Hein Bruns: In Bilgen, Bars und Betten. Hein Bruns

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Hein Bruns: In Bilgen, Bars und Betten - Hein Bruns maritime gelbe Buchreihe

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die Schillinge für die Fracht in die Säckel der Reeder rollen. Und es muss schnell gehen mit dem Fahren, je eher rollen die Schillinge und je mehr Reisen macht das Schiff. Wenn auch die Crew besoffen ist. Wenn auch der Alte nervös ist und einen Vogel hat. Wenn auch die Augenbrauen vom Chief einen Boogie tanzen - das Schiff muss fahren. Und es fährt. Warum holen eigentlich die Engländer ihr Holz nicht selbst? Fahren wir billiger? Sind unsere Heuern niedriger? Die zeternde Frau, mit der zum Abschied ein Matrose noch rasch eine Nummer gemacht hat, und das Kind sitzen nun wohl im warmen Wartesaal mit der Bierhahnattrappe und warten auf den Morgenzug. Ob die Frau sich wohl die Bluse zugeknöpft hat? Der Koch schlief auf harter Pritsche in einer Polizeizelle und weiß nichts davon. So dicht liegen Freiheit und Zellenheit beieinander. Das Bündel saß in einer Kneipe, und das Schankmädchen entfernte das Bücklingsfett aus dem Perlonhemd. Der Murki hatte seinen Kopf hinter einem Flügel versteckt und der Lispeler sein Gebiss in ein Glas versenkt. Die Augenbrauen des Chiefs tanzten nun einen Schlafwalzer. Die Nacht war ruhig. Auch die Kugel war in die Koje gerollt. Ein Schiff, Motorschiff MISTRAL, schläft. Nur die schwarze Schlange atmet. Nur der Hafendiesel, benötigt für Licht, Heizung und Wasser, tötet tuckernd die Zeit. Weiter streicht die Winternacht mit ihrem frostigen Glasur-Pinsel über die Eisburg Schiff. Im Kontor der Bunkerstation brannte warmes Licht, und das Scheißhaus war eingefroren. Meiler war vom Schiff gefressen, und nun begann die Verdauung. Die Nacht war ruhig.

      Die Nacht war ruhig und Meiler allein! Allein war auch der „Assi“ unten im Maschinenraum, allein mit dem tuckernden Diesel, den laufenden Pumpen, dem Ölheizungskessel und mit der gelbfarbigen Hauptmaschine. Meiler war allein mit einem Koffer, einer Matratze, einem Sofa, einer fettigen Zeitung, dem breitgetretenen Bücklingsrest und... mit seinen Gedanken. Alles ordnete er erst einmal. Warf allen Dreck und Mist aus dem Bullauge, wischte mit einem vergessenen, noch nach Arbeit stinkenden Twistlappen, in Unterstützung mit klarem Wasser aus der Leitung, das Fischfett vom Boden auf. Packte seinen Koffer aus (der andere stand ja noch an Deck), legte eine Tischdecke auf. Ein helles freundliches Muster hatte die. Ordnete soweit alles, nur seine Gedanken, die konnte er noch nicht ordnen... Gedanken kann man sowieso im Hafen nicht ordnen, geschweige, so man eben eingestiegen ist. Gedanken ordnet man auf See. Auf langen Seetrips, da kann man seine Gedanken ordnen, sie ausrichten und voreinanderstellen, verschieben, neu verpacken… und dann ist alles gut, so lange gut, bis man wieder in einem Hafen ist oder Post hat. Meiler hob den Kopf. Oben an Deck tapste es, oder im Gang oder in der Kammer über ihm. Nun trappelte es den Niedergang herab, und jetzt trabte es im Gang, Richtung Meilers Kammer. Zögerndes Klopfen. „Herein!“ Eine bemützte „Uniform“ stand in der Tür. „Ich bin der wachhabende Offizier, Linke ist mein Name. Sie sind wohl der neue Dritte von der Maschine, ja?“ Seine etwas grünlichen Augen schielten hin und her, die Mütze hielt er nun in der Hand, und mit der anderen strich er verlegen, fast zärtlich über seine rötlichen Haare, schob eine Locke zurecht, und dann erst gab er Meiler die Hand, die weich, weibisch und schlaff und ohne Druck sich präsentierte. Wie Schleim, dachte Meiler, neugierig darauf, was nun wohl kam. Die „Uniform“ war an sich ein heller Fleck auf diesem Schiff, dem Schiff mit Besoffenen und Grölenden, mit Kanarienvogelkapitän und Augenbrauen-Boogie tanzendem Chief, küssender Kugel und Bücklingsresten. Ja, der Mann schien eine Insel der Hoffnung zu sein. Menschen können überhaupt Hoffnungsinseln und Ankerplätze sein, oder Kaimauern und Duckdalben, ja, das können sie. Und wenn man seine Gedanken noch nicht geordnet hat, mag man wohl so eine helle Insel. Linke war korrekt, für Meilers Begriffe fast zu korrekt gekleidet. Blaue, gut sitzende Litewka mit goldenen Knöpfen, Schulterstücken mit goldenen Litzen. Blaue Hose mit Bügelfalte, fast so wie Meilers Gegenüber im Fernzug. Jedenfalls beste Figur für ein Propagandaplakat, binnenlands aufzuhängen: WERDE SEEMANN, UND DU BIST IMMER GUT ANGEZOGEN! Es fehlte nur noch das „Schwert an seiner Linken“! Der Schleim tropfte noch von Meilers Rechten. Frage: „Haben Sie schon Kojenzeug?“ Melchior verneinte und zeigte auf die kahle Seegrasmatratze. „Ich werde sofort den Steward wecken lassen, der gibt Ihnen Kojenzeug und auch Handtücher!“ Menschenskind, nobel, obernobel, stinknobel, dreimal stinknobel . Oha, lässt den Steward wecken, weckt nicht mal selbst, verdammt. Die etwas grünen Augen der Uniform wurden fester. Ja, wenn der verdammte Schleim nicht wäre. Meiler beurteilte Menschen nach Blick und Händedruck und auch nach Religion und Gewerkschaftszugehörigkeit. Die Uniform gefiel ihm gerade nicht besonders. Er selbst konnte nicht mal einen blanken Eisenbahnerknopf sehen. Aber was willst du eigentlich, der Mann ist doch korrekt, höflich, hilfsbereit und kameradschaftlich. Sieh mal, der sorgt für Bettwäsche und Handtücher und lässt sogar den Steward wecken. Dir kann man es aber auch gar nicht recht machen. „Nehmen Sie doch Platz!“ — „Nein, danke... und außerdem bin ich im Dienst. Ich bin der Zweite Offizier hier an Bord!“ — „So, der Zweite, soso, na ja, aber wo waren Sie denn vorhin, als der Rabatz und der Trubel hier im Gang war?“ fragte Melchior Meiler hinterlistig. „Oh, da darf man sich nicht sehen lassen... davon hat man nur Unannehmlichkeiten. Außerdem hatte ich im Kartenhaus zu tun!“ Aha, im Kartenhaus zu tun, denn man zu. Ja, immer hübsch vorsichtig. Könnte der Karriere schaden. So einer bist du, ja, ja, nur nicht anecken, oben wie unten nicht, kommst immer zurecht. Linke, der Name ist gar nicht mal so schlecht getroffen. Linke. Linke. Mensch, ist das ‘ne Modepuppe. Eine Haarfrisur. Eine Rasur. Ein weißes Hemd und schwarze Krawatte. Ebenholzgewichste Schuhe. Junge, Junge, Meiler, davon kannst du dir aber eine Scheibe abschneiden. Und das morgens um drei Uhr. Aber immerhin doch ‘ne Insel. „Ist das Ihr Koffer, der da oben an Deck steht?“ — „Ja!“ — „Ich lasse ihn gleich nach unten bringen!“ Eine Behandlung hier, wie in einem Erste-Klasse-Hotel. Das tut gut, das ist noch ein Ton. So ist die Seefahrt richtig. Es gibt doch noch prima Kerle. Was willst du eigentlich, Meiler? Wenn... wenn... ja, wenn der backsige Schleim nicht wäre. „Ach, Sie lesen auch?“ fragte Linke und zeigte auf Meilers ausgepackte Bücher. Auch? Was heißt hier auch? Auch heißt doch sicher, dass er auch liest, oder nicht? Meiler konnte es sich nicht verkneifen zu antworten: „O ja, Erbsen, Kammerschilder und Filzläuse!“ Der Schleim wurde zu einer festen Masse, die Augen irrten. Die weiße Mädchenhand legte sich wieder wie Hilfe suchend an die korrekte Haarfrisur, wo wirklich nichts in Ordnung zu bringen war. Verlegen entblößten Lippen Pferdezähne. „Haha... haha!“ — „Hahaha!“ auch Meiler. Die Uniform schob sich rückwärts aus der Tür. Zurück blieb Schleim und ein aufdringlicher Geruch nach Haarpomade.

      Lange dauerte es nicht, da klopfte es. Der Steward. Verschlafen, brummig: „Ihre Wäsche!“ Stewards neigen in der Regel nur dazu, den leitenden Angestellten an Bord so etwas wie Respekt entgegenzubringen. Die „anderen“, die sie leider dulden müssen, sind für Stewards nur eine „Belastung“, wären die „anderen“ nicht, gäbe es für sie weniger Arbeit. Zu Fahrgästen, ja, zu denen sind sie natürlich besonders höflich. Auf jeden Fall aber dann, so sie einen Blick in die Reisepässe geworfen haben und nun wissen, welches Geldes Kind Sie vor sich haben. Dann überschlagen sie sich förmlich, flitzen durch die Gänge, dass sich das Linoleum hinter ihnen aufrollt, und setzen ihr so bekanntes Trinkgeldalmosenempfängergesicht auf. Wie sagt man doch bei der christlichen Seefahrt? „Er war Seemann übelster Art, er war Steward, hatte gelbe Finger, stahl Obst und wichste.“

      Meiler packte weiter seinen Koffer aus und räumte ein. Bezog seine Koje. Bei den leitenden Angestellten macht das der Steward, müsste er hier auch. Tut er nicht, hat er nicht mehr nötig. Ist „Knapp“ und Schützling des Kapitäns! Es klopft wieder. Ein zerknittertes, altes Matrosengesicht: „Ich bin der ‚Alte Fritz‘ hier, ich bringe Ihren Koffer!“ — „Schön, Alter Fritz, lass dir vom Steward ‘ne Flasche Bier geben, er ist ja noch auf, denke ich.“ — „Danke, Meister, und gute Wache!“

      Kapitel 7

      So, nun war alles soweit, und eingeordnet, eingeräumt, an seinen Platz gelegt, dort, wohin es gehörte. Wäsche in die Schublade unter der Koje. Anzüge auf Bügel im Spind und Schuhe darunter. Arbeitszeug unterm Sofa verstaut, in der einen Lade. Und in der anderen verschwand das Khakizeug - Hosen, kurz und lang, und Hemden mit langen und kurzen Armem. Khakizeug ist wichtig und ist auch das Zeug, welches man in der verdammten Hitze, dort irgendwo in Afrika, Asien oder Südamerika, tragen kann. Tischdecke lag auch schon aufgelegt, macht sich gut. Miras Bild ist aufgehängt.

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