Skizzen aus dem Londoner Alltag. Charles Dickens

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Skizzen aus dem Londoner Alltag - Charles Dickens

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und Bewegung verursachen, als alle anderen zusammengenommen.

      Wir sind, fast mit einigem Erröthen, genöthigt zu sagen, daß der Bibel- und Gebetbuchs-Verein nicht so populär ist, als der Kindbettweißzeug-Verein; doch hat sich der Bibel- und Gebetbuchs-Verein nichts destoweniger innerhalb der letzten beiden Jahre ansehnlich vergrößert und an Bedeutung zugenommen, da ihm durch die aufwieglerische Opposition des Kinderprüfungs-Vereins eine ansehnliche Verstärkung zugekommen ist, welche faktiöse Opposition in folgendem Umstande ihren Ursprung hatte.

      Zur Zeit, als der junge Pfarrer noch populär war und der Geschmack aller unverheiratheten Damen des Kirchspiels eine ernste Richtung genommen hatte, wurden auf einmal die Kinder der Versorgungs-Anstalt Gegenstände besonderer und wesentlicher Teilnahme. Die drei Miß Browns (enthusiastische Verehrerinnen des Pfarrers) lehrten, übten, prüften und überhörten die unglückseligen Kinder, bis die Knaben vor Anstrengung blaß und die Mädchen schwindsüchtig wurden. Die drei Miß Browns konnten es sehr gut ausdauern, weil sie einander ablösten; aber bei den Kindern, denen durchaus keine Erleichterung zu Theil wurde, zeigten sich verschiedene Symptome von Erschlaffung und andere besorgliche Erscheinungen. Der gleichgültigere Theil der Kirchspiels-Angehörigen lachte zu all' dem, der einsichtsvollere Theil aber enthielt sich, irgend eine Meinung zu äußern, bis sich der Pfarrer darüber ausgesprochen hatte.

      Die Gelegenheit blieb nicht lange aus. Der Pfarrer hielt eine Wohlthätigkeitspredigt zu Gunsten der Schule der Kinderversorgungs-Anstalt; und in dieser Rede verbreitete er sich mit glühender Beredtsamkeit ausführlich über die preiswürdigen und unermüdlichen Anstrengungen gewisser achtungswürdiger Personen. Man hörte ein vernehmliches Schluchzen aus den Kirchstühlen der drei Miß Browns und sah den Kirchenstuhlschließer dieser Abtheilung eilig durch den mittleren Kirchgang in die Sakristei eilen und alsbald wieder mit einem Glase Wasser zurückkehren; ein leises Aechzen erfolgte; noch zwei weitere Kirchstuhlschließer eilten herbei, und die drei Miß Browns, jede auf einen Schließer gestützt, wurden aus der Kirche geführt und kehrten nach Verlauf von fünf Minuten mit weißen Taschentüchern vor den Augen wieder zurück, als wenn sie auf dem anliegenden Kirchhofe einem Leichenbegängnisse beigewohnt hätten.

      Wenn auch der geringste Zweifel einen Augenblick existirt hätte, auf wen die Lobeserhebung anzuwenden sei, so war er nun auf einmal gehoben.

      Der Drang, die armen Kinder zu erleuchten, wurde nun allgemein, und die drei Miß Browns wurden einstimmig angegangen, die Schule in Klassen abzutheilen und jede Klasse der Oberaufsicht zweier jungen Damen zuzuweisen.

      Halbe Gelehrsamkeit ist eine gefährliche Sache, aber halbe Gunst noch viel übler. Die drei Miß Browns stellten lauter alte Jungfern an und schloßen die jüngern sorgfältig aus. Die alten Jungfern triumphirten; die Mütter geriethen an den Rand der Verzweiflung, und es ist unmöglich eine Vermuthung auszusprechen, in welche gewaltsame Handlungen der allgemeine Unwille gegen die drei Miß Browns noch ausgebrochen wäre, hätte nicht die Vorsehung einen Zufall herbeigesandt, der dem Strom der öffentlichen Meinung eine andere Richtung gab.

      Frau Johnson Parker nämlich, die Mutter von sieben ausgezeichnet hübschen und sämmtlich unverheirateten Töchtern, hinterbrachte eiligst mehreren andern Müttern hübscher und unverheiratheter Töchter, daß fünf alte Männer, sechs alte Frauen und unzählig viele Kinder jeden Sonntag ohne Bibel und Gebetbuch zur Kirche kämen. Hatte man je so etwas in einem civilisirten Lande gehört? Konnten solche Dinge in einem christlichen Lande geduldet werden? Nimmermehr! Alsbald wurde ein Damen-Bibel- und Gebetbuchs-Vertheilungs-Verein gebildet. Zur Präsidentin wurde Frau Johnson Parker ernannt, die Schatzmeisters-, Controleurs- und Secretärsstellen aber den Misses Johnson Parker übertragen; es wurden Subscriptionen eröffnet; Bücher angekauft, und alle Bedürftigen damit versorgt, und als diese Bibeln und Gebetbücher am nächstfolgenden Sonntag nach diesen Vorfällen zum ersten Male in Anwendung kamen, gab es ein solches Auf- und Zuklappen der Bücher, ein solches Rasseln mit den Blättern, daß es fünf Minuten lang lediglich unmöglich war, auch nur ein Wort von der Liturgie zu vernehmen.

      Die drei Miß Browns und ihre Partei sahen die herannahende Gefahr und versuchten sie dadurch abzuwenden, daß sie die Gesellschaft durch Spott lächerlich machten. »Weder die alten Männer, noch die alten Frauen könnten die Bücher lesen, die ihnen geschenkt worden seien,« sagten sie. – »Hat nichts zu sagen; sie können's lernen,« erwiederte Mrs. Frau Johnson Parker. »Auch die Kinder können nicht lesen,« sagten die drei Miß Browns.– »Thut nichts; man kann sie auch lehren,« entgegnete Frau Johnson Parker. Man wog die Wichtigkeit der beiden Parteien gegeneinander ab, und die Parteien waren einander gleich. Die Miß Browns veranstalteten eine öffentliche Prüfung – die öffentliche Meinung neigte sich auf die Seite des Kinderprüfungs-Vereins. Die Johnson Parker's vertheilten öffentlich Bibeln und Gebetbücher – und es fand eine Reaction zu Gunsten des Bibel- und Gebetbuchs-Vertheilungs-Vereins statt. Eine Feder würde die Wagschale geneigt haben, und eine Feder neigte sich wirklich.

      Ein Missionär kehrte aus West-Indien zurück; er sollte, bei Gelegenheit seiner Vermählung mit einer reichen Wittwe, der Dissenters-Missions-Gesellschaft für die Ausbreitung des Christenthums unter den Heiden vorgestellt werden. Den Dissenters wurden durch die Johnson Parkers Anerbietungen gemacht. Ihre Zwecke waren ja dieselben, warum sollte also nicht eine vereinigte Zusammenkunft beider Gesellschaften statt finden können? Der Antrag wurde angenommen, der Tag der Versammlung durch öffentliche Ankündigungen im Voraus gehörig ausposaunt, und der Saal war bis zum Ersticken voll. Der Missionär erschien auf der für ihn erbauten Rednerbühne und wurde mit Enthusiasmus empfangen. Er gab ein Gespräch zwischen zwei Negern zum Besten, das er mit angehört haben wollte; sie hatten hinter einem Gartenzaune über die Vertheilungs-Gesellschaften unterredet – der Beifall wurde zum Toben. Nun ahmte er vollends das englische Kauderwälsch der beiden Neger nach, und das ganze Haus erbebte von stürmischem Beifallsgeschrei.

      Von diesem Tage an war die Popularität der Bibel-Vertheilungs-Gesellschaft in stets wachsendem Zunehmen begriffen, das durch die schwache und ohnmächtige Opposition der Prüfungs-Partei nur noch mehr gefördert wurde.

      Was nun den wichtigen Punkt der Kindbetts-Weißzeug-Monats-Leih-Vereine betrifft, so beruht seine Bedeutsamkeit hauptsächlich darauf, daß er weit weniger dem Schwanken der öffentlichen Meinung unterworfen ist, als der Bibel-Vertheilungs- und der Kinder-Prüfungs-Verein; und mag es kommen, wie es will, so wird es ihm nie an Veranlassung zur Wohlthätigkeitsübung fehlen. Unser Kirchspiel gehört, wie bereits früher erwähnt worden, zu dem volkreichsten, und wenn irgend eines zur Vermehrung der Gesammtzahl der Hauptstadt und ihrer Umgebungen beiträgt, so möchten wir fast behaupten zu dürfen glauben, daß unseres eher mehr leistet, als seine gerechte Schuldigkeit ist. Die Folge davon ist, daß der Kindbetts-Verein blüht, und seine Mitglieder bedeutenden Einfluß ausüben. Der Verein (dessen Gebrauch, seine Geschäftszeit in Monate einzutheilen, ihr den Namen gegeben hat) hält monatlich große Thee-Gesellschaften, bei denen der Monatsbericht verlesen, eine Sekretärin für den folgenden Monat gewählt und das in diesem Monat nicht ausgeliehene Weißzeug sorgfältig gestürzt wird. Wir waren nie bei einer dieser Versammlungen zugegen, denn Herren sind, wie wir kaum bemerken zu müssen glauben, völlig ausgeschlossen; allein Herr Bung ist ein paar Mal zu den Sitzungen berufen worden; und wir können auf seine Autorität hin versichern, daß es bei den Verhandlungen mit großer Ordnung und Regelmäßigkeit zugeht, indem unter keinerlei Vorwand gestattet wird, daß mehr als vier Mitglieder zu gleicher Zeit sprechen.

      Der regelmäßige Ausschuß besteht ausschließlich aus verheiratheten Damen, dagegen wird eine ganze Legion junger, unverheiratheter Damen von achtzehn bis fünfundzwanzig Jahren als Ehrenmitglieder zugelassen – theils weil sie sich durch ihre Beiträge und Besuche der Kindbetterinnen sehr nützlich machen, theils weil es von großem Interesse ist, sie schon bei Zeiten in die ernsteren Pflichten ihres späteren Lebens einzuweihen, und endlich, weil kluge Mütter nicht selten Gelegenheit gefunden haben, die Erfahrung zu machen, daß ihnen dieser Umstand bei Heirathsspeculationen wundervolle Dienste geleistet hat.

      Außer

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