Ein verhängnisvoller Wunsch. Sabine von der Wellen

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Ein verhängnisvoller Wunsch - Sabine von der Wellen

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schwer von Begriff sein.

      Wer Kinder hat, stellte bald fest, dass bei der Prahlerei der anderen über ihren Nachwuchs man selbst nur einfältige Kreaturen auf die Welt gebracht hat. Unfähige Lehrer und Kindergärtnerinnen gaben einen weiteren Lieblingsgesprächsstoff ab. War dann auch dieses Thema erschöpft, hatte bestimmt die eine oder andere noch etwas über seltsame Todesfälle im Ort oder wenigstens über eine Affäre eines Nachbarn oder einer Nachbarin zu berichten. Dabei kam es nicht selten vor, dass so manch eine das wichtige Häkeln oder Stricken ganz vergaß.

      Isabel schob den Rest des Huhns weit von sich und streckte ihre Beine erschöpft unter dem Tisch aus. Irgendwie fühlte sie sich diesen Frauensitzungen im Moment gar nicht gewachsen. Sie hatte schließlich auch nichts zu bieten. Keine Kinder und deren Lehrer, keine Krankheiten und keine nennenswerten Beziehungen oder gar einen fremdgehenden Ehemann. Nein, sie hatte nur ihre Arbeit und die interessierte niemanden.

      Mit Schrecken fielen Isabel die Vorkommnisse dieses Tages ein. Das war ein ausgesprochener Scheißtag gewesen. Dass ihr das mit der Firma Mellcopp passiert war, erweckte in ihrem Magen das Huhn in süßsauer Soße wieder zum Leben. Jetzt wusste sie den Namen und würde ihn bestimmt so schnell nicht wieder vergessen. Außerdem waren ihr noch weitere Patzer passiert. Sie hatte einige Rechnungen angemahnt, obwohl diese schon beglichen waren, eine falsche Warenliste an ihre Chefin weitergereicht, die den Kunden deshalb etwas anpries, was er gar nicht haben wollte, und zwei Bestelllisten vertauscht, woraufhin zwei Firmen beinahe mit falscher Ware beliefert wurden. Letzteres wurde allerdings durch die Achtsamkeit des Logistikleiters Hardy Meiners verhindert.

      Ironie des Schicksals. Aber er war ihr diese Kleinigkeit sowieso schuldig.

      Naja. Dann kam, was kommen musste. Cornelia hatte ihre „langjährige rechte Hand“ vor ihrem Nachhausegang nochmals an die Seite genommen und sie lange angesehen. Dann hatte sie mit sorgenvoller Miene gefragt: „Was ist nur in letzter Zeit mit dir los? Du bist so zerstreut und unkonzentriert, dass ich versucht bin, dir einen Zwangsurlaub zu verpassen. Vielleicht sollte ich dich in eine Kur schicken?“ Cornelia hatte dabei beide Hände auf Isabels Schultern gelegt.

      Sie war für Isabel nie wie eine Chefin gewesen, sondern immer wie eine große, in letzter Zeit sehr besorgte Schwester.

      „Nein, bitte nicht! Ich werde mich jetzt auch zusammenreißen und verspreche dir, dass so etwas nicht mehr vorkommen wird.“

      Isabel waren dabei Tränen in die Augen getreten und sie hatte sich so unglaublich niedergeschlagen gefühlt. Was sie jetzt auf keinen Fall gebrauchen konnte war Urlaub!

      „Macht dir denn dein Beruf gar keinen Spaß mehr? Du bist so zerstreut und wirkst unzufrieden.“

      „Doch! Ich liebe meinen Job!“, hatte Isabel gerufen.

      Cornelia nickte daraufhin nur und sah sie unschlüssig an. „Ich werde mit meinem Mann sprechen. Mal sahen, was der sagt.“

      Für Isabel hatte das wie eine Drohung geklungen. Sie kannte den Chef gut. Er war ein netter Mann und schätzte sie als langjährige Mitarbeiterin. Doch seine Firma stand für ihn immer im Vordergrund und er würde nicht zögern, sie sogar zu kündigen, wenn sie untragbar wurde. Nur von Cornelia konnte sie etwas Nachsicht erwarten.

      So saß sie nun an ihrem Küchentisch vor dem halb aufgegessenen Huhn von ihrem Lieblingschinesen und stützte frustriert ihren Kopf in den Händen ab.

      Was, wenn die jetzt ernst machen? Entlassen werden sie sie wohl nicht gleich, aber vielleicht wird ihr Chef sie erbarmungslos beurlauben. Was sollte sie dann machen?

      Wieder schossen ihr Tränen der Verzweiflung in die Augen. Unwillig schüttelte sie den Kopf. Sie war so schrecklich deprimiert und weinerlich in letzter Zeit, dass es schon zum Fürchten war. Vielleicht wurde sie langsam geisteskrank wie ihre Tante Ingeborg? Oder es lag einfach an der Jahreszeit und am Vitamin D Mangel. Schon immer schlugen ihr die dunklen Wintertage etwas aufs Gemüt. Doch niemals so stark wie dieses Jahr. Und sie war doch erst sechsunddreißig Jahre alt, also noch kein Alter für die Wechseljahre. Oder?

      Das Wort ließ das Huhn in ihrem Magen auch noch Samba tanzen. Wechseljahre hieß Schluss mit allem. Damit war der letzte Zug unwiderruflich abgefahren. In drei Monaten wurde sie schon siebenunddreißig. Wo war nur die Zeit geblieben? Was war aus ihren Träumen geworden?

      Es war schon seltsam. Früher hatte sie noch an die große Liebe geglaubt, wollte heiraten, Kinder kriegen und alles tun, um den Mann an ihrer Seite glücklich zu machen.

      Der Mann an ihrer Seite …

      Isabel verdrängte die aufkommenden Gedanken daran. Eigentlich hatte es in ihrem Leben nur einen Mann gegeben, den sie sogar heiraten wollte.

       Nicht diese Geschichte! Du wusstest in dem Alter noch gar nicht, was heiraten eigentlich heißt.

      Doch! Sie glaubte damals, dass er der Richtige für immer und ewig war. Lange war sie ihm hinterhergelaufen und lange hatte er ihr ganzes Sein und Handeln bestimmt. Aber er wollte sie nicht!

      Das war ein dunkles Kapitel in ihrem Leben, dass sie besser unangetastet ließ.

       Da warst du jung und dumm! Sehr jung und dumm, und nicht mal volljährig. Also vergiss das endlich.

      Isabell seufzte auf. Dieses Kapitel aus ihrer Jugendzeit zu vergessen war aussichtslos. Immer wieder hatte sich in den vergangenen zwanzig Jahren diese tiefe, aber nicht erwiderte Liebe an die Oberfläche gespült. Und wie immer folgen auch diesmal die anderen zwischenmenschlichen Missgeschicke ihres Lebens auf dem Fuße. Denn niemand von ihnen hatte je wieder die Gefühle in ihr wecken können wie Cedric. Er war immer ihr goldener Ritter auf dem schneeweißen Pferd geblieben, der alles verkörperte, was sie sich wünschte.

       Das lag einzig und allein daran, dass er dich von Anfang an links liegen gelassen hatte. Er war immer unnahbar gewesen und deshalb konnte daraus auch keine missratene Beziehung werden.

      Isabel wollte daran nicht denken. Dass Cedrik und sie nie eine Chance hatten, lag an dem damaligen schlimmen Schicksalsschlag und an nichts anderem. Sie wollte weiterhin daran glauben, dass er es sonst für sie gewesen wäre.

      Ihr Gewissen reagierte mit einem grummelnden Abwerten dieses Gedankenganges, das ihr ein flaues Gefühl in der Magengegend bescherte. Deshalb dachte sie schon fast panisch an die anderen Männer in ihrem Leben, um da ja nichts nachkommen zu lassen. Und da hatte es einige gegeben. Aber keiner war so gewesen, wie sie ihn sich gewünscht hatte. Sie wollte einen Freund, einen Gesprächspartner, einen Seelenklempner, einen Schmeichler, einen Liebeshungrigen, der aber jederzeit ein Nein akzeptierte und einen, der immer mit ihr durch dick und dünn ging. Er sollte immer zu ihr halten, sie unglaublich und bedingungslos lieben und vor der Welt beschützen und sie doch niemals einengen. Außerdem musste sie ihn auch lieben und immerwährende tiefe Gefühle sollten sie verbinden. So sollte ihr Traummann sein. Dazu kam natürlich noch, dass er ausgesprochen kinderlieb, absolut treu und ein leidenschaftlicher Hausmann sein sollte - und ihr bedingungslos ergeben.

       Bedingungslos ergeben …?

      Erneut schüttelte etwas ihr Gewissen wach und Isabel kämpfte energisch darum, die aufkeimenden Gedanken nicht an die Oberfläche dringen zu lassen. Aber erfolglos.

      Es hatte ihn gegeben. Den bedingungslos Ergebenen. Cedrics jüngerer Bruder Till. Er und seine beiden älteren Geschwister lebten in dem großen Gut neben ihrem Zuhause aus Kinderzeiten. Und Till war es, dem sie wissentlich mehrmals das Herz gebrochen hatte. Ihre ganze Kindheit lang hatte er es ihr immer wieder

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