POLARLICHTER. Manfred G. Valtu

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POLARLICHTER - Manfred G. Valtu

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Stabkirche gestanden und das Gefühl gehabt, der Boden unter ihren Füßen würde sich auflösen.

      Otto war kurz nach ihr aus der Kirche gekommen. Er hatte die Begegnung nicht gesehen. Sie schilderte ihm das Ereignis und zeigte ihm das Foto. Er hatte nur den Kopf geschüttelt und gesagt, er sehe nur ein unscharfes Foto eines bärtigen Mannes. Er hätte Voss zwar nicht persönlich gekannt, ihn jedoch damals in allen Gazetten gesehen, in denen er abgebildet gewesen sei. Er könne keine Ähnlichkeit feststellen. Der Kollege war keine große Hilfe.

      Dabei waren er und dieser Zeitungsreporter doch diejenigen gewesen, die das Gerücht an sie herangetragen hatten, Voss sei in Wirklichkeit noch am Leben.

      Agnes war zurück in die Kirche gegangen. Dort hatte sie den Touristenführer noch angetroffen, ihm das Foto gezeigt und ihn gefragt, ob er den Mann kenne. „Na klar“, hatte der geantwortet. „Das ist Herr Eriksen, Niels-Erland Eriksen. Er hat viel für den Erhalt und die Pflege unseres Freiluftmuseums getan.“

      Agnes hatte sich den Namen buchstabieren lassen und notiert. Sie hatte noch erfahren, dass der angebliche Eriksen vor etwa drei Jahren hierher gezogen war. Ihm gehöre ein Haus in der Mellomila, nahe dem Yachthafen. Ob er dort allein lebe oder eine Familie habe, wisse er nicht. Auch den Straßennamen ließ sie sich buchstabieren und notierte ihn. Dank der genauso wie in Schweden offenen norwegischen Gesellschaft hatte sie im Internet problemlos die Adresse finden können. Sie hatte sich bei Otto eingehakt und ihn zu einem Spaziergang überredet.

      Nachdem dieser auf seinem Smartphone das Ziel eingegeben hatte, musste Agnes einsehen, dass es für einen „Spaziergang“ zu weit war. Also hatten sie sich ein Taxi genommen. Otto hatte den Taxifahrer gebeten, zu warten. Agnes war inzwischen zu dem Eingang des Hauses gerannt. Sie hatte neben der Klingel den Namen Eriksen gefunden und lange auf den Knopf gedrückt. Den Klingelton hatte sie hören können, aber es war keine Reaktion erfolgt. Alle weiteren Versuche waren ebenfalls erfolglos geblieben. Schließlich hatte aus einem der Fenster des Nachbarhauses eine Frau herausgeschaut. „Herr Eriksen ist nicht da. Er ist weggefahren und wird wahrscheinlich erst sehr spät zurück sein. Kommen Sie morgen wieder.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, hatte die Frau das Fenster geschlossen und war verschwunden.

      Agnes fasste einen Entschluss. Hier würde sie nicht eher wieder weggehen, bis sie Klarheit gewonnen hätte.

      Zurück im Taxi hatte sie gesagt: „Wir werden morgen nach dem Frühstück noch einmal herkommen. Ich will Gewissheit, ob ich ihn wirklich gesehen habe oder nur einem Wunschtraum aufgesessen bin. Und ich würde es verstehen, wenn du das nicht länger mitmachen willst.“

      Agnes hatte das derart bestimmt gesagt, dass Otto, der noch zum Widerspruch angesetzt hatte, seinen Protest herunterschluckte und nur sagte: „Ich lasse dich doch hier nicht alleine. Wer weiß, was noch alles hinter dieser ominösen Geschichte steckt.“

      „Wie du willst.“ Und etwas kleinlaut fügte sie hinzu: „Es tut mir leid, dir die Reise zu verderben. Aber ich brauche Klarheit!“

      „Endlich mal ein Abenteuer“, rief er nur und beide waren ins Taxi gestiegen.

      §§§§§§§§

      K A P I T E L 1 1

      Es hatte zweifellos Vorteile, beim BKA statt in der „Ebene“ bei den Kollegen und Kolleginnen der Kripo beschäftigt zu sein. Statt mühsam Flug- und Bahnverbindungen möglichst unterster Kategorie – die Verwaltung war knauserig, was Dienstreisen betraf – heraussuchen und rechtfertigen zu müssen, kam KKzA Röhling in den Genuss eines Direktfluges nach Norwegen. Die Hawker Beechkraft 750 bot Platz für sechs Personen, doch er war der einzige Passagier. Sie brachte ihn mit einer Reisegeschwindigkeit von 825 Km/h so schnell an sein Ziel, dass er kaum Zeit hatte, den Flug zu genießen. Die Hawker landete auf dem winzigen Flughafen von Andenes, das etwa eine Autostunde von Olden entfernt liegt. Röhling stieg aus und sah sich um. Der Flughafen war direkt in eine Landspitze hinein gebaut, so dass sich von seinem Standpunkt ein grandioser Blick auf den Fjord und die gegenüberliegende Berglandschaft bot.

      „Ich bin Mathisen“, begrüßte ihn ein an einem uralten LandRover lehnender und freundlich lächelnder Mann in deutsch.

      „Mats Röhling“, stellte sich der Besucher vor. „Ich kann zwar etwas norwegisch. Aber wenn wir beim Deutschen bleiben können, wäre das großartig für mich.“

      „Kein Problem. Pack' deine Tasche hinten rein und dann los.“

      Die anschließende Fahrt ging zunächst am südlichen Teil der Landzunge entlang. Mathisen prügelte das Gefährt, ständig im Grenzbereich fahrend und das Getriebe mit viel zu schnellen Gangwechseln überfordernd, um die zahlreichen Kurven. Röhling wurde auf dem keinerlei Halt bietenden Sitz trotz des wie eine Fessel sitzenden Gurtes hin und her geworfen. Von den drei kleinen Orten (Vereide, Sandane und Breim) konnte er kaum etwas wahrnehmen, weil sie einfach zu schnell durch waren. Eine Unterhaltung war bei dem Lärm, den der Oldtimer verursachte, ebenfalls nicht möglich.

      Von Breim aus führte sodann ein zunächst kurvenärmeres Teilstück in nordöstlicher Richtung. Röhling konnte für einige Zeit den Haltegriff loslassen, sich aufrecht positionieren und endlich eine höfliche Bemerkung zu der offenbar vorliegenden Absicht des Fahrers, einen neuen Streckenrekord aufzustellen, machen. Mathisen lachte nur und empfahl, sich demnächst wieder gut festzuhalten.

      Tatsächlich legte Mathisen nach kurzer Zeit das Auto mit driftendem Heck in eine 90-Grad-Rechtskurve und nach einer gefühlt nur einen Meter langen Geradeausfahrt begann eine derart kurvenreiche Teilstrecke, wie sie Röhling noch nie erlebt hatte und die erst mit der Einfahrt in Utvik endete.

      Von hier aus führte eine zu den vorherigen Erfahrungen geradezu entspannende Fahrt am nördlichen Uferstreifen über Invik bis zu ihrem Ziel: Olden.

      Röhling sah auf seine Uhr. Sie hatten 56 Minuten gebraucht. Und erst jetzt wurde ihm bewusst, dass sie auf der ganzen Strecke nur zwei Autos begegnet waren. „Glückliches Norwegen, keine Verkehrsprobleme“, dachte er.

      Als er ausstieg, musste er sich am Auto festhalten, denn seine Knie gaben nach. Mathisen grinste über das ganze Gesicht und meinte generös: „Feuertaufe bestanden!“

      „Wenn das hier so weitergeht“, dachte Röhling, „will ich zu Hause nur noch einen Schreibtischjob!“

      §

      Magnus Lunde war überrascht, als er Röhling hereinkommen sah. „Schicken die mir einen Abiturienten?, fragte er sich. Und da er nun einmal sein Herz auf der Zunge trug, war nach der Begrüßung seine erste Frage, wie alt der Besucher sei.

      Röhling war nicht irritiert. Er kannte das schon. Obwohl er die dreißig überschritten hatte, wirkte er tatsächlich wesentlich jünger. Das war manchmal von Nachteil, manchmal aber hatte es ihm schon Vorteile gebracht, nicht ganz für voll genommen zu werden. Er würde sicherlich den Austausch des Chips problemlos vornehmen können.

      „Ich würde gern gleich zur Sache kommen“, sagte er bestimmt. Hier ist mein LapTop. Wenn Sie mir den Chip geben, kann ich gleich die dritte Stufe öffnen.“

      Lunde griff in die rechte Schreibtischschublade, entnahm ihr zunächst ein Tablet, das er Röhling mit den Worten „Wir schauen uns das auf dem Ding an“ reichte. Anschließend holte er eine feuerfeste Kassette aus dem linken Schubfach und schloss diese mit einem an seinem Taschenmesser baumelnden Schlüssel auf. Den Chip hielt er hoch und übergab ihn Mathisen.

      „Verdammt mißtrauisch,

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