Hein Bruns: In Bilgen, Bars und Betten. Hein Bruns

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Hein Bruns: In Bilgen, Bars und Betten - Hein Bruns maritime gelbe Buchreihe

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drahtigen und liebenswürdigen und arbeitsamen Franzosen und rieten ihm, doch die Grete Würdemann zu ehelichen, da dieses wohl auch dazu beitragen würde, um den alten Würdemann zu versöhnen und um dem kleinen Ferdinand einen ehrlichen Namen zu geben. Monsieur Vignaud tat das. Und der Kaiser saß immer noch auf der Insel Elba. Der Kaiser saß bis zum zweiten Kind, der Totgeburt, auf der Insel Elba. Die Kunde kam: Napoleon entflohen. Napoleon gelandet! Napoleon sammelt seine Armee! Napoleon kämpft! Monsieur Vignaud entfloh bei Nacht aus Walkenrode, gesund, kräftig und eingekleidet. Monsieur Vignaud kämpft wieder unter den Fahnen seines Kaisers. Monsieur Vignaud ist wieder Offizier der glorreichen französischen Armee. Madame Vignaud, geborene Würdemann und den Sohn Ferdinand ließ er zurück, und niemals mehr haben beide wieder von ihm gehört.

      Kapitel 4

      Alle Straßen führen zum Westen, alle Straßen, die aus dem Osten kommen. Aber alle Straßen, die aus dem Osten kommen, enden im Osten, enden am Schlagbaum der Demarkationslinie in der DDR. Vom Schlagbaum westlich führend sind die Straßen grün, solange sie durchs Niemandsland führen und bis sie wieder auf einen Schlagbaum treffen. Unkrautig verwuchert. Grün wie ein Rasen, ein ungepflegter. Wem dieser „Rasen“ wohl gehört? Alle Straßen, die vom zweiten Schlagbaum aus weiterführen, enden im Westen, irgendwo im Westen, oder an der Atlantikküste. Der Blutstrom der Straße ist aber unterbrochen durch den Rasen, durch das Niemandsland, und darum sind die Straßen krank, die im Osten und auch die im Westen. Die Straßen im Osten sind holperig und verdrückt und gedrückt. Die Straßen im Westen aber sind glatt, aalig, sauber, flüssig und gängig... und trotzdem sind die Straßen krank. Sie hockten zusammen im Schwesternzimmer eines Krankenhauses in der DDR. Lauthämmern eines Radios. Kein Westsender. DDR-Sender und laut, sollte ja auch gehört werden, dass man eben nebenan nichts hört, nebenan in der nächsten „Zelle“. Sie hocken zusammen, Mira Vignaud, ein netter junger Mann und zwei Jungärzte. F 6 rauchten sie, eine DDR-Filterzigarette, die einzige überhaupt, na ja, immerhin, es war doch eine Filterzigarette. Rauchten und steckten die Köpfe zusammen und sprachen miteinander und gingen dann auseinander. Gaben sich die Hand und versprachen sich, nächstens wieder so einen netten Abend zu verleben. Denn der Abend war nett, man hatte sich doch gut und angeregt unterhalten, F 6 geraucht und auch ein Gläschen Wein getrunken.

      Durch die Nacht rollte und ratterte auf volkseigenem Pflaster ein Lkw, ein schwerer Lkw mit einem zweiachsigen Hänger. Rollte über die holperige Straße und rollte und rollte. „Verflucht!“ sagte der Fahrer, ein netter junger Mann, „wir haben uns verfahren!“ Der Beifahrer sagte nichts. „Wir müssen irgendwo wenden, verdammte Scheiße!“ Nun wende mal, kein Platz, nur lange, leere, dunkle Straße. Also weiter, müssen weiter, bis sich eine Gelegenheit und Platz findet. Und weiter, an blühenden Obstbäumen vorüber, über holperige Straßen und unter einem sternenlosen Himmel rollte der Lkw mit einem zweiachsigen Hänger, einem fluchenden Fahrer und einem schweigsamen Beifahrer. Und die Straße rollte ihnen entgegen. Die gelben Fächer der Lichtwerfer rissen die Nacht nur kurz auf, dann war es wieder die Dunkelheit, die ihre Herrschaft behauptete. Der Beifahrer sagte nichts. „Verdammt noch mal, wir müssen irgendwo wenden!“ Vorne sahen sie Licht! „Da!“ sagte der Fahrer, „da vorne, siehst du das?“ Der Beifahrer nickte nur.

      An der Straße rechts stand eine kleine Holzbaracke, und der Vorhof lag im hellen Licht. Wichtig und stiefelig näherte sich ein Vopo der Straße und dem anrollenden und ausrollenden Lkw. Auch die Straße lag im hellen Licht und auch der Schlagbaum. Aus dem Fenster der Baracke quäkte Tanzmusik. Man sah den Unteroffizier am Schreibtisch sitzen. Der Schlagbaum, rotweiß geringelt, vergewaltigte die Straße. Schlagbäume haben es in sich und an sich, sie sind unsichtbare Mauern. Schlagbäume halten wohl keine Streitmacht auf, aber Schlagbäume halten einzelne auf und auch Leute ohne einwandfreie Papiere, ohne Pässe oder Ausweise. Das können Schlagbäume gut, solche Leute aufhalten. Schlagbäume haben die gleichen Gewohnheiten wie Schranken. Schlagbäume kann man zerschlagen, zersägen, verbrennen, wegfegen oder mit einem Lkw durchbrechen. Aber das können eben nur eine Masse Menschen, ein einzelner kann das nicht, er spielt mit seinem Leben. Und ein einzelner Lkw kann das auch nicht, Fahrer und Beifahrer spielen auch mit ihrem Leben. Und mit dem Leben soll man nicht spielen. So ist das nun mal mit Schlagbäumen! Aus dem Fenster des Lkws lehnte sich der Fahrer und ruft dem Vopo, dem Grenzsoldaten zu, dass er sich verfahren hätte und ob er hier wohl wenden könne. Verflucht noch mal, er wolle doch und müsse doch auch weiter, er habe verderbliche Ware auf dem Wagen und müsse morgen früh in Leipzig sein, bei der HO müsse er sein. Und ob er ihm nicht helfen könne, er und der Unteroffizier, den Hänger abzukoppeln, und dann könne er ja selbst mit dem Motorfahrzeug wenden. Der Unteroffizier lehnte aus dem Barackenfenster und lachte. Unteroffiziere lachen immer, wenn sie keine Untergebenen vor sich haben, das ist in allen Armeen der Welt so, nicht nur in der DDR... und Unteroffiziere sind auch Menschen. Aber arbeiten tun Unteroffiziere nicht gern, sonst wären sie keine Unteroffiziere geworden, das ist auch in allen Armeen der Welt so. Arbeiten tun sie nicht, auch in der DDR nicht, das war bei den alten Preußen schon so. Unteroffiziere aber wissen sich zu helfen, und dieser Vopounteroffizier wusste es auch und rief dem Posten zu: „Mach doch mal eben den Schlagbaum auf, da vorne ist doch Platz genug, da kommt gleich eine Wiese und da hat die Straße auch keine Bäume. Da kannste gut wenden. Kostet aber ‘ne Kleinigkeit. Was haste denn geladen, Genosse?“ „Frischgemüse und auch Schnaps. Kannst nachher ‘ne Flasche kriegen!“ „Na, denn fahr man los!“ Der Schlagbaum wies in den Nachthimmel. Schlagbäume sind gefügig, wenn ein Unteroffizier Order gibt. Schlagbäume sind keine Widerständler, wenn ein Unteroffizier Order gibt. Schlagbäume sind gute, treue Untergebene, aber ein Unteroffizier muss die Order geben. Nur verwunderte es den Posten, dass die Schlusslichter des Lkws nicht brannten. Muss ich ihm nachher sagen. Die Nacht war blütenduftig und still und dunkel. Zwei Lichtaugen näherten sich dem Wachhaus, zwei Lichtaugen, aus dem Osten brennend, in den Westen starrend. Ein Wartburg. Zwei Männer. Gestapogesichter. Staatssicherheitsdienst. „Ist hier eben ein Lkw durchgefahren?“ so fragte eine schneidende Stimme. „Ja, eben, der kommt gleich zurück, der wendet nur!“ „Quatsch, der wendet nicht... der wendet der DDR den Rücken... so, meine Herren, sieht das aus. Aber darüber sprechen wir gleich!“ Der Lkw ist noch einzuholen, der Schlagbaum stand noch auf, und der Wartburg preschte davon. Komisch, und auch dessen Schlusslichter brannten nicht. Es brannten überhaupt keine Schlusslichter mehr. Schluss mit Schlusslichtern. In der Sommernacht verwehte und verstäubte Motorengeräusch und Räderrollen. Für den Lkw mit zweiachsigem Hänger und für einen Wartburg mit Männern, die Gestapogesichter haben, führte die Straße aus dem Osten in den Westen. Und der Beifahrer konnte wieder sprechen, und unter seiner Mütze quollen lange, nachtschwarze Haare hervor, und ein Lachen warf sich in die Nacht, ein freies Lachen. Frei! Frei! So kam Mira Vignaud in den Westen.

      Kapitel 5

      Und Meilers Gedanken gingen zurück, liefen zu Mira, in ihren „Käfig“. Ihren freiwilligen „Käfig“. Als sie damals ins Zimmer trat, schön und schlank und selbstsicher, wurde er schon erregt. Meiler wurde stets erregt, wenn er sie sah und auch, so er an sie dachte. Aber ist das etwas Verwerfliches? Sie legte es doch wirklich nicht darauf an, ihn zu reizen, jedenfalls körperlich nicht. Sie trat auf, wie jede Frau heute auftritt, sich bewegt, sich gibt. Ihre Bewegungen unterschieden sich nicht von den Bewegungen anderer Frauen. Sie stand und ging und setzte sich wie andere Frauen auch. Aber warum war Meiler bei anderen Frauen nicht so erregt? Und als sie lachend und im Gespräch mit ihm in ihre langen schwarzen Haare griff, sie mit der Innenfläche ihrer Hand ordnete, oder ob es eine Verlegenheitsgeste oder eine Reflexbewegung war, stieg seine Erregung. Sie stieg vielleicht auch dadurch, dass er für Augenblicke die dunkle Haarfülle unter ihrem Arm sah. Meiler musste sich Zwang anlegen, um ihr nicht die Kleider vom Leibe zu reißen. Miras große dunkle Augen funkelten ihn an, so sie in einem Streitgespräch nicht gleicher Meinung waren, ihm aber kam es auf die Meinung, ob seiner oder Miras, gar nicht so drauf an, er wollte sie besitzen, ganz besitzen. Er wollte sie nackt sehen, er wollte sie weich sehen, er wollte ihre Hingebung sehen, er wollte sie schwach sehen. Verdammt noch mal, dann ist doch das Weib erst Weib, wenn es schwach ist, wenn

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