POLARLICHTER. Manfred G. Valtu
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„Nun, es geht lediglich darum, dass unser Mitarbeiter vor Ort Einsicht in die dortige Ermittlungsakte Zug um Zug gegen Offenlegung des Inhalts des Chips erhält. Und…“ fügte Singer hinzu, „...natürlich auch tatsächliche Ermittlungen vor Ort anstellt.“
„Verzeihen Sie, Si …, äh, ...Chef, mir erschließt sich nicht ganz, weshalb dieser Zug-Um-Zug-Austausch nicht auch ohne Anwesenheit vor Ort erfolgen kann.“
Singer schaute den jungen Kollegen eher amüsiert als genervt direkt an. „Nun, es liegt nicht in meiner Absicht, den Kollegen in Olden tatsächlich den Inhalt des Chips zu offenbaren. Ein Chip ist wie der andere. Unser Abgesandter wird in einem geeigneten Moment einen noch zu präparierenden gleichartigen Chip austauschen. Die darauf enthaltenen Informationen werden allgemein und ermittlungstechnisch unbrauchbar sein.“
Röhling fragte sich, weshalb der Chef ihm das erzählte. Die Antwort kam prompt.
„Sie fragen sich sicher, weshalb ich das mit Ihnen erörtere. Nun (Singer leitete seine Erklärungen offenbar gern so ein), Sie haben sich in Ihrer bisherigen Laufbahn als situativ flexibel erwiesen. Sie sprechen ausgezeichnet englisch, gut schwedisch und mittelmäßig norwegisch. Sie sind als Hobby-Illusionist sehr geschickt mit den Händen und fantasievoll in der Herangehensweise bei zu bearbeitenden Fällen. Ich gehe davon aus, dass Sie sich zutrauen, einen schönen Spielfall für den Chip zu erfinden, vor Ort den Austausch vorzunehmen und rauszukriegen, was tatsächlich mit unserer Agentin 7301 los ist.“
„Aber Sir, ich soll tatsächlich… ich bin doch noch unerfahren ...“
Singer schnitt ihm das Wort ab. „Sie werden das so machen, wie ich gesagt habe. Wenn Sie den letztgenannten Punkt geklärt haben, kommen Sie zurück. Alles Weitere werde ich dann mit 7301 klären.“
Singer nahm einen dünnen Hefter und reichte ihn an Röhling.
„Und nun an die Arbeit. Hier drin ist eine kurze Zusammenfassung des Casus, in dem 7301 unterwegs ist. Machen Sie eine vom Tatsächlichen ablenkende Geschichte draus. Der äußerlich identische Chip ist vorn in der Hülle. Good Luck.“
„Na immerhin lässt er sich jetzt doch auf Anglizismen ein“, dachte Röhling beim Rausgehen.
Singer sah ihm nach. So ganz wohl war ihm nicht bei dem Gedanken, den jungen Mitarbeiter in dieses Abenteuer zu schicken. Am Liebsten hätte er selbst vor Ort nach dem rechten gesehen.
„Er wird es packen“, beruhigte er sich. Und er dachte an Anna. Wie es ihr wohl gerade erging?
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K A P I T E L 9
Zur selben Zeit räkelte sich Anna in ihrem Bett. Sie schlug die Augen auf, drehte sich zur Seite und musste feststellen, dass Martin, der seit mehreren Jahren in Norwegen unter dem Namen Niels-Erland Eriksen lebte, schon aufgestanden war. Geschirrklappern und ein köstlicher Duft von frisch gebackenen Brötchen wehte zart herüber.
Wehmütig dachte sie daran, dass die kurze Auszeit, die sie sich vor ein paar Tagen von ihrer Mission gegönnt hatte, heute zu Ende sein würde. Sie wäre gern noch einmal in seinen Armen aufgewacht und hätte sich zu gern noch einmal eingekuschelt – vielleicht auch noch ein bisschen mehr.
Beide hatten es immer gewusst – und sie hatte es ihm ja auch schon vor ihrer Liaison mehrfach gesagt: Ihren Beruf als Agentin des BKA konnte sie nicht einfach so aufgeben. Und sie wollte es auch nicht. Und so gab es immer nur – manchmal sehr kurze, manchmal auch längere – Phasen glücklichen Zusammenlebens.
Es half nichts. Sie schwang sich aus dem Bett, hauchte ihm im Vorübergehen einen Kuss auf die Wange und verschwand im Bad.
Zurück am Frühstückstisch machte sie sich über ein Brötchen und die extrem süße Erdbeermarmelade her. Als sie den zweiten Bissen im Mund hatte, fiel ihr auf, wie ernst und still Martin da saß und nichts aß. Sie legte die angebissene Brötchenhälfte auf ihren Teller und sah ihn fragend an.
„Agnes ist hier in Trondheim“, sagte er nur.
„Wo hast du sie gesehen?“
„Sie war gestern nachmittag in der Stabkirche.“
„Und? Hat sie dich gesehen?“
„Ich weiß es nicht genau. Ich war draußen und sie kam gerade aus der Kirche. Sie sah in meine Richtung und rief irgend etwas. Ich konnte sie nicht hören, weil die Glocken gerade läuteten. Ich bin so schnell wie möglich um die Ecke verschwunden.“
„Ich kümmere mich drum“, sagte Anna. „Wenn sie in Trondheim abgestiegen sein sollte, werde ich sie schnell finden. Und wenn sie mit der Hurtigruten unterwegs ist, ist sie heute auf hoher See.“
„Und was ist mit deiner Verabredung auf Spitzbergen?“
„Ich werde eine Nachricht schicken, dass ich noch in Trondheim Vorermittlungen betreiben muss. Mach' dir keine Sorgen – und gehe heute erstmal nicht raus.“
„Aye aye Sir“, sagte Martin grinsend und nahm sich nun doch ein Brötchen. „Aber morgen muss ich zum Hafen. Bin mit einem Kunden verabredet.“
„Dann sei aber bitte vorsichtig.“
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K A P I T E L 1 0
Ein paar Wochen zuvor in Berlin gönnte sich Rechtsanwältin Agnes Winter eine kurze Pause. Sie biss auf einem kleinen Spaziergang von ihrer Praxis durch die Moabiter Kirchstraße bis zur Ecke Alt-Moabit und zurück herzhaft in das Baguette-Brötchen. Es war ärgerlich, dass sie aus Zeitgründen ihre Pause mit einem Essen-To-Go verbinden musste.
Zurück in der Kanzlei suchte sie zunächst den Waschraum auf. Sie wusch sich die Hände und setzte an, den Lidstrich nachzuziehen. Mitten in der Bewegung hielt sie inne. Das, was sie im Spiegel sah, war erschreckend. Aus einem blassen Gesicht schauten trübe Augen auf sie zurück, unter denen sich dunkle Halbringe gebildet hatten. Aus ihren zarten Lachfältchen waren Falten geworden und ihre Mundwinkel hingen herab, als hätte sie gerade einen Fall verloren.
Sie stützte sich mit beiden Händen auf das Waschbecken, bewegte ihren Kopf ganz nah an den Spiegel und sagte laut: „So geht das nicht weiter! Der Job frisst mich auf. Und für was und für wen?“
Agnes Winter, knapp über fünfzig Jahre alt, war ledig und kinderlos. Der einzige Mann, mit dem sie je hätte zusammen leben wollen, war vor drei Jahren gestorben. Man hatte ihn ermordet. Mit Grausen dachte sie an die Geschehnisse um die LIGA zurück. Nie wieder würde sie einen Mann in ihr Leben lassen. Nie mehr würde sie einen anderen Mann lieben können.
Natürlich hatten ihre zahlreichen Freundinnen einige Zeit nach dem Verlust ihres Geliebten den Versuch unternommen, sie zu überzeugen, dass sie noch viel zu jung, knackig, attraktiv und lebensfroh sei, um als 'alte Jungfer' den Rest ihres Lebens zu fristen. Es war auch nicht so, dass es an Interessenten fehlte. Und das eine oder andere Mal hatte sie sich auch auf einen Kinobesuch oder ein Essen mit dem einen oder anderen Kollegen eingelassen.
Mit dem einen oder anderen?
Sie musste