Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski. Ricarda Huch

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Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski - Ricarda Huch gelbe Buchreihe

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ließ; denn den offenen Bruch wollten beide womöglich vermeiden.

       Wie aber beider Absichten und Auffassungen nun einmal waren, ließ sich derselbe auf die Dauer nicht vermeiden. Der Herzog wollte die weltliche Gewalt im Fürstentum Brixen an sich bringen, der Bischof wollte nicht nur darauf nicht eingehen, sondern war sogar der Meinung, der Herzog, der sich als sein Oberherr gebärdete, sei eigentlich sein Vasall, den seine, Cusas, Vorgänger zum Vogt, das heißt zum Beschirmer des Bistums angenommen hätten. Kaum hatte er die Regierung angetreten, so begann er in den Archiven nach Urkunden zu stöbern, die sein Recht erweisen sollten. Es glückte ihm, wie er behauptete, den urkundlichen Nachweis liefern zu können, dass den Bischöfen von Brixen alle königlichen Rechte, die sogenannten Regalien, von verschiedenen Kaisern verliehen seien, wozu das Recht auf alle Erze und Salze gehörte, die in ihrem Gebiet entdeckt wären oder noch entdeckt werden würden. Von Kaiser Friedrich III. ließ er sich ein Privileg Friedrichs II. bestätigen, das ihm den Besitz aller Silbergruben, Metall- und Salzgänge im Bistum Brixen verbürgte. Da er außerdem Matrei und Steinach, die von einem seiner Vorgänger verpfändet waren, wieder einlösen wollte und Anspruch auf allerlei Rechte und mehrere Schlösser erhob, die dem Bistum früher einmal entzogen worden waren, so würde, wenn es nach ihm gegangen wäre, der Herzog fast ganz Tirol mitsamt seinen Bergschätzen verloren haben. Der Herzog konnte darauf entgegnen, dass die Ausbeutung der Bergwerke immer von den Landesherren von Tirol sei ausgeübt worden, dass Cusas Vorgänger nie etwas dagegen eingewendet, ihn überhaupt als Landesfürsten anerkannt hätten, dass die Bischöfe von Brixen und Trient beide tirolische Landstände wären und damit eine bestimmte Stellung im Land unter dem Landesfürsten einnähmen, seinem Gebiet in bestimmter Weise eingeordnet wären.

      Die alten Urkunden, die der Bischof aus dem Staub ausgegraben hatte, waren längst von verwandelten, gegenwärtigen Verhältnissen überwachsen und entwertet und mussten im Anhauch des Tageslichtes zu Asche zerfallen.

       Aber kam es denn überhaupt auf Urkunden an? Sie bildeten doch nur, und das wussten wohl beide, die Unterlage für einen Kampf zweier Mächte. Die Räte des Herzogs begründeten seine Stellung folgendermaßen: Das Vogteirecht habe den Herren von Tirol die Oberherrlichkeit über alle zu der Vogtei gehörigen Schlösser, Länder und Güter gegeben, damit Land und Leute, geistliche wie weltliche, im einmütigen Gehorsam des Landesfürsten blieben und für einen Mann stehen möchten. Kraft der Vogtei habe der Landesfürst alle Personen und Untertanen, seien es Prälaten, Grafen, Ritter und Knechte, in seinem Schutz gehabt, wie sie hinwiederum alle im Genuss der Freiheiten des Landes wären. Die Einwohner des Landes, Prälaten, Grafen, Ritter, Knechte, Bürger und Bauern, würden nicht so friedlich nebeneinandersitzen, die Straßen würden nicht so friedlich gehalten werden, wenn ein Prälat oder sonst jemand, der Regalien und Herrschaftsrechte hätte, neben dem obersten Landesfürsten herrschen wollte. Einem jeden Fürsten stehe es zu, im Kreise seiner landesfürstlichen Herrschaft die Obrigkeit also zu handhaben, dass der Gehorsam ungespalten und das Fürstentum unzertrennt bleibe. Es waren die Gründe, die damals und später alle Fürsten anführten, um die in ihrem Gebiet liegenden selbständigen Herrschaften sich einzuverleiben und unterzuordnen; es waren aber auch die Gründe, die mit innerer Notwendigkeit zur Bildung größerer, geschlossener Territorien hindrängten.

      Nikolaus von Cusa, dessen großer Geist dem Geist der Menschen auf neuen Bahnen voranging, unternahm es, den Zerfall des alten Reichs aufzuhalten, in dem Staat und Kirche ineinander verflochten waren, ihm Kraft und Glanz wiederzugeben. An zwei Punkten setzte er seine Kraft ein: Reformierung der herabgekommenen Geistlichkeit, damit der Klerus wieder zu Ansehen und Glaube im Volk komme, und Zurückwerfen der weltlichen Regierungen und ihrer Begier nach den weltlichen Besitzungen und Rechten der geistlichen Fürsten. Sicherlich wusste er, dass die weltlichen Regierungen, fürstliche und städtische, bereits tief in die geistliche Festung eingedrungen waren; vielleicht gerade darum stand er mit einer so düsteren Entschlossenheit, einer so tragischen Starrheit auf seinem verlorenen Posten.

      Noch rückte er mit seinen angesammelten Urkunden nicht vor, aber er lehnte das listige Ansinnen des Herzogs ab, sein Kanzler zu werden, das dieser mit viel Erfolg bei den Bischöfen von Trient in Anwendung gebracht hatte, und trug sich mit dem Plan abzudanken und das Bistum einem bayrischen Prinzen zuzuwenden, in der Meinung, dass ein mächtiger Prinz aus dem Hause, das dem österreichischen von jeher feind war, dem Herzog wirksameren Widerstand entgegensetzen könne als er. Wie die Gegner sich so, zum Schlage ausholend, gegenüberstanden, kam es soweit, dass der Bischof den Herzog beschuldigte, ihm nach dem Leben getrachtet zu haben, und sich wie ein Verfolgter auf die Felsenburg Andraz zurückzog. Da ein mörderischer Angriff auf einen Bischof als todeswürdiges Verbrechen galt, war die Anklage bedenklich, und der Herzog wies sie entrüstet zurück. War sie ganz aus der Luft gegriffen? War sie die Folge einer durch die gegenseitigen Ränke erzeugten Nervosität oder ein Mittel im Kampfe?

       Aufs äußerste gespannt war die Lage, als zwei für sie bedeutungsvolle Ereignisse eintraten, einmal dass im Jahre 1458 Enea Silvio Piccolomini zum Papst gewählt wurde, der als Freund und Bewunderer des Cusaners besonders nachdrücklich mit ihm zusammenwirken würde. Weicher und geschmeidiger als der unbeugsame Freund, gab er diesem bisweilen auch wider die eigene Ansicht nach, wie es ihm denn lieber gewesen wäre, wenn der Zwist zwischen dem Bischof und dem Herzog von Tirol sich gütlich hätte beilegen lassen. Er hatte nämlich als Papst seinen ganzen Ehrgeiz darauf gestellt, die Fürsten des Abendlandes zu einem Kreuzzug gegen die Türken zu vereinen, an dessen Spitze er selbst sich stellen wollte, obwohl er nicht mehr jung und gar nicht gesund war. Zu diesem Zweck berief er eine Fürstenversammlung nach Mantua, auf welcher Herzog Siegmund persönlich erschien, außerdem aber in Bezug auf seinen anhängigen Streitfall durch Gregor von Heimburg vertreten war. Dies war das zweite Ereignis des Jahres 1458, dass Siegmund die Bekanntschaft des furchtlosen Syndikus von Nürnberg machte und in ihm den Mann entdeckte, der juristische Kenntnisse, Klugheit, Redegabe und Hass der päpstlichen Allgewalt für ihn einsetzen konnte. Wie mochte Pius II., so nannte sich der neue Papst, zumute sein, als er den einstigen Freund und Mitstreiter gegen sich in die Schranken treten sah! Der Verlauf des Konvents brachte ihm die trübe Einsicht, dass die Zeit vorüber war, wo päpstlicher Einfluss die Fürsten für ein Unternehmen gewinnen konnte, das ihnen keinen persönlichen Vorteil versprach. Gregor von Heimburg bekämpfte den Türkenkrieg, gerade weil es der Papst war, der ihn führen wollte.

       Man müsste sich wundern, dass Gregor von Heimburg, der als Syndikus von Nürnberg die Gewalttätigkeit eines Fürsten so ernstlich bekämpft hatte, sich nun für das Machtstreben eines Fürsten einsetzte, wenn man nicht bedächte, dass er hier gegen den Absolutismus des weltbeherrschenden Papstes vorgehen konnte, den zu erschüttern das Ziel seines Lebens war. Unverkennbar wurde das Auftreten des Herzogs schroffer, seit er Heimburg in seinen Dienst genommen hatte. Nachdem Cusa den Herzog durch Drohungen gereizt hatte, wie dass er ihm die Brixener Lehen entziehen und sie dem Kaiser übertragen werde, schickte der Herzog ihm, um der Sache ein Ende zu machen, einen Absagebrief, überfiel ihn in Bruneck und zwang ihm einen für sich günstigen Vertrag ab. Cusa verließ sein Bistum und bewog den Papst, Herzog Siegmund, den er im Interesse seines Kreuzzuges viel lieber freundlich behandelt hätte, zu exkommunizieren. Heimburg verfasste dagegen eine Appellation an einen künftigen Papst und ein künftiges Konzil, ja an die gesamte Herde unseres Herrn Jesu Christi, wie er sich ausdrückte, und an jeden, der sich unser erbarmen und das Recht eines niedriger Gestellten auch gegen zürnende höher Gestellte verteidigen will, endlich an alle Freunde der Gerechtigkeit und Unschuld. Es war eine unerhörte Herausforderung, denn eben erst hatte Pius II. die Bulle Execrobilis erlassen, in der er alle für den Bann verfallen erklärte, die an ein künftiges Konzil appellieren würden, womit er also die auf den Konzilien zu Konstanz und Basel aufgestellten Grundsätze verdammte. Heimburg appellierte an ein künftiges Konzil, aber nicht nur das, sondern auch von der sichtbaren Kirche an eine unsichtbare. Am Grünen Donnerstag des folgenden Jahres schaltete Pius die Exkommunikation des Herzogs und Heimburgs zwischen den altherkömmlichen Fluch über die Häretiker und den über die Seeräuber und Sarazenen ein.

       Nachdem diese endgültige Verfluchung unter pompösen Zermalmungsandrohungen verhängt war, blieb alles wie zuvor. Der Herzog blieb Herzog, und Heimburg blieb sein Rat, das

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