Geliebter Unhold. Billy Remie

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Geliebter Unhold - Billy Remie Chroniken der Bruderschaft 4

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handeln. Dann kam die Frage auf, ob so jemand ein Prinz, geschweige denn König sein durfte. Und die alten Schriften der Götter besagen: Nein, darf es nicht.«

      Kacey begann, zu verstehen. »Er hat also den Konflikt ausgelöst, indem er alte Zauber suchte und stahl?«

      »Die Frage, ob ich nach dem Erwachen meiner Fähigkeiten ein geeigneter Erbe bin, stand bereits von Anfang an im Raum«, gab Riath zu, sah Kacey an und zuckte mit den Schultern. »Aber nachdem Xaith ein wenig Staub aufgewirbelt hat, verschärfte sich alles. Sprich, meine Gegner wollten die Machenschaften meines Bruders gegen mich verwenden. Einige im Adel hofften wohl auch darauf, Wexmell würde sich mit einer ihrer Töchter vermählen und eigene Kinder zeugen.«

      Mit verschränkten Armen ging Kacey hinüber zu seinem Tisch, dabei nahm er Riaths verbeulten Kelch vom Kaminsims. »Das hast du in deinen Briefen erklärt. Doch was ist mit Xaith, welches Ritual hat er gefunden, das vor ihm noch niemand gefunden haben soll? Und welchen Preis soll es am Ende kosten?«

      »Er fand es nicht in Nohva, er reiste mit einem Schiff nach Malahnest.«

      Kacey fuhr mitten im Lauf zu Riath herum, der vor seinem Bett stand und mit seiner überragenden Präsenz den Raum ausfüllte. »Er ist zu den freien Inselstaaten gereist?«

      Selten kamen Händler oder Reisende von dort in die großen Reiche, noch seltener verirrten sich Besucher so weit in den Nordosten der See. Niemand wusste, wie es dort genau aussah, wer was regierte, es gab keine Könige, aber wohl Statthalter. Hin und wieder kursierte ein Gerücht über die Inseln, wie es dort aussah, welches Wetter dort herrschte, wie viele Städte oder Burgen es gab, doch jedes Gerücht widerlegte das andere.

      Riath sah Kacey mit einer undurchdringlichen Miene an. »Ich bin ihm dorthin gefolgt, ein kleiner Abstecher, bevor ich nach Carapuhr reiste und deine Schwester traf.«

      Kacey schüttelte den Kopf, während er eins und eins zusammenzählte, und sich mit dem Rücken an einen dunklen Stuhl lehnte, die Hände darauf abstützend. »Er stieß dort auf dieses uralte Ritual?«

      »Es gibt in Malahnest und Irridohr keine Verbote oder Grenze für Zauberei«, erklärte Riath.

      Interessiert horchte Kacey auf.

      »Sie bewahren dort jeden Zauber in ihren Türmen und Museen und Archiven.« Riath drehte sich suchend um, entscheid sich für die Bettkante und setzte sich darauf, schien ermattet, müde vom Erzählen. »Ich war nicht rechtzeitig dort, Xaith entwischte mir, aber wir fanden einen Priester, mit dem Xaith gesprochen hatte. Dieser sagte uns, Xaith interessierte sich für eine alte Prophezeiung.«

      »Das gefällt mir nicht.« Prophezeiungen waren nie etwas Gutes, wirklich nie.

      Riath nickte beständig. »Es gibt einen Ort in Malahnest, wo angeblich ein Fenster zur Welt der Toten besteht. Sprich, eine Art dünner Schleier. Dort bauten sie vor Jahrtausenden einen Tempel, er ist heute verfallen, doch die Beschwörungshalle existiert noch, überwuchert von Pflanzen.« Er hielt kurz inne, schien zu überlegen, wie viel er erzählen wollte, und rieb nachdenklich die großen Hände aneinander.

      Wie er da so saß, wirkte er auf Kacey beinahe zugänglich und menschlich. Er wollte sich zu ihm setzen, seine Hand berühren, sein schönes Gesicht…

      »Es gibt dieses Ritual, Kacey, um die Toten zurückzubringen, doch um sie ins Leben zurückzurufen, braucht man vier lebendige, aber leere Gefäße.

      Zuerst verstand Kacey nicht, doch als er Riaths bedeutsamen Blick bemerkte, stockte ihm entrüstet der Atem. »Du meinst, er müsste vier Seelen rauben, um vier sterbliche Hüllen zu haben.«

      »Genau das meine ich.« Riath nickte. »Aber Xaith versucht, den Spruch umzuwandeln, er will die Seelen in vier Dracheneier pflanzen.«

      Xaith versuchte, den Spruch umzuwandeln… Die vielen Experimente, das Durchstöbern der Bibliothek der Akademie, deswegen war Xaith hier gewesen!

      Kacey rieb sich unwillkürlich den Hals. »Du sprachst von einem hohen Preis.«

      Schwermütig nickte Riath. »Der Priester sagte, dass niemand je dieses Ritual vollzog, weil in den Schriften steht, dass nicht der, der das Ritual einleitet, entscheidet, wer zurückkommt. Es heißt in der Prophezeiung, der, der das Ritual vollzieht, darf drei Seelen zurückbringen, doch er muss auch einer vierten Seele das Leben schenken, die derjenige aussucht, der auf der anderen Seite wartet.«

      Kacey hob verwirrt die Hand, um Riath zu unterbrechen. »Der, der auf der anderen Seite wartet?«

      Riath hob die breiten Schultern. »Sie dachten, es sei der Tod, doch wir wissen, dass die Unterwelt abgeschnitten und Onkel Zazar vermutlich gefangen ist. Wir wissen nicht, wer oder was die vierte Seele aussucht, und was dadurch in unsere Welt gebracht wird.«

      Riath rieb die Hände über die Schenkel, als wären sie schwitzig. »Der Priester sagte auch, nach dem Ritual kämen sieben Jahre Sonnenschein über die Heimat derer, die aus dem Tod zurückkehren, doch danach würden auch sieben Zeitalter lang nur eine kalte, schwarze Sonne scheinen, Monster würden aus dem Boden kriechen und über das Volk herfallen.« Riath suchte Kaceys Blick, wirkte hart und doch betroffen. »Sieben Zeitalter lang Dunkelheit, Kälte und Monster über Nohva. Nur weil ich versäumt habe, meinen Bruder in seiner verzweifelten Trauer zu helfen. Nur weil ich … Sarsar in den Abgrund stieß.«

      Kacey wusste nicht, was er sagen sollte, er öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder betroffen. Ihn fröstelte es, wenn er an die Ausmaße dessen dachte, was ein einziger Zauber heraufbeschwören konnte.

      »So gerne ich auch meinen Vater zurückhätte…«, Riath starrte auf seine Finger, die er gewissenhaft knetete, »und so gerne ich mich wieder mit meiner Schwester messen würde… So gerne ich vieles wiedergutmachen würde. Ich kann ihn das nicht tun lassen, er würde alle Magier zum Tode verurteilen, sie würden uns alle dafür hassen. Außerdem ist unsere Welt von allen anderen Welten abgeschnitten, nur so konnten wir das Portal schließen. Zazar, Cohen, Vater… sie gaben ihre Leben dafür. Was, wenn Xaith diesen Schutzschild einreißt und dadurch noch mehr Risse verursacht, die noch mehr fremde Götter anlockt?«

      Kacey wurde es eng in der Kehle, als er an das Portal dachte, das ihn ausgesaugt und fast umgebracht hätte, als er plötzlich inmitten von zerflossenen Leichen die gleichen grünen Augen erblickt hatte, die ihn auch jetzt ansahen, und ihn vom Tod weggerissen, ihn gerettet hatten.

      Riath und ihn verband mehr, als er Außenstehenden begreiflich machen könnte. Ja, Riath mochte ein Brudermörder sein, aber Riath hatte ihm auch mehr als einmal das Leben gerettet. Das machte seine Taten nicht wieder wett, aber es sorgte dennoch für ein besonderes Band zwischen ihnen, das man vielleicht nur dann verstehen konnte, wenn man selbst wie Kacey von Riath geliebt wurde.

      Er räusperte sich, um das beklemmende Gefühl abzuschütteln. Er spürte Riaths Blick auf sich, als erwartete der Prinz von Nohva eine bestimmte Erwiderung. Unwohl drehte Kacey sich um, ging um seinen Tisch herum und nahm den Kelch auf, den Riath ihm eingeschenkt hatte, während er den anderen abstellte. Er trank einen großen Schluck.

      »Ich muss ihn aufhalten«, erklärte Riath sich, »erst wenn ich ihn aufgehalten und ihn in Sicherheit gebracht habe, kann ich mich um alles andere kümmern. Melecay und der Schutz der Magier hängen mit Xaith zusammen, denn wenn er dieses Ritual durchführt, werden wir andern Zauberkundigen zu Gejagten, und Melecay würde sich dieser Jagd gewiss sofort anschließen, um mir und meinen Brüdern die Kehlen aufzuschlitzen.«

      »Warum ist Melecay hinter euch her? Hinter dir?«

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