Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski. Ricarda Huch
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Es hat etwas Ergreifendes, den leidenschaftlichen Denker sich um die Innigkeit des Gläubigen mühen zu sehn. „Gepriesen seist du, mein Herr und Gott, dass du mich mit der Milch des Gleichnisses nährst und speisest“. „Du wolltest, o Gott, die kindliche Liebe zu dir auf jene menschliche Anschauung von dir gründen“. In solchen Anrufungen Gottes spürt man immer noch mehr den Denker als den kindlich Gläubigen, der er sein wollte; denn im schlichten Glauben, sagt er, sei eine größere Fruchtbarkeit als in dem durch reichliche Verstandesgründe vermittelten. Eine ungeheure Denkkraft und eine ungeheure Willenskraft in einem Menschen zusammenwirkend erstreben als höchstes Ziel kindlichen Glauben. Cusa sah zu klar, um nicht zu wissen, dass sein Glaubenwollen und Bekennen nicht der Glaube war, den zu haben er für richtig hielt; das war die geheime Tragik, die seine Seele verdüsterte. Er selbst hatte sich erlaubt zu denken und erlaubte es sich auch ferner, weil er denken musste, wie er atmete; aber er hatte sich davon überzeugt, dass die höchste Weisheit und die einzige Rettung vor Willkür, Auflösung und Untergang bei der Kirche sei, und zwar bei der monarchisch regierten Kirche.
Man muss annehmen, dass die inneren Erlebnisse Cusas, das an Abgründen sich hinwälzende Ringen seiner Gedanken, das sein Leben erfüllte, während des Konzils begann, dessen Verlauf den stolzen Erwartungen seiner Begründer nicht entsprach. Trotz der vorzüglichen Eigenschaften des das Konzil leitenden Kardinals Cesarini brachten es die versammelten Väter nicht zu einmütigen, starken Beschlüssen, wovon die Folge war, dass bei manchen der Konzilsgedanke ins Wanken kam, und dagegen die Ansicht sich festsetzte, dass die Herrschaft eines einzigen fruchtbarer für die Kirche sei als die Herrschaft vieler unverträglicher Prälaten. Nikolaus von Cusa war der erste von den Freunden, der zur Partei des Papstes überging. Der Glaube, die Grundlage des menschlichen Lebens, so schien es ihm nun, dürfte nicht der schwankenden Meinung einer vielköpfigen Versammlung preisgegeben werden. Gewissheit des Glaubens sei wichtigstes Erfordernis, und die gewähre die Überlieferung der Kirche durch die Autorität eines einzigen gehütet. Nur ein einzelner könne ganz eins sein mit dem System, das er vertrete. Die Freiheit, die er sich gewährt hatte, führte ihn zur unbedingten Unterwerfung unter das monarchische Papsttum. Immerhin vergaß Cusa nicht, wie verderbt die Kirche war; gerade weil sie den Menschen gleich Gott sein sollte, musste sie gereinigt, zu früherer Vorbildlichkeit zurückgeführt werden. Die notwendige Reform durchzuführen betrachtete er nun als seine Aufgabe, die er durch Predigt und durch Beispiel mit außerordentlicher Selbstverleugnung zu erfüllen suchte. Er war hart gegen sich, um es mit Recht gegen andere sein zu dürfen. Niemals äußerte sich bei ihm jene Frömmigkeit, die sich von einer liebenden Allmacht getragen fühlt; seine Überzeugung war unerschütterlich, aber ohne Freudigkeit, zuweilen war in seinem Auftreten etwas Verbissenes. Viel Erfolg hatten seine Bemühungen um Reform des Klerus nicht. Aus den Kreisen der Geistlichkeit selbst wagte es einer, ihm eine schriftliche Drohung vor die Tür zu legen; er dürfe ihnen nicht Laster und Ausschreitungen zum Vorwurf machen, die von den Häuptern straflos begangen würden.
Länger als Cusa blieb Piccolomini der Sache des Konzils treu, ja, als sechs Kurfürsten die deutsche Kirche für neutral im Kampf zwischen Papst und Konzil erklärten, trat er dagegen auf, während Gregor von Heimburg den Beschluss billigte.
Der gerade von den Deutschen so leidenschaftlich erstrebten gründlichen, umfassenden Reformation der Kirche wurde die Spitze abgebrochen durch Konkordate mit den einzelnen Nationen und Fürsten, namentlich durch die im Jahre 1438 zwischen Frankreich und dem Heiligen Stuhl abgeschlossene sogenannte pragmatische Sanktion, welche seitdem als die Bürgschaft französischer Kirchenfreiheit galt. Obwohl Frankreich nun das Konzil verwarf, ging der Kampf noch mehrere Jahre weiter, und eine Reihe deutscher Fürsten, an der Spitze die geistlichen Kurfürsten, hielten an der Forderung eines unabhängigen Konzils fest.
Friedrich III. (* 1415, † 1493) entstammte der Familie der Habsburger. Durch die Neuberger Teilung von 1379 zwischen Albrecht III. und Leopold III. wurden die gesamten habsburgischen Länder getrennt. Friedrich gehörte der Hauptlinie der habsburgischen Leopoldiner in den innerösterreichischen Herzogtümern an.
Ein neuer Umschwung in den Beziehungen der Freunde fand statt, als Enea Silvio, der als Sekretär des Konzil-Papstes Felix nach Frankfurt kam, diesen Gegenpapst des römischen verließ, um in den Dienst Kaiser Friedrichs III. zu treten, von seinem neuen Herrn nach Rom geschickt für Papst Eugen gewonnen wurde und von nun an ebenso wie Nikolaus von Cusa, wenn auch aus ganz anderer Gesinnung, mit allen Kräften den Kaiser dahin zu beeinflussen suchte, dass er sich wieder in den Gehorsam des Papstes begebe. Der gebildete Humanist konnte, ohne sich Gewalt anzutun, sich in jede Richtung fügen, die für ihn selbst günstig war und im Allgemeinen aussichtsvoll schien. Einzig Gregor von Heimburg änderte seine antipäpstliche, reformatorische Gesinnung nicht, und da er eingesehen hatte, dass auf dem Weg der Neutralität nichts zu erreichen war, benutzte er den Augenblick, da mehrere angesehene deutsche Fürsten mit ungewöhnlicher Energie die Ansprüche des Reiches gegen den Papst zu erheben sich anschickten. Er veröffentlichte, allerdings nicht unter seinem Namen, die Admonitio de injustis usurpationibus paparum Romanorum, eine leidenschaftliche Anklage, in der Sätze von reformatorisch-ketzerischer Wucht überraschend aufblitzen; nicht nur, dass er den Primat des Papstes verwirft, er verwirft Zwang in Glaubenssachen als dem göttlichen Gesetz zuwider, er nimmt und verlangt Beweise aus der Heiligen Schrift.
Da, als der Streit dahin führte, dass der Papst die Erzbischöfe von Trier und Köln absetzte, die Fürsten die Absetzung nicht anerkannten, vielmehr die Berufung eines neuen Konzils forderten, gelang es der päpstlichen Partei, die Einmütigkeit ihrer Gegner durch ein Mittel zu sprengen, das in Deutschland selten versagte, durch Bestechung mit Geld. Zweitausend