Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski. Ricarda Huch

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Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski - Ricarda Huch gelbe Buchreihe

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Gerichten vergeblich Recht gesucht hatte. Als nun die Ritterschaft infolge der veränderten Kriegsweise überflüssig und zum Teil infolge wirtschaftlicher Veränderungen arm geworden war und auf ihren Burgen wie in Wolfshöhlen ein verwildertes Dasein führte, benutzte sie wohl das Fehderecht, nicht um sich Recht zu verschaffen, sondern um unter dem Vorwand der Fehde Angehörige des bekämpften Gebietes zu überfallen und zu berauben und sich von der geängstigten Herrschaft den Frieden abkaufen zu lassen.

      Da zu diesen Fehden noch die Kriege kamen, die der Kaiser führen musste, um sich Gehorsam zu erzwingen, und die die Fürsten untereinander führten, um ihre Besitzungen auszudehnen, gab es jederzeit irgendwo im Reich Krieg, wurde bei der Art der damaligen Kriegführung irgendwo deutsches Land verwüstet. Denn die Kriege bestanden hauptsächlich darin, dass die dem Gegner gehörenden Dörfer geplündert und verbrannt, seine Untertanen vertrieben, getötet, verstümmelt wurden. Die schrecklichsten Folgen des Krieges hatten demnach die Bauern zu tragen, die er gar nichts anging. Überhaupt war die Lage des Bauernstandes ein besonders hässlicher Makel im Bild des Reiches.

       Längst mit wenigen Ausnahmen vom Kaiser durch die Mittelmächte getrennt, hatten die Bauern keine Möglichkeit, bei einem höheren Gericht gegen Bedrückung Schutz zu suchen. Steuern zahlen zu müssen wurde von den Deutschen als Zeichen der Knechtschaft betrachtet, von Adel und Geistlichkeit mit Entrüstung abgelehnt, einzig in den Städten bestand ein ausgebildetes Steuerwesen. Der geistliche und der weltliche Adel nährten sich hauptsächlich von den Leistungen und Abgaben der Bauern, die allerdings während des Mittelalters nicht allzu hoch waren, aber gesteigert wurden, als die Lebenshaltung anspruchsvoller wurde. Aber nicht nur, dass das schwächste Glied des Reiches die Pyramide tragen musste, es wurde ihnen nicht Dank, sondern Verachtung zuteil, wie denn immer der Stärkere den Schwächeren erst auszunützen und herabzudrücken und, wenn die Knechtung gelungen ist, als geborenen Sklaven zu verhöhnen pflegt. Nur um Anforderungen des Kaisers abwehren zu können, gedachten die Fürsten und Herren wohl des armen Mannes, wie der Bauer genannt wurde, der ohnehin unter Lasten fast zusammenbräche und nicht noch mehr beladen werden könne.

      Ein bedrohliches Zeichen war es, dass der Umfang des Reiches nicht nur nicht mehr wuchs, sondern dass auf allen Seiten von ihm abbröckelte. Italien löste sich fast ganz ab, es blieb nichts übrig als einige leere Ansprüche, die hie und da ein Kaiser geltend machte, der Osten war durch Hussiten und Türken bedroht, denen nur kümmerlich widerstanden wurde, geschweige denn, dass es zu einem erfolgreichen Gegenangriff gekommen wäre. Wo war die einst so gefürchtete Kriegstüchtigkeit der Deutschen geblieben, die doch auf diesen Ruhm hin die höhere Bildung der romanischen Nachbarn geringschätzen zu dürfen glaubten? Die Ritter hielten sich zwar für befreit von allen Lasten, weil sie mit ihrem Blut steuerten, wie sie sagten; aber sie entschuldigten sich nun oft, wenn der Kaiser sie rief, mit ihrer Armut, die es ihnen unmöglich mache, Pferd und Harnisch zu halten; die Fürsten fürchteten Überfall von Seiten ihrer Feinde, wenn sie abwesend wären, und außerdem hatte der Süden kein Interesse für die Bedürfnisse des Nordens, der Westen keines für die des Ostens. Niemand rührte sich, um den Übergang der Lande des Deutschen Ordens an das Königreich Polen zu verhindern, im Norden hielt sich die Hansa mühsam gegen Skandinavien und Holland, im Westen zog das Herzogtum Burgund die blühenden Niederlande an sich. Frankreich, von jeher der eifersüchtige Nebenbuhler, drängte mit Macht an den Rhein, strebte offen nach der Kaiserkrone und machte die rheinischen Fürsten mit Geldzuwendungen von sich abhängig. Denn wie allmählich die Naturalwirtschaft in Geldwirtschaft überging, die Ansprüche an die Bequemlichkeit des Lebens und die Lust am Luxus zunahmen, ergriff gerade in Deutschland, wo noch wenig Geld im Umlauf war, eine unbändige Gier nach Geld alle Kreise. „Ja Quark! Geld ist das, was man will“, der Vers des Affen Märten galt nicht minder für Deutschland als für Rom. Man zog es sich gegenseitig aus den Zähnen, schabte es sich von den Knochen und hätte es der Hölle aus dem Rachen gerissen.

      Die Deutschen haben einen ausgeprägten Sinn für Gemütlichkeit an reichbesetzter Tafel, für langausgedehntes Sichauslärmen beim Trunk. Nicht nur ihre Zunge genießt, ihre seelische Schwerfälligkeit verlangt nach Berauschung. Auch in der Liebe sind sie ausschweifend, obwohl ihnen das vulkanische Sinnenfeuer der südlichen Völker abgeht; Mann und Frau mögen den traulich-zärtlichen Umgang miteinander nicht missen. Diese Eigenschaften führten bald zu einer Erweichung der strengen Ordensregeln in den deutschen Klöstern. Mit der Einführung unnachsichtiger Askese hatten die Vertreter reformatorischer Richtungen, die von Zeit zu Zeit auftraten, im Allgemeinen kein Glück; die deutschen Mönche widersetzten sich oder liefen fort. Vollends als in allen Kreisen das Leben reicher und lockerer geworden war, gaben sich auch die Insassen der Klöster ohne Bedenken dem Wohlleben hin. Es kam vor, dass in den Männerklöstern kinderreiche Familien hausten, dass Frauenklöster Bordellen glichen. Nahmen nun die Sittenrichter schon an den Ausschweifungen der Weltleute Anstoß, um wieviel mehr empörten sie sich über diejenigen, die, auf ein heiligmäßiges Leben pochend, Verehrung beanspruchten, während sie sich wie Schweine im Kot des Lasters wälzten; denn das sagte man ihnen nach. Besonders in städtischen Handwerkerkreisen, wo Ehrbarkeit vorherrschte, war die Entrüstung über das Treiben in den Klöstern lebhaft. Es kam dazu, dass die Städte den Klöstern alle die kulturellen Aufgaben, die sie im frühen Mittelalter so großartig erfüllten, abgenommen hatten, und die überflüssig gewordenen nun nicht als Wohltäter, sondern als Störenfriede ansahen. Arbeiteten die Klosterleute nicht, so beschimpfte man sie wegen Müßigganges, aber viel schlimmer war es, wenn sie arbeiteten; denn das betrachteten die Handwerker als Eingriff in ihre Zunftrechte. Nach allen Seiten erregten sie Feindschaft und Eifersucht; die Pfarrer verboten ihnen zu predigen, die Handwerker zu arbeiten, sogar das Recht, die Toten in ihren Kirchen zu begraben, wurde ihnen bestritten. Es gab im 15. Jahrhundert kaum eine verachtetere und verhasstere Menschenklasse als die Klostergeistlichkeit.

      Innerhalb des Klerus gab es verschiedene Spaltungen. Nicht nur bekämpften sich einige Orden untereinander, wie die Franziskaner und Dominikaner, die Weltgeistlichen verachteten die Mönche als Dummköpfe, die Mönche warfen jenen wohl Ketzerei vor. Der niedere Klerus, auf dem alle Pflichten des Amtes lasteten, blickte mit Bitterkeit auf die Bischöfe und Domherren, die hohe Einkünfte auf weltliche Art verzehrten, während sie, die die Arbeit leisteten, sich ärmlich behelfen mussten. Die Bischöfe ihrerseits ertrugen widerwillig die Einmischung des Papstes und seufzten über die Abgaben, die er von Zeit zu Zeit verlangte.

      Am bedenklichsten für die Kirche war, wie sehr die Ehrfurcht vor dem Papst nachgelassen hatte. Gerade die Finanzwirtschaft des Heiligen Stuhles erregte Ärgernis. Seit die Päpste die Prozesse aus aller Welt, weltliche und geistliche, vor ihr Tribunal zogen, in allen Händeln Schiedsrichter sein wollten, brauchten sie viel Geld und suchten es sich, da ein geregeltes Steuerwesen nicht durchzusetzen war, unter allen erdenklichen Vorwänden zu verschaffen. Allein wieviel auch zusammenfloss, es genügte nicht für die zahllosen Geschäfte, Kriege, Bauten, Geschenke, Bestechungen, so dass immer neue Ablässe und Türkengelder aus den Taschen der Gläubigen und Gehorsamen, und das waren doch am meisten noch immer die Deutschen, gezogen werden mussten. Und wie sehr war das politische Ansehen des Papstes gesunken, seit er die Hohenstaufen gestürzt hatte! Frankreich, auf das er sich gestützt hatte, suchte ihn seinen Interessen dienstbar zu machen, rückte in die einstige Stellung der Kaiser rücksichtsloser ein. Die Abhängigkeit und der lange Aufenthalt in Avignon schwächten das päpstliche Ansehen und führten schließlich zu einer Spaltung der Kirche, dem Schisma. Der merkwürdige Umstand, dass es einmal zugleich drei Päpste und drei Kaiser gab, veranschaulichte aller Welt die furchtbare Zerfallenheit des Reiches. Noch einmal konnte freilich Siegmund, längst vergessene Kaisergewalt ausübend, die Absetzung oder den Verzicht dreier Päpste und die Wahl eines neuen zuwege bringen, nicht aber die Reformation, die allgemein, hauptsächlich von Deutschland gefordert wurde! Nachdem auch das Konzil von Basel versagt hatte, befand sich der Papst von neuem auf dem Wege zu monarchischer Allgewalt.

      Das Verlangen nach Reformation wurde öffentlich, durchaus unter dem Schutz der Gesetze erhoben, vom Kaiser, von vielen abendländischen Fürsten, von den Prälaten, von den Universitäten, vom Volk; außerdem aber gab es einen unterirdischen Angriff auf die Kirche, den der Ketzer. Zu den Ketzern des 13. Jahrhunderts, den Sekten vom freien Geist, den Arnoldisten, die von den

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