Schatten der Anderwelt. Thomas Hoffmann

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Schatten der Anderwelt - Thomas Hoffmann

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hineinzuplatzen. Er konzentrierte sich auf den Ritualgesang. Unvermittelt wurde er zur Seite gerempelt. Er stolperte über den Deckenleuchter, verlor die Konzentration. Der untote Straßenräuber kam zurück. Mit entstelltem, blutigem Gesicht stand er vor der Truhe, schrie gurgelnd auf.

      „Bei allen Sternen! Du machst alles zunichte!“ stieß Norbert hervor, während er sich hastig aufrappelte.

      Neben ihm stand der Ratsherr. Das blonde Haar hing ihm wild ins Gesicht. Der Mantel war ihm halb von der Schulter gerutscht. Er stand vornübergebeugt und schwankend. Wie gelähmt starrte er die Erscheinung an.

      Der Untote krallte nach dem Hausherrn: „Hartmut!“

      „Hier bin ich,“ murmelte der Ratsherr.

      Noch ehe Norbert handeln konnte, stürzte der Untote sich heulend auf den Ratsherrn: „Gib mir mein Leben zurück!“

      Norbert holte mit dem Schwert aus, aber sein Schlag kam zu spät. Der Untote umklammerte den Ratsherrn. Ein gleißender blauer Lichtblitz. Ohrenbetäubendes Krachen. Blaue Flammen überall.

      „Rhe, voris chtha rhe!“ schrie Norbert den Abwehrzauber.

      Der Körper des Ratsherrn sackte plump zu Boden, blieb leblos liegen. Die Wandteppiche standen in Flammen, blaue Feuerzungen leckten über den Boden.

      „Voris rhe!“

      Das Feuer erlosch. Das Zimmer sank ins Nachtdunkel. Durch das zersprengte Fenster fiel fahles Mondlicht. Der Schimmer um die Truhe war verschwunden. Norberts Schwert strahlte nicht mehr. Der Spuk war vorbei. Für immer.

      Fassungslos stand Norbert vor der verbrannten Leiche des Ratsherrn. Ein gellender Schrei erscholl an der Tür. Die Hohenwarterin stand da und presste sich die Hände an den Kopf. Blanker Terror füllte ihre schreckgeweiteten Augen.

      „Nein, oh nein, das ist nicht wahr! Oh heilige Mutter! Nein!“

      Jammernd warf sie sich über den Leichnam, zerrte schluchzend und schreiend am Kragen seiner Jacke, als könnte sie ihn damit wieder zum Leben erwecken.

      „Hartmut! Mein geliebter Gemahl! Oh nein, bitte tu mir das nicht an!“

      Norbert wischte sich Blut von den Augenbrauen. Bei jeder Gesichtsregung jagten ihm die Glassplitter Schmerzen durch die Haut. Aus seinem linken Jackenärmel tropfte Blut. Dumpfe Schmerzen wühlten in seiner Schulter. In der Tür erschienen die Umrisse des Dieners und der Köchin. Der Verwalter, die Magd, das Mädchen, der Hausknecht drängten sich hinter ihnen in den Raum. Alle starrten stumm auf die Hohenwarterin und die Leiche des Hausherrn. Niemand beachtete Norbert.

      Zögernd ging Norbert um den eisernen Deckenleuchter herum zur Tür. Die Dienstleute machten ihm Platz. Niemand schaute ihn an. Langsam ging er den Gang hinunter, das Wehklagen der Hohenwarterin hinter sich lassend, vorbei an dem ausgestopften, grinsenden Bären durch die Flügeltür und hinab in die Halle. Er ging an dem Altarbild des Mädchens mit den verdrehten Augen und dem Hirschkitz im Schoß vorüber und über die Küche in den Hof. Die Gassenhunde, die im nachtdunklen Hof nach Fressbarem schnüffelten, nahmen vor ihm Reißaus. Erst auf dem im fahlen Mondlicht liegenden Platz merkte er, dass er das Schwert noch immer in der Faust hielt. Er steckte es in die Scheide und machte sich auf den Weg ins Armenviertel, schwankend vor Erschöpfung.

      3.

      „Halt still!“

      „Oh verdammt, du reißt mir die ganze Haut auf!“

      „Unsinn, ich muss dir die Glassplitter herausziehen. Lehne dich zurück in den Stuhl! Und halt still!“

      Norbert saß in dem mit Decken ausgelegten Lehnstuhl an der Feuerstelle des Schankraums im Gasthof zum schwarzen Raben und zuckte bei jedem einzelnen Splitter zusammen, den die Harfenspielerin ihm aus der Gesichtshaut zog. Ihr konzentriertes Gesicht war nahe seinem und er konnte den frischen Duft ihrer blonden Haare riechen. Sie trug die Haare offen und warf sie jedes Mal mit einer Handbewegung über die Schultern zurück, wenn ihr Haar auf Norberts dreckstarrende Wolljacke herunterfiel. Seine Lederjacke hing über einer Stuhllehne. Noch immer tropfte Blut aus dem zerrissenen Ärmel, wenn Norberts Schulterwunde auch durch einem Heilzauber der Bardin bereits verheilt war. Und wie am Abend zuvor hatte ein Schluck von dem magischen Elixier der Bardin Norbert von seiner abgrundtiefen Erschöpfung befreit.

      Jetzt fuhr sie mit den Fingern dicht über seine Gesichtshaut und zog Splitter für Splitter mit einer magischen Formel heraus.

      Norbert fuhr auf: „Aua, verdammt nochmal!“

      Nüchtern, ohne in ihrer Tätigkeit innezuhalten, meinte sie: „Du lässt dich alleine, auf eigene Faust, auf einen Kampf auf Leben und Tod mit einem Poltergeist ein und jetzt schreist du bei jedem Splitterchen, als würdest du massakriert! Warum hast du nicht gesagt, was du vorhast?“

      Norbert hatte Schweißperlen auf der Stirn.

      „Was hätte das schon geändert? Lonnie hat mir geholfen. Au, sei doch vorsichtig!“

      Am Tisch bei der Feuerstelle saßen Gordon und der weißhaarige Magier und beobachteten, wie Norbert verarztet wurde. Weiter hinten im Schankraum wischte Sarah Tische ab und stellte Stühle hoch. Norbert hatte geglaubt, zu dieser Nachtstunde würde niemand im Gasthof mehr auf sein, aber es schien, die drei und Sarah hatten auf ihn gewartet.

      Die Harfenspielerin zog den letzten Splitter aus Norberts Gesicht, bewegte ihn an ihrer Fingerspitze hängend über den Tisch und ließ ihn auf den Haufen Glassplitter fallen, der sich dort angesammelt hatte. Sie fuhr Norbert mit der Hand übers Gesicht, wie sie es zuvor schon mit seinen Händen gemacht hatte und murmelte eine Zauberformel. Norberts Gesichtshaut juckte. Er betastete sein Gesicht vorsichtig mit den Händen. Alles schien heil. Er hatte geglaubt, die blonde Magierin hätte ihm die gesamte Haut vom Gesicht geschält.

      Seufzend stand er auf und ging zu Gordon und dem Alten an den Tisch. Gordon schob ihm einen Humpen Bier hin. Norbert trank gierig. Er atmete tief durch, als er den Humpen absetzte. Aus irgendeinem Grund meinte er, sich rechtfertigen zu müssen.

      „Es hätte ja, verdammt nochmal, geklappt. Ich hatte den Untoten ja schon unter Kontrolle, mit Hilfe von Lonnie. Ich war dabei, ihn, wie sagt man das, auszutreiben, oder so, und es wäre auch gelungen, wenn dieser Hartmut Hohenwart sich nicht dazwischengedrängt hätte. Die waren alle völlig kirre in dem Haus, völlig durchgeknallt.“

      Der Alte lehnte sich vor.

      „Es ist dir doch gelungen, Junge! Dass dieser Ratsherr seine Schuld nicht mehr ertragen hat, da hast du nichts mit zu tun. Eigentlich hätten sie dich bezahlen müssen.“

      Norbert zuckte verbittert die Achseln.

      „Was nützt das jetzt schon? Es kommt so oder so aufs Gleiche hinaus. Irgendwie scheint alles umsonst zu sein, was ich mache!“

      Der alte Zauberer schüttelte den Kopf.

      „Nein, Junge, du hast eben Pech gehabt. Nächstes Mal kann es wieder anders sein. Wir alle haben irgendwann schon mal 'ne Pechsträhne gehabt. Ich bin jetzt achtundsechzig Jahre alt. Was glaubst du, wie viel mir in meinem Leben schief gegangen ist, wie vieles einfach völlig daneben ging? Und lohnt es sich da nicht erst recht, zu leben? Immer wieder was Neues anzufangen? So ist das Leben! Sogar unser Wirt hier hat ein Auge verloren, um...“

      „Davon

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