Geliebter Unhold. Billy Remie

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Geliebter Unhold - Billy Remie Chroniken der Bruderschaft 4

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und Sklavengesetze, Nachbarschaftsstreit, Töchter und Söhne, die ihre Väter wegen versuchter Zwangsheirat anklagten. Die Kaiserin vertrat ihren Gemahl – Kaceys leiblichen Vater – mit beneidenswerter Geduld. Nicht ein einziges Mal hatte Kacey sie schnaufen gehört oder gesehen, dass sie die Augen verdrehen musste, sie nahm alle Belange ernst und ließ nicht zu, dass sich auch nur der kleinste Bürger ungehört fühlte, selbst dann nicht, als ein Tuchmacher sich über die Abwasserentsorgung beschwerte, da er kostengünstiger an Urin zu gelangen versuchte, um seine Stoffe einzufärben.

      Kacey war an diesem Tag froh, dass er eine farblose, traditionelle Toga trug und keine seiner eingefärbten, aus Seide und Damast bestehenden, aufwändigen Magierroben. Natürlich wusste er, wie gewisse Stoffe zu gewissen Farben kamen, doch so genau wollte er nichts über den Prozess hören.

      Kaiserin Ari wurde hin und wieder von einem spärlich bekleideten Diener mit einem weichen Tuch abgetupft, Zofen wedelten ihr etwas Luft zu und zupften ihre aufwendig geflochtene Frisur zurecht, während sie sich alle Belange Stunde um Stunde anhörte und Entscheidungen fiel. Sie war eine zierliche, hochgewachsene Frau, mit langen, braunen Haaren, durch die sich silberne Strähnen zogen, wie vom Mondschein angestrahlte Flüsse durch einen düsteren Wald. Sie war wunderschön, besaß kaum Falten, doch darüber hinaus war sie auch klug und stark, ihr Körper unter dem silbernen Seidenkleid war gestählt, denn einst war sie eine Kriegerin gewesen. Genau wie ihr Gemahl Eagle, und genau wie Kacey, stammte sie aus Nohva und besaß runde Ohren. Die Kaiserkrone von Elkanasai hatte Eagle durch seinen Vater erhalten, König Wexmell Airynn von Nohva, der nach seiner Wahl zum Kaiser die Bürde an seinen Sohn übertragen hatte, um in Nohva an der Seite seines mittlerweile gefallenen Gefährten Desiderius zu regieren.

      Es war und würde immer das größte aller politischer Wunder in ganz Elkanasai darstellen, dass Wexmell Airynn, Erbe eines anderen Königreiches, zum Kaiser der Spitzohren gewählt worden war, nur auf Grund der Tatsache, dass er war, wie er war. Gerecht, Aufopfernd, dem Frieden zugeneigt, und sich nicht vor Dämonen fürchtete. Aber zuvorderst natürlich, da durch ihn ein Bündnis mit dem gefährlichen Carapuhr und seinem rachsüchtigen König ausgehandelt werden konnte.

      Manchmal war die stärkste Waffe, die man im Kampf um eine Krone besaß, die Bündnisse, die man fähig war, einzugehen.

      Kacey wusste über die Geschichte der großen Reichen fast alles, über den Krieg in Nohva, den Kampf gegen die Dämonen, den blutigen, jahrzehntelangen Krieg zwischen Elkanasai und Carapuhr. Er hatte die Geschichte studiert.

      Nach seiner Kindheit in Zadest, wo seine Mutter mit ihm während der Dämoneninvasion hin geflüchtet war und wo er als magischer Sklave in den Frauenstämmen gelebt hatte, abgeschottet vom Rest der Welt, hatte er alles über die anderen Reiche erfahren wollen, hatte wissen wollen, was alles geschehen war, wissen wollen, wovon er so lange keinen blassen Schimmer gehabt hatte.

      Ihm war es wichtig gewesen, Versäumtes aufzuholen, die Reiche zu kennen, mit denen er nun zu tun hatte. Immerhin war er der Bastard des Kaisers und er war ein Airynn. Er hatte wissen wollen, was es bedeutet, diesem Haus anzugehören, hatte seine Vorväter verstehen wollen, die Geschichte seines Geschlechts – und allen, die damit verbunden waren.

      Man hatte ihm als Kind seine Magie abgezapft, um damit ein Götterportal zu speisen, er war wie eine Kuh gemolken worden. Noch heute zierte eine kreisrunde Narbe seine Stirn, die ihn als magischen Sklaven auszeichnete. Nur ein Objekt. Zwar hatten sie ihn nie körperlich misshandelt, doch nachdem seine Mutter gestorben war, war er in seiner Zelle vereinsamt, weshalb er es noch heute kaum ertrug, allein in einem stillen Raum zu sitzen, und sich eigentlich immerzu danach sehnte, von jemanden berührt zu werden. Und sei es nur eine Hand, die auf dem Markt flüchtig und ungewollt die seine streifte. Er brauchte das, weil er nur dann zu atmen vermochte. Doch das verbarg er gut hinter einem immerzu frohen Lächeln, und indem er sich in die Arbeit stürzte.

      Die offensichtliche Narbe auf seiner Stirn verdeckte er durch einen goldenen Reif. Gedankenverloren berührte er das Schmuckstück, während einer der Stadtverwalter über das Eintreffen einiger Händler sprach, und wie er deren Stände auf dem großen Markt der Stadt unterzubringen gedachte, welche anderen Händler er zu verjagen bevorzugte, da sie ihre Pacht seit zwei Monden nicht mehr gezahlt hatten, und allerlei.

      Warum dachte Kacey ausgerechnet jetzt über die Vergangenheit nach? Etwas hatte ihn darauf gebracht, er wusste nur nicht genau, was es war. Vielleicht hatte ihn die Langeweile und die tristen Gespräche dorthin abschweifen lassen.

      Ha, von wegen. Er machte sich etwas vor, die Vergangenheit war stets präsent, immer unter der Oberfläche, das spürte er in allem was er tat und dachte, wonach er sich sehnte. Sie bestimmte ihn, ob er das wollte oder nicht.

      Doch in diesem speziellen Moment war er darauf gekommen, weil er Ari angesehen und ihre stolzen, starken Gesichtszüge bemerkt hatte, wie sie genau wie Eagle handelte und immer die Interessen ihres Mannes durchsetzte, selbst in seiner Abwesenheit, da er zurzeit noch in Carapuhr verweilte. Sie waren so ein starkes Paar, so verliebt, eine Einheit, trotz vieler Schicksalsschläge und trotz verlorener oder weggelaufener Kinder. Sie hatten immer einander, selbst wenn sie nicht gerade im selben Raum – oder auch nur im selben Land – waren.

      Und so kleinlich es in dieser schwierigen Zeit auch war und es gewiss tausend andere Dinge gab, die wichtiger waren als das, aber verdammt noch mal, er sehnte sich nach dem, was sein Vater mit Ari hatte. Liebe, Zuneigung, Vertrauen, Nähe.

      Besonders Nähe, selbst wenn man sich räumlich fern war.

      Etwas, das ihm irgendwie immer verwehrt war.

      Unwillkürlich dachte er an Xaith, und …

      Nein! Er schloss die Tür zu dieser Erinnerung und hing ein dickes Schloss davor.

      Genug davon, sagte er sich und brachte sich mit einem lockeren Kopfschütteln zurück in die Gegenwart.

      Der Verwalter endete gerade, und Ari gab ihr Einverständnis mit einem knappen Nicken, auch über ihren Hals lief nun der Schweiß. Kein Wunder, es war bereits Nachmittag und die Sonne hatte ihren höchsten Punkt überschritten. Die Hitze hatte den Boden aufgeheizt und die heißesten Stunden des Tages brachen an. Trotzdem war die Versammlung nicht vor dem Abend zu ende.

      Kacey seufzte, griff nach seiner Tasse und trank von dem kalten Tee. Er hätte längst einen frischen ordern können, doch seine Diener schwitzten selbst, trotz ihren leichten Leibchen, und er traute sich nicht, den Arm zu heben, da er den Schweißfleck unter seiner Achsel fürchtete. Sein Nebenmann saß nämlich dicht an seiner Schulter.

      Endlich kamen die Tagesthemen zu den für ihn wichtigen Belangen, zu den Magiern, und Kacey durfte im Namen der Akademie seine Stimme erheben. Ari nickte ihm mit einem Lächeln zu, sie hatte ihn mit Wohlwollen in ihre Familie aufgenommen und ein gewisser Stolz funkelte in ihren Augen, als sie ihn aufforderte: »Oberster Magister Kacey, als neuer Leiter der Akademie besitzt Ihr das Wort. Bitte erhebt Euch.«

      Kacey stand auf, alle Blicke lagen auf ihm. Schon lange machte ihn das nicht mehr nervös, er war so oft bei Versammlungen vorgetreten, um seine Meinung kundzutun, hatte Zustimmung und Abweisung geerntet, dass es für ihn so normal geworden war wie der tägliche Gang zum Abort.

      »Verehrte Lords und Ladys, Räte, Stadtverwalter, Gutsbesitzer und weitere«, er las von seinen Notizen ab, schob Blätter knisternd auseinander und faltete dann die Hände vor dem Bauch. »Ich spreche heute für alle Magier und es besteht Grund zur Sorge. Ich weiß, dass die Kaiserin und der Kaiser alles in ihrer Macht stehende tun, um uns zu schützen, doch nach dem letzten Angriff, habe ich große Zweifel.« Er pausierte kurz, sah dabei auf, fuhr dann fort. »Ihr wisst sicher alle, was ich getan habe, und ich stehe dazu und erwarte, wenn gewünscht, meine Strafe. Deshalb spreche

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