oder nicht wusste; und wir würde selbst dann nicht alles glauben, wenn er es schwarz oder blau auf weiß in einem oder mehreren nachweislich echten Tagebüchern lesen würde - dafür lügen Tagebuch- und Memoiren-Schreiber erfahrungsgemäß viel zu oft, auch und gerade durch Auslassungen. Auch nach Lektüre der beiden Beiträge von Gitta Sereny bleibt es also dabei: Irgendetwas an dieser Sache stinkt zum Himmel - Kotze Schtonk!

      Und noch ein Nachtrag. Auch die schönsten Märchen müssen einmal enden. Das Märchen von den Initialen "FH" wurde zum letzten Mal im Jahre 2003 erzählt: Im April in einer NDR-Reportage von Volker Präkelt unter dem Titel "Der größte Schwindel aller Zeiten" und einem n-tv-Beitrag von Claus-Peter Tiemann unter dem Titel "Es war einmal vor 20 Jahren" (fürwahr ein passender Titel für ein Märchen! :-).

      Ein Jahr später, als der NDR die Präkelt-Reportage pünktlich zu Führers 115. Geburtstag, am 20.04.2004, wiederholte, waren die Behauptungen über die angeblichen Initialen "FH" stillschweigend heraus geschnitten - nicht etwa korrigiert - worden. Nun vertritt, soweit ersichtlich, nur noch Manfred Riebe, ein selbst ernannter Keksperte für "gotische oder deutsche Schrift (Sütterlin, Fraktur)" (wenn er wirklich Ahnung von der Materie hätte, müsste ihm als einem der erstem aufgefallen sein, dass es sich tatsächlich um die Initialen "AH" handelte!) vom "Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V." auf einer "09.06.2003" datierten Webseite öffentlich diesen peinlichen Nonsense - mal sehen, wie lange noch. Der Autor grüßt alle seine Leser - auch die vom NDR - mit einem Eishauch der Geschichte.

      Hauptfiguren waren ein „Stern“-Reporter und ein kleiner Gauner. Vor über zwanzig Jahren erschütterte ein Skandal die Republik: die gefälschten Hitler-Tagebücher. Wiederholungen werden erwartet.

      Doch Kujau ist als Hochstapler kein Einzelfall. Weitere bekannte Hochstapler der Welt sind:

      Frank Abagnale

      War einer der bekanntesten Hochstapler der USA und lieferte das Vorbild für den Spielfilm "Catch me if you can"; geboren 27. April 1948 in New York.

      Jayson Blair

      Der Reporter der New York Times erfand bis zum Jahr 2003 systematisch Zitate, Interviews und Reportagen und löste nach Entdeckung seiner Fälschungen eine Krise bei dem Renommierblatt aus; geboren 1976 in Columbia, Maryland.

      Michael Born

      Produzierte als Fernsehjournalist vor allem für "Stern TV" und "Spiegel TV" gefälschte Reportagen; geboren am 30. Juli 1958 in Lahnstein.

      Alexander Graf von Cagliostro

      War im 18. Jahrhundert Hellseher, Spiritist, Alchimist und vielfältiger Betrüger; geboren als Giuseppe Balsamo am 8. Juni 1743 in Palermo; gestorben am 26. August 1795 im Kerker des Schlosses San Leone bei Urbino.

      Tom Kummer

      Der deutsche Starjournalist erfand in den Neunzigerjahren insbesondere für das SZ-Magazin seine hoch geschätzten Interviews mit US-amerikanischen Prominenten; geboren 1963.

      Binjamin Wilkomirski

      Der Schweizer Bruno Dössekker veröffentlichte 1999 bei Suhrkamp seine angebliche Autobiografie als Auschwitz- und Majdanek-Überlebender; das fiktive Werk wurde zu einem Klassiker der Holocaust-Literatur hochgelobt; geboren als Bruno Grosjean am 12. Februar 1941 in Biel.

      Claas Relotius

      Der Spiegel-Journalist wurde im Dezember 2018 entlarvt. Es ist der Montag vor drei Wochen, der 3. Dezember, am Abend wird Relotius, SPIEGEL-Mitarbeiter seit sieben, SPIEGEL-Redakteur seit eineinhalb Jahren, in Berlin auf eine Bühne gerufen. Er hat nach Meinung der Jury des Deutschen Reporterpreises 2018 wieder die beste Reportage des Jahres geschrieben, über einen syrischen Jungen diesmal, der im Glauben lebt, durch einen Kinderstreich den Bürgerkrieg im Land mit ausgelöst zu haben. Die Juroren würdigen einen Text "von beispielloser Leichtigkeit, Dichte und Relevanz, der nie offenlässt, auf welchen Quellen er basiert."

      Aber in Wahrheit ist, was zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen kann, leider alles offen. Alle Quellen sind trüb. Vieles ist wohl erdacht, erfunden, gelogen. Zitate, Orte, Szenen, vermeintliche Menschen aus Fleisch und Blut. Fake.

      Die elende Seite im Leben des Claas Relotius dokumentiert eine E-Mail, die zufällig ebenfalls an jenem 3. Dezember, keine 17 Stunden vor der Preisverleihung in Berlin, um 3.05 Uhr in deutscher Nacht, bei ihm eintrifft. Eine "Jan" meldet sich, das ist kurz für: Janet, sie macht die Pressearbeit für eine Bürgerwehr in Arizona, die entlang der Grenze zu Mexiko Streife auf eigene Faust läuft. Sie fragt Relotius, der über diese Bürgerwehr zwei Wochen zuvor in der dunkel schillernden SPIEGEL-Reportage "Jaegers Grenze" geschrieben zu haben vorgab, wie das denn zugehe? Wie Relotius Artikel über ihre Gruppe verfassen könne, ohne für ein Interview vorbeizukommen? Und dass es doch sehr seltsam auf sie wirke, dass ein Journalist Geschichten schreibe, ohne vor Ort Fakten einzusammeln.

      Es ist der eine gefälschte Text zu viel, weil er diesmal einen Co-Autor hat, der seinen "Quatsch" nicht mitmacht, der Alarm schlägt und bald Fakten gegen die Fiktionen sammelt. Juan Moreno ist dieser Co-Autor, seit 2007 als Reporter für den SPIEGEL in aller Welt unterwegs. Im Streit mit und über Relotius riskiert Moreno seinen eigenen Job, zwischenzeitlich recherchiert er dem Kollegen, verzweifelt, auf eigene Kosten hinterher. Drei, vier Wochen lang geht Moreno durch die Hölle, weil Kolleginnen und Vorgesetzte in Hamburg seine Vorwürfe anfangs gar nicht glauben können. Relotius? Ein Fälscher? Der bescheidene Claas? Ausgerechnet?

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