Raus aus der Krise. Geri Schnell

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Raus aus der Krise - Geri Schnell

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seines ehemaligen Schwiegervaters, war er gestern bei seiner Exfrau und durfte die ihm zugesprochenen Sachen abholen. Auch die Einzimmerwohnung, in der er seit der Trennung wohnen durfte, musste er räumen, sie gehörte seinem Schwiegervater. Walter Zingg, der einzige Kollege, der noch zu ihm hält, half ihm die wenigen persönlichen Dinge abzuholen. Viel war es nicht und da Max noch keine Wohnung gefunden hat, gab es zusätzlich das Problem, dass er nicht wusste, wohin er seine armseligen Sachen deponieren soll.

      Ein brummender Kopf ist noch das geringere Übel als diese Erinnerungen. Bis jetzt ging es ihm wenigstens finanziell noch gut, doch nun ist auch sein Bankkonto gesperrt, um sicherzustellen, dass er seine Alimente bezahlen kann.

      «Was ist denn das für ein vornehmer Herr?», ruft einer vom Tisch der Dreitagebärtigen. Max verbirgt sich tief hinter der Zeitung, welche eben erst aufgelegt wurde und verhält sich so, als hätte er nichts gehört.

      Die suchen doch nur einen Dummen, der eine Runde zahlen muss, oder der im Kartenspiel ausgenommen wird, denkt Max.

      Ein bisschen Gesellschaft würde ihm guttun, doch Max kann sich noch nicht damit abfinden, dass das sein neues Zuhause ist.

      Als Arbeitsloser hat man am frühen Morgen eigentlich viel zu tun. Man muss die Inserate studieren, auch wenn man genau weiss, dass wieder nichts Passendes zu finden ist. Das Stempeln im Arbeitsamt, wird seine erste Tätigkeit sein. Vorher muss er sich noch etwas zurechtmachen. Das letzte Mal, hatte der Beamte in seinem sauberen, mit Krawatte verzierten Hemd gedroht: «Herr Meier, wenn sie nochmals ungewaschen und unrasiert hier auftauchen, dann streichen wir unsere Unterstützung. Sie müssen vermittlungsfähig sein, damit Sie Arbeitslosengeld kassieren dürfen!»

      Bevor sich Max in der Toilette zurechtmachen will, hat er noch genügend Zeit, die Zeitung zu lesen. Viel Erfreuliches steht nicht drin. Wenn er richtig zusammengezählt hat, so sind wieder 200 Stellen gestrichen worden. Also, zweihundert neue Berufskollegen. Die Aussichten werden immer schlechter. Was tun die Politiker dagegen? Reden, reden und nochmals reden. Statt über neue Stellen, reden alle vom Sparen, also müssen Stellen abgebaut werden.

      Seit der Corona-Krise hat sich die Wirtschaft noch nicht erholt. Alle Staaten sind überschuldet und beginnen zu sparen. Wer hat damit gerechnet, dass als Folge des Corona-Virus die Steuereinnahmen so drastisch einbrechen. Nun muss man sparen.

      Das Lesen der Zeitung hat ihn so geärgert, dass er sich einen Zweier Roten bestellt. Nur so ist die ganze Misere zu ertragen. Den ersten Schluck hätte er am liebsten wieder ausgespuckt, doch dann fühlt er sich stark. In Gedanken fällt er über seine Exfrau her. Sie ist an allem Schuld. Sie wollte ihn nicht verstehen. Zuerst arbeitete er sich für das neue Einfamilienhaus fast zu Tode und dann, als er einmal ein Problem hatte, liess sie ihn fallen, wie eine heisse Kartoffel. Zehn Jahre lang, domminierten seine Arbeit und die beiden Buben, den Lebensinhalt. Es ist verdammt hart, wenn man beides innert ein paar Monaten verliert. Max versinkt im endlosen Selbstmitleid.

      «Noch einen», ruft Max dem Kellner zu.

      Dann grübelt Max wieder über seine verpatzte Ehe nach. Was hat er nur falsch gemacht? Später bestellt er noch einen Zweier.

      «Musst du nicht Stempeln gehen?», fragt ihn plötzlich einer vom Tisch der Dreitagebärtigen.

      «Oh, verdammt, das habe ich glatt vergessen. Denen werde ich heute gehörig die Meinung sagen. - Zahlen!»

      «Macht zwölf vierzig!»

      Max legt fünfzehn Franken auf den Tisch.

      Der Kellner sucht nach Kleingeld.

      «Stimmt so.»

      Er hat sich immer noch nicht daran gewöhnt, dass er es sich gar nicht mehr leisten kann, grosszügig zu sein. Schliesslich macht er sich ungewaschen und unrasiert auf den Weg zum Arbeitsamt.

      Der Beamte will ihn zuerst gar nicht reinlassen, drückt dann aber beide Augen zu. Es hat heute eine längere Kolonne, vermutlich ist wieder eine Firma geschlossen worden, oder der Beamte kam zu spät. Jeder in der Schlange, schaut sich mitleidig nach Max um. Sie haben sofort bemerkt, dass er grosse Mühe hat, sich auf den Beinen zu halten. Jedem fällt auf, dass sein Outfit dem Beamten garantiert missfallen wir. Nur gut, dass man schon vorher drankommt. Der Beamte wird sicher sauer werden. Das wird ein Theater absetzen.

      «Was guckt ihr alle so blöd? Ihr Deppen!», grölt Max, «darf man sich nicht voll laufen lassen, wenn man mit 31 schon geschieden wird? Wenn die eigenen Kinder einem nicht mehr sehen wollen? Wenn man keine Wohnung hat und die Nacht auf einer Friedhofsbank schläft und man an diesem Scheissschalter anstehen muss?»

      Beschämt schauen die Kolonnensteher nach vorne. Wie wird der Beamte reagieren? Jeder erwartet, dass er loslegt, doch der Beamte bleibt ruhig.

      Max randaliert weiter, schimpft über die unfähigen Politiker, über seine Exfrau und über seinen Exchef, der nach Brasilien verduftet ist. Plötzlich wird die Kolonne schnell kürzer. Der Beamte beeilt sich, die letzten noch Anstehenden so schnell wie möglich abzufertigen. Es sind eh nur noch die hoffnungslosen Fälle. Die sind im Moment nicht zu vermitteln. Max Meier wäre mit seiner Ausbildung noch jemand, den man unterbringen könnte, aber der Beamte sieht ein, dass heute nichts zu machen ist. In dieser Verfassung schickt man ihn besser nicht auf Stellensuche, das wäre kontraproduktiv.

      Endlich ist Max an der Reihe, er streckt seine Karte in den Schalter und erwartet, dass der Beamte loslegt. Der drückt aber nur seinen Stempel auf die Karte und gibt sie ihm zurück.

      «Und, wo soll ich heute Nacht schlafen?», fragt Max den Beamten, «ich musste meine Wohnung räumen. Ich habe nur diese Plastiktasche.»

      «Das ist Ihr Problem, versuchen Sie es bei der Heilsarmee, oder beim Pfarrer», schlägt der Beamte vor und bemüht sich, das Türchen zu schliessen.

      Bald darauf steht Max wieder vor dem Arbeitsamt auf der Strasse und weiss nicht wie es weiter gehen soll. Die zwanzig Franken, welche ihm pro Tag zum Verbrauchen bleiben, hat er für heute schon fast ausgegeben. Er wird das Budget überziehen müssen.

      «Hast du Probleme? - Ich bin Otto», stellt sich der verlauste Typ vor, «komm doch mit zum Gleisspitz, dort treffen sich viele Obdachlose. Gemeinsam ist es einfacher zu ertragen.»

      Max ist diese Einladung nicht unangenehm. Er hat immer noch Probleme mit anderen Leuten zu sprechen. Doch, dank seinem alkoholisierten Zustand überwindet er seine Hemmungen.

      «Ich kann ja mal vorbeischauen», antwortet Max.

      Auf dem Weg zum Gleisspitz gibt ihm Otto einige nützliche Typs: «Kauf deine Weinflasche im Supermarkt und nicht in der Kneipe, sonst bist du zu schnell pleite. Wenn du das Geld richtig einteilst reicht es weiter, als du denkst.»

      Je länger Max mit Otto zusammen ist, umso unheimlicher wird er ihm. Seine Ratschläge haben zwar etwas für sich. Max hatte jedoch zu lange etabliert gelebt, um diese Tagediebe zu verstehen. In seinem jetzigen Zustand ist ihm das egal, es tut ihm gut, wieder mit jemandem zu reden, denn seit der Gerichtsverhandlung hat er nur mit dem Kellner und dem Beamten im Arbeitsamt gesprochen.

      Am Gleisspitz ist Max schockiert. So hat er sich immer den Letten in Zürich vorgestellt. Dass es so etwas auch im biederen Olten gibt, überrascht ihn. In kleinen Gruppen hängen die unmöglichsten Typen rum. Max ist sich noch nicht bewusst, dass er gute Aussichten hat, auch so ein Landstreicher zu werden. Normalerweise wäre er sofort umgekehrt und hätte sich aus dem Staub gemacht. Nun trottet er Otto hinterher, der geht auf eine Gruppe zu, die sich im hinteren Teil des Parks, auf zwei

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