Vorm Mast. Wolfgang Bendick
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Das Steuerrad, ein zu 1/3 offener Ring, gleich dem eines Flugzeuges, steht mittschiffs, aber etwas zurückgesetzt. Es ist an einen grauen Kasten montiert, auf dem unter einer runden Scheibe die Gradanzeige des Kreiselkompasses (zeigt immer genau Nord an) sichtbar ist. In dieser Scheibe ist eine Gravierung, die die Mittschiffslinie, die Schiffsachse darstellt. Zwischen dem Kreiselkompass und dem Steuerrad befindet sich der Ruderlageanzeiger. Einen Meter rechts davon steht ein anderer grauer Kasten mit einem kreisförmigen, leicht gewölbten Bildschirm obenauf, das Radargerät. In ihm dreht sich, vom Mittelpunkt ausgehend, eine hellgrüne Linie, die in der Nähe befindliche Schiffe durch helle Punkte anzeigt. Links vom Steuer, an der hinteren Wand, ein kleinerer Kasten, das Echolot. Es zeigt die Wassertiefe unter dem Kiel an. Natürlich sind all diese Geräte im Hafen außer Betrieb. Ich stelle mich auf das Holzrost hinter das Steuerrad. „Kannst ruhig dran drehen, im Hafen ist alles abgeschaltet! Schau doch mal oben in den Kasten rein, vor deinem Kopf!“ Ich schaue nach oben in den dunklen Kasten. Schwach erkannte ich die Windrose (Zifferblatt) eines Kompasses, 360 Grad, eigenartigerweise die Zahlen in Spiegelschrift. „Erkläre ich dir nachher...“.
Am Ruder
Unter dem Echolotanzeiger befindet sich ein erhöhter Holzstuhl mit Rückenlehne und Armstützen. „Schade, dass der nicht hinterm Steuerrad steht“, bemerke ich. „Das ist der Lotsenstuhl. Am Steuer darf man nicht sitzen, sonst ist die Gefahr zu groß, dass man einschläft.“
Durch eine Schiebetür gelangen wir in die Backbord-Brückennock (unbedachte Fläche, die hauptsächlich für den Ausguck dient). Ein Kompass befindet sich am äußeren Rand, versehen mit einem darauf drehbar angebrachten Peilinstrument, der Peilkompass. Daneben, in seiner Halterung, ein rot-weiß gestrichener Rettungsring mit dem Schiffsnamen und Heimathafen darauf gemalt. An der Vorderseite ist die Verschanzung (geschlossenes Geländer) etwas erhöht, abgerundet und mit einem doppelten Blech versehen. Dieses bewirkt, dass der Fahrtwind sich dazwischen beschleunigt und beim Austreten dahinter einen Windschatten schafft. Somit kann der Posten Ausguck vorausschauen, ohne dass ihn der Wind wegbläst. Ich lehne mich außenbords über die Verschanzung. Dort ist die rote Backbordleuchte angebracht. Auf der Rückseite der Nock führt ein Niedergang (Treppe) zum Bootsdeck und eine Tür zur Unterkunft des Funkers. Zwischen der Funkbudentür und der Schiebetür zur Brücke befindet sich eine Leiter. Wir klettern dort hinauf, hieven uns auf das Peildeck. Hier oben befindet sich die Peilantenne, der Mast der drehbaren Radarantenne und ein großer hölzerner zylindrischer Kasten mit den zwei rot und grün gestrichenen D-Kugeln seitlich angebracht und dem Flinderstab an Vorderseite (diese dienen zum Eichen des Kompasses). Die grün verwitterte Messingabdeckung schreit förmlich nach einer Sidolbehandlung durch den neuen Decksjungen! Das ist die Behausung des Magnetkompasses. Er ruht hier für den Fall, dass mal der Strom ausfällt oder der Kreiselkompass Pause machen will. Seine Windrose, sein Zifferblatt war es, das ich hinterm Steuer oben in dem Kasten gespiegelt gesehen hatte. Dadurch die Spiegelschrift. Hier oben befindet sich ein Minimum an Eisen, um den Kompass nicht zu beeinflussen. Dieser hier zeigt den magnetischen Nordpol an, der vom geographischen bisweilen weit abweicht. Auch hier oben liegen ein paar selbstaufschwimmende Rettungsflöße in ihren Lagern.
Maschinenraum-Oberlichter
Wir steigen an der Steuerbordleiter hinunter in die Brückennock und von dort aufs Bootsdeck. Wir stehen vor den Frühbeet-Kästen des Maschinenraumes. Warme, ölgeschwängerte Luft strömt heraus. Daneben sehen wir die Tür zum Schornstein. Wir schlüpfen hinein. Und anstatt schwarzen Rußes finden wir weiße Wäsche, die hier in der warmen Maschinenluft trocknet. Der Boden besteht aus Stabgitterrosten. Oben ist der Schornstein geschlossen, nur die verschieden dicken Auspuffrohre führen hinauf und hinaus. Der ganze Schornstein ist eine Attrappe!
Wieder im Freien schauten wir uns das Rettungsboot an. Es gibt eins auf jeder Seite. Schwere, hölzerne Kutter in Klinkerbauweise. Eine Greifleine führt außen herum. Name des Schiffes und zulässige Personenzahl sind auf Tafeln am Rumpf verschraubt. Das Steuerbordboot hat einen Einzylinder-Dieselmotor, das Backbordboot nur Ruder und Segel. Jedes einzelne Boot muss die gesamte Besatzung und Passagiere aufnehmen können. Auf Passagierschiffen müssen die Boote beider Seiten alle Leute aufnehmen können. Ein wenig hinter dem Boot ist außerdem noch eine selbstaufblasbare Rettungsinsel gelagert. Insgesamt haben wir vier davon an Bord. Außerdem kann ich ja seit vier Jahren schwimmen! Noch ein Deck tiefer, das Promenadendeck. Dieses war früher für die Passagiere reserviert. Jetzt spaziert hier die Schiffsleitung. Wir haben unser Achterdeck! Noch eine Treppe tiefer, und wir sind wieder auf dem Hauptdeck, neben der Kombüse, angelangt. „Ich glaube, heute wird von Land aus nur bis 18 Uhr gearbeitet. Trinken wir erst mal einen Tee, dann kannst du mir helfen, die Luken zuzumachen!“ Gesagt – getan.
„Du brauchst dich nicht groß umzuziehen, nimm aber deine Festmacherhandschuhe (solide Lederhandschuhe) mit, wenn du welche hast. Natürlich hatte ich welche. Rochen noch nach Leder. Vom Seemannsausrüster Carl Feddersen, im Kajen. Von dort stammt auch meine Elbseglermütze. Alles bezahlt von der Reederei! Im grellen Licht der Decksbeleuchtung gingen wir über das leicht angefrorene Vorschiff. „Ich erklär's dir kurz: Die Lukendeckel vom Hauptdeck sind Deutsches-Werft-Patent. Echt beschissen. In den Zwischendecks haben wir Holzdeckel und Scherbäume. Noch beschissener! Viel Knochenarbeit! Aber heute Abend ist nur Oberdeck angesagt, und nur Luke 2.“ Wir kletterten auf das Deckshaus. „Du siehst ja da unten die Lukenöffnung. Vorn und achtern sind je zwei Stahldeckel hochgeklappt. Die haben seitlich Rollen, die auf dem Lukensüll (oberer Rand der Lukeneinfassung) rollen sollten. Wir müssen zusehen, dass sie nicht verkanten, sonst ist es viel Knochenarbeit, sie wieder in die Laufrinne zu bekommen. Normalerweise braucht man 2 Faulenzer, dünne Stahlseile, zum Hin- und Herziehen der Deckel. Es gibt da einen Trick. Ist zwar nicht ganz erlaubt, aber wenn es die Matrosen so machen, dürfen wir das allemal! Also schau her: Ich wickle mit dem Faulenzer 3 Törns (Schlaufen) um den Spillkopf (elektrisch angetriebene Trommel, dient zum Aufspulen), du steigst auf das Geländer und versuchst mit den Füßen den ersten Deckel abzudrücken, so dass er nach vorne fällt. Wenn er fällt, halte ich ihn mit dem Faulenzer zurück, zutsche (Seil lockern) dann langsam weg, bis er auf dem Süll liegt. Und dann können wir ihn von Hand zuschieben. Flieg ja nicht in die Luke. Los jetzt!“ Ich schaffe es, den Lukendeckel ins Schwanken zu bringen, dann zum Fallen. Das Lukeninnere liegt teilweise im Schatten. Darum sehe ich zum Glück nicht, wie tief es da runter geht. Schmidchen fiert den Deckel etwas ruckartig ab. Ich gebe ihm Lose (machte das grob aufgeschossene Seil frei). Schon ist er unten und rollt fast von allein an seinen Platz. Da das Schiff vorne höher ist, schließen wir die vorderen Deckel ohne Probleme. Für die hinteren müssen wir aber die Winde nehmen, um sie an die anderen heranzuziehen. Alles klappt vorzüglich, und bald sitzen wir bei kalter Platte und Bier als einzige in der Mannschaftsmesse und lassen es uns gutgehen. Heute fühle ich mich das erste Mal wie ein Seemann.
Am nächsten Morgen - ich hatte wunderbar geschlafen, trotz der engen Koje - ließen wir es easy angehen. Mein Zimmerkollege führte mich zur Kombüse. Der Bäcker ist dabei, für die wenigen an Bord Gebliebenen ein Frühstück zu bereiten. Wir begrüßen uns. Er bereitet mir ein Sonderfrühstück, Spiegeleier mit Speck. Der Koch ist für ein paar Tage auf Urlaub. Nachher, als endlich die Sonne den Nebel vertreibt, machen wir uns daran, die dicke Festmacherleine aufzuklaren.