Schatten der Anderwelt. Thomas Hoffmann

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Schatten der Anderwelt - Thomas Hoffmann

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hattest du das Leder her? Und das Werkzeug? Bei dem festen Rindsleder war das keine Kleinigkeit! Leder nähen ist echte Viecherei. Bei so steifem Leder erst recht!“

      „Ich hab nicht lange gebraucht,“ meinte sie nur.

      Norbert streifte die Jacke über. Zweifelnd sah er die hochgewachsene, schlanke Magierin an. Diese Frau wurde ihm immer unheimlicher. Mit unverstellter, sanfter Miene schaute sie zurück.

      Während er zur Flurtür ging, murmelte er: „Wenn ich auch mal was für dich tun kann, sag Bescheid.“

      „Alles in Ordnung. Mach dir keine Gedanken,“ war ihre Antwort.

      ***

      Als er in den Schankraum zurückkam, standen Aila und Gordon an der Eingangstür im Gespräch zusammen.

      „Es ist meine Aufgabe,“ sagte sie zu Gordon. „Aus diesem Grund sind wir hier, du und ich.“

      Sie brachen ihr Gespräch ab und blickten Norbert entgegen. Überrascht stellte Norbert fest, dass Aila einen aufgespannten, großen Jagdbogen und einen Köcher mit Pfeilen über der Schulter trug. Er trat zu den beiden.

      „Wenn du willst, können wir rauf gehen zur Burg,“ meinte er zu Aila.

      Es hörte sich gröber an, als er gewollt hatte. Aila nickte nur. Gordon und sie wechselten noch einen Blick und Norbert und Aila traten zur Tür hinaus.

      Auf der Mauergasse standen Frauen und Männer in schäbigen, geflickten Kleidern und Kitteln zusammen. Die Anwohner aus den Baracken um den Steinbau des Gasthofs zum schwarzen Raben steckten die Köpfe zusammen und schimpften erregt über irgendwelche Neuigkeiten. In Lumpen gekleidete Kinder balgten miteinander oder zerrten weinend an den Röcken ihrer Mütter.

      Aila und Norbert bahnten sich ihren Weg durch die aufgebrachten Gruppen von Anwohnern des Armenviertels. Es war kühl. Die Luft war feucht von winzigen Tröpfchen, die ab und zu aus der grauen Wolkendecke nieselten. Aila ging weit ausschreitend mit federnden Schritten. Sie bewegte sich geschmeidig und aufrecht. Fast schien es, als würden ihre schlanken Stiefel den Boden kaum berühren. Norbert warf einen Blick auf ihren Bogen und Köcher.

      „Du bist Jägerin!“

      „Ja,“ sagte sie einfach und schaute ihn mit hellen, ernsten Augen an. „Du bist auch ein Jäger, Norbert. Das habe ich sofort gesehen.“

      „Wie kann man mir das ansehen?“ wunderte sich Norbert.

      „Andere sehen es dir wohl nicht an,“ meinte sie nüchtern. „Aber ich habe es gleich erkannt.“

      Warum war diese Frau so seltsam? Sie verwendete keine Fremdwörter einer Gelehrtensprache, wie Anton Dreyfuß es getan hatte, und dennoch verstand Norbert oft nicht, was sie sagte.

      Er blickte ihr direkt ins Gesicht: „Du siehst mehr als andere, nicht wahr?“

      „Ja,“ war ihre Antwort. „Ich möchte nicht, dass du darüber sprichst. Zu mir nicht und nicht zu anderen.“

      Norbert war keinen Deut schlauer.

      „Du bist eine Elbin, nicht wahr?“ startete er einen neuen Versuch.

      „Ich bin eine Tochter Landorlins.“

      Norbert nahm es als Bestätigung.

      Auf dem freien Platz um einen Brunnen drängte sich in Lumpen gekleidetes Stadtvolk um einen Fähnrich, der von zwei Kriegsknechten flankiert wurde. Die Knechte umklammerten ihre aufgepflanzten Piken nervös mit den Fäusten. Die stoppelbärtigen Männer in speckigen Lederrüstungen blickten grimmig in die Menge.

      „Blutsauger, Hundsfötte,“ schrien einzelne Frauenstimmen in der Menge. „Geht in die Oberstadt! Die reichen Wänste haben Platz und Fressen genug in ihren Häusern!“

      „Im Namen des Markgrafen Lothar!“ brüllte der Fähnrich mit Donnerstimme. „Ich lasse jeden in den Block schließen, der den Erlass nicht ausführt. Und wenn ich ganze Gassen lang reihenweise Blöcke aufstellen muss! Jeder von euch nimmt in seinem Haus eine Familie der Ausgebrannten auf! Jeder einzelne Haushalt! Ihr öffnet eure Türen den Notleidenden oder ich lasse euch zu Krüppeln peitschen!“

      „Ich habe nicht genug Platz für meine acht Kinder in dem einen Raum, geschweige denn genug zu essen. Wo soll da noch eine Sippe hungriger Mäuler hin?“ schrie eine hagere Frau, der das graue Haar in Strähnen ins Gesicht hing.

      „Soll der Markgraf sie auf die Burg nehmen,“ kreischte eine andere. „Soll er sie in seiner Halle durchfüttern!“

      Aila und Norbert drängten sich am Rand des Platzes durch die Menge.

      „Jetzt fluchen sie sich die Stimmen heiser,“ meinte Aila, „aber noch heute werden sie tun, was der Markgraf ihnen befiehlt. Sie sehen nicht, dass die Markgrafenknechte und ihre Hauptleute Angst vor ihnen haben. Würden ihnen einmal die Augen dafür geöffnet, es wäre vorbei mit der Herrschaft der Adligen und Reichen.“

      Den Marktplatz füllte lautes, aufgeregtes Stimmengewirr. Kriegsknechte brüllten Befehle, scheuchten auf dem Platz Kampierende auf.

      „Auf, weg mit euch vom Platz! Erlass des Markgrafen! Der Markt muss wieder geöffnet werden!“

      Überall rafften Familien die wenige aus den Flammen gerettete Habe, gespendete Decken und Planen zusammen. Ausgebrannte Unterstadtbewohner irrten mit zusammengeschnürten Bündeln ziellos über den Platz, blickten sich um wie Verfolgte, die nicht wussten, wohin sie fliehen sollten. Kinder schrien. Viele zogen mit Decken und Planen die Torgasse hinab zum Stadttor. Andere schlichen durchs Tor der Klostermauer in den Klosterhof. Hier und da kamen ein hohlwangiger, abgearbeiteter Graubart im schäbigen Kittel oder eine verbittert dreinblickende Mutter mit unordentlichem Haar, einen Säugling im Arm und ein heulendes Kleinkind am Rockzipfel, auf den Markt und sprachen Vorbeigehende an, um den demütig und schuldbewusst dreinblickenden Ausgebrannten voranzugehen ins Gassengewirr des Armenviertels.

      Norbert und Aila bogen in die breite, gewundene Gasse ein, die durch die Oberstadt zum Aufgang auf den Burgfelsen führte. Das Geschrei auf dem Marktplatz blieb hinter ihnen zurück. Knechte mit Handkarren und sauber gekleidete Mägde blickten den beiden misstrauisch und neugierig nach.

      Norbert betrachtete die zwei- und dreistöckigen Steinhäuser und überlegte kopfschüttelnd: „Warum nehmen sie hier in der Oberstadt keine Notleidenden auf? Die Leute im Armenviertel haben doch recht!“

      Aila verzog keine Miene, als sie nüchtern bemerkte: „Weil man nicht reich wird, indem man mit anderen teilt, sondern indem man anderen möglichst viel wegnimmt und für sich selber behält.“

      Sie blickte Norbert ernst von der Seite her an.

      „Reichtum ist ein Fluch. Er führt zu Vereinsamung, schafft Feinde, macht Angst, überflüssigen Besitz zu verlieren und bewirkt Gier nach immer mehr Reichtum.“

      So etwas hätte ich Melanie erklären müssen! schoss es Norbert durch den Kopf.

      Er betrachtete die leicht und federnd neben ihm einherschreitende Aila. In der regenfeuchten Brise auf der Gasse wehte ihr das offene, blonde Haar um den Kopf.

      „Bindest

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