Geliebter Unhold. Billy Remie
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Er hatte sich den Arsch aufgerissen, um allen zu beweisen, dass er mit großer Macht verantwortungsvoll umging. Er hatte nie mit seiner Magie gespielt, sie niemals eingesetzt, um schlicht zu imponieren. Er hatte seine Kräfte stets ernst genommen. Bücher gewälzt, nächtelang meditiert, es war ein Kampf gegen sich selbst gewesen, Gefühle und Kräfte gingen Hand in Hand, er musste lernen, beides zu kontrollieren, und das war das mit Abstand Schwerste, was er je erlernt hatte.
All die Mühe war am Ende doch vergebens, denn es genügte, dass er der Zauberei mächtig war, um seinem Volk Angst einzuflößen. Für viele Menschen in Nohva kam ein Hexenkönig nicht in Frage, es stand lange Zeit im Gesetz verankert, dass jemand wie er nicht über alle herrschen durfte.
Dass er dieses Gesetz kurzerhand außer Kraft hatte setzen wollen, aufgrund von Diskriminierung und weil es schlicht veraltet war, hatte den alten Säcken im Adel natürlich überhaupt nicht gepasst.
Aber er fing jetzt nicht an, deshalb rumzuweinen. Es führte zu nichts. Und zugegebener Maßen hatte er nicht gerade dazu beigetragen, den Konflikt friedlich zu lösen. Lange Zeit hatte er nur dagesessen und zugesehen, hatte die Gerüchte ertragen, gute Miene zu bösem Spiel, wie Wexmell es von ihm erbeten hatte. Am Ende brannten Städte, Fanatiker zogen Hexen allen Alters auf die Straßen, folterten sie, demütigten sie. Weshalb? Es genügte Angst und Hass gegenüber der Magie als Rechtfertigung für Mord. Riath hatte aufgehört, nur zuzusehen, hatte aufgehört zu glauben, mit guten Argumenten kämen sie gegen diese Volksverhetzer an, und er hatte zum Schwert gegriffen und seine Feinde entgegen jeden guten Rates niedergemetzelt, mit einer Armee, die ihm treu ergeben war, weil er den Namen seines Vaters trug. Er hatte Stahl und auch Magie gegen seine Gegner eingesetzt, sie zurückgetrieben, Zauberkundige befreit, gerettet, zusammengeführt. All das war sein Verdienst gewesen, er hatte Feuer gelöscht. Und doch war er es, der sich vor jedem Schatten in Acht nehmen musste, wie ein Verräter. Dabei war er der letzte Mann, der Wexmell verraten hätte.
Er wusste sehr genau, dass er alles andere als ein Opfer war und schlicht immer wieder das bekam, was er verdiente.
Das bedeutete aber nicht, dass er sich einfach damit abfinden würde. Nein, im Gegenteil, wenn ihm jemand ans Bein pisste, schlug er eben zurück. Das war immerhin sein gutes Recht.
Niemand konnte ihm weiß machen, ob gut oder böse, dass er sich ungestraft niederknüppeln ließ und dann liegen blieb, weil es für andere so besser wäre.
Er war nun mal nicht wie Wexmell, der sich für das Wohl aller selbst opfern würde, der immer das Gute in seinen Untergebenen sah, der immer alles vergeben konnte. Nun ja, fast alles. Und der immer den diplomatischen Weg einschlug.
Es gab so vieles, was sie entzweite, und doch dachte er jeden Abend und jeden Morgen an seinen Ziehvater, seinen König, und an seine Heimat. Er vermisste alles davon, doch wäre er geblieben, wäre er ein Heuchler gewesen, denn Wexmells Art zu regieren traf nicht mit seinen eigenen Überzeugungen überein. Sie dachten zu unterschiedlich und deshalb enttäuschten sie sich beide immer wieder gegenseitig.
Wexmell musste endlich die Augen öffnen und begreifen, dass er auf Riath hätte hören sollen.
Und er würde es begreifen. Bald.
Ganz sicher.
Definitiv.
»Mein Prinz?«
Riath drehte den Kopf, ein Sonnenstrahl fiel in das Zelt, und braune, treue Augen suchten besorgt das Innere ab, tasteten über die königliche Einrichtung, die massiven Möbel, die edlen Teppiche und Wandbehänge, suchten ihn an seinem Tisch, der leer war, da er noch nicht aufgestanden war.
Endlich fand Marks, Sohn von Lady Sigha aus dem Schwarzfelsgebirge, ihn unbekleidet und von einem dünnen Laken umhüllt auf seinem Lager liegen.
Marks straffte sich, nahm Haltung an, seine dunklen Schmalzlocken umspielten sein markantes Gesicht. Er war ein großer Mann in schwarzer Lederkluft und einem violetten Band, das er streng um seinen Oberarm gebunden hatte. Riaths Linke Hand, einer seiner engsten Vertrauten – und er wirkte nervtötend besorgt. »Mein Prinz, Ihr solltet frühstücken.«
Sollte er wohl. Nach wochenlanger Seefahrt, die ihn unentwegt zum Kotzen gebracht hatte, waren sie seit zwei Tagen endlich runter von diesem scheißschwankendem Schiff und hatten festen Boden unter den Füßen. Sein Magen fühlte sich noch immer flau an und er wusste nicht, ob er bereits etwas in sich behalten konnte, doch wenn er nicht bald aß, würden ihn seine Beine nicht mehr tragen.
Der einzige Grund, weshalb er noch immer im Bett lag, obwohl die Sonne schon seit Stunden am Himmel stand, und sich unnötigen Grübeleien hingab, war schlicht, dass er sich zu geschwächt fühlte, um sich aufzusetzen. Seine Beine waren wie knochenlos und sein Kopf war wie mit Wasser gefüllt, das ihn schwanken ließ, sobald er sich auch nur im Geringsten bewegte.
»Gibt es Blut?«, fragte er und blickte an die Zeltdecke, auf der sich wegen des Regens letzter Nacht – trotz, dass das Lager im dichten Urwald verborgen und von Baumkronen geschützt lag – dunkle, feuchte Flecken gesammelt hatten.
Marks ließ endlich den verdammten Zelteingang los, sodass der verirrte Sonnenstrahl ausgesperrt wurde. »Die Jäger haben einen Hirsch erlegt. Ein riesiges Vieh, sag ich dir. Ich kann dir einen Becher von ihm bringen, oder…« - er öffnete seine gepanzerte Armmanschette - »…du trinkst von mir.«
Riaths Mund verzog sich zu einem kühlen Grinsen. »Du hasst es doch, gebissen zu werden.«
»Du bist mein Prinz, ich würde einen Schwertstich für dich abfangen, ein paar Tropfen Blut sind nichts dagegen.« Er sagte das mit solch einer trockenen Selbstverständlichkeit, dass man ihn einfach lieben musste.
Riath drehte ihm den Kopf zu und bereute die Bewegung sofort. »Hirschblut klingt köstlich.«
Marks zog die Riemen seiner Manschetten wieder zu, sie klimperten hell. »Ich werde dir einen Becher organisieren, zusammen mit einem nahrhaften Frühstück.«
In der Zwischenzeit sollte er wohl versuchen, sich aufzusetzen. Auch wenn er es seinem Getreuen zutraute, dass er ihn wie einen Greis auf dem Sterbebett füttern würde, wollte er sich und ihm diese Peinlichkeit ersparen. Na ja, vor allem sich.
»Gibt es neue Meldungen?«, fragte er und lüftete das Laken. Scham? Kannte er nicht, vor allem nicht Marks gegenüber, neben dem er auch ungeniert pissen und scheißen ging.
»Mak traf soeben ein, aber seine Tasche war wie bei den letzten Malen leer.«
Verdammt. »Gut.« Nein, es war nicht gut, er nahm die Nachricht nur zur Kenntnis. Warum antwortete Kacey seit Wochen nicht?
»Auf Sari und auf Botschaften aus Nohva warten wir noch«, schloss Marks ab und beäugte Riath neugierig, während er nähertrat.
Das Zeltinnere schwankte und verschwamm, als Riath sich aufgesetzt hatte. Er petzte für einen Moment die Augen zusammen und massierte mit zwei Fingerspitzen seine Schläfe. Die schwüle Hitze war ein Graus, ein feiner Schweißfilm schimmerte auf seinen nackten, glatten Muskeln, er fühlte sich klebrig und unsauber, stank. Das Aufsetzen hatte seine Atmung angestrengt, seine