Geliebter Unhold. Billy Remie

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Geliebter Unhold - Billy Remie Chroniken der Bruderschaft 4

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einmal selbst verteidigen müssen!«

      »Wer stirbt, wie viel Ernte es gibt und wessen Kind lebt oder nicht, bleibt allein den Göttern überlassen«, konterte der Mann mit der strengen Miene. »Das ist nun mal das Gesetz der Natur!«

      Und so etwas von einem Elkanasai, der ohne die Magie wohl kaum sein Alter erreicht hätte – oder einfach Glück gehabt hatte.

      »Verzeiht«, sagte Kacey beherrscht und kummervoll zu ihm, »aber das würdet Ihr bestimmt nicht sagen, hättet Ihr eine Frau oder ein Kind bei der Niederkunft verloren. Oder andere Angehörige, die zu früh aus der Welt schieden, weil die Pest sie holte.«

      Nun erntete er laute Zustimmung, denn viele im Raum hatten gewiss schon einmal von der Magie profitiert und dank ihrer ein Familienmitglied aus dem Griff des Todes gerettet.

      Er konnte nicht fassen, was er da hörte, wie kalt und ignorant diese Bürger sein konnten. Ein wenig begriff er Riaths Wut, er hatte das Gefühl, mit bloßer Vernunft und Logik gegen Wände zu laufen, oder gar noch mehr Misstrauen zu wecken.

      Der Rat und die Kaiserin hatten zu ende beratschlagt. Als Ari ihre Hand zu einer beruhigenden Geste hob, verstummten alle Anwesend schlagartig. Als hätte das ganze Chaos nie stattgefunden.

      »Danke, Oberster Magister Kacey«, sagte die Kaiserin mit ihrer samtenen Stimme ruhig zu ihm und bedeutete ihm, sich zu setzen.

      Kacey strich die weite Toga glatt und nahm Platz.

      Ari übernahm das Wort. »Was die Frage angeht, ob wir die Magier brauchen oder nicht, lautet die Antwort natürlich ganz klar Ja, dies kann ich bereits verkünden, liebe Anwesenden. Denn was wären wir ohne die Magie, sie ist Teil dieser Kultur, sie brachte uns den Fortschritt und sie sorgt für unsere Gesundheit und dafür, dass wir nicht Hunger leiden.« Sie ließ die Worte wirken, und Kacey sah sich aufmerksam um, entdeckte missgünstig verzogene Münder, aber hörte keinen Einspruch, denn Ari sagte die schlichte Wahrheit, ohne Magie lebte das Kaiserreich nicht.

      Dann fuhr sie fort: »Und natürlich brauchen unsere Magier einen Ort, an dem sie leben und ihre Fähigkeiten studieren können. Einen Ort, an dem sie sicher sind. Es ist kein Gefängnis und das soll es auch nicht sein, es soll eine Zuflucht sein.«

      Aber das war sie nicht mehr, dachte Kacey bitter, er fühlte sich dort selbst nicht mehr sicher.

      Ari sah ihn an, ihr Blick war streng. »Dies berücksichtigend, gestatten wir das von Euch heraufbeschworene Kraftfeld.«

      Er konnte seinen Ohren kaum trauen, blinzelte, bevor er begriff. »Danke, Eure Majestät«, brachte er hervor und wandte sich mit einem erleichterten Auflachen an seine Kollegen.

      »Doch«, sprach Ari weiter, und obwohl ihre Miene streng wirkte, sah er auch das Mitgefühl und die unausgesprochene Entschuldigung in ihren sanften Augen, »habt Ihr, Oberster Magister, Eure Position ausgenutzt, um Schüler dazu zu bringen, ein Verbot zu missachten.«

      Er fühlte, wie seine Freude dumpfer Leere wich, sein Gesicht wurde ernst.

      »Du hast ohne unsere Erlaubnis«, fuhr sie im vertrauterem Tonfall fort, »und ohne unseren Rat gehandelt. Obgleich wir die Dringlichkeit deines Vorgehens verstehen und deine Ehrlichkeit schätzen. Dennoch müssen wir alle Fakten berücksichtigten, und du hast etwas Verbotenes getan, wenn auch in guter Absicht. Wir verhängen eine Geldstrafe, die Summe wird vom Rat aufgesetzt und schriftlich an dich übermittelt.«

      Glücklicherweise war Kacey durch seine Bücher und Forschungen recht wohlhabend, und Geld bedeutete ihm ohnehin nichts, aber noch glücklicher konnte er sich schätzen, dass das Kaiserreich ein zivilisierter Ort war, denn in anderen Ländern hätte man ihn wohl zu dreißig Peitschenhieben verurteilt. Oder einem halben Jahr Zwangsarbeit.

      Er legte eine Hand auf seine Brust und neigte dankbar den Kopf vor der Kaiserin und dem Rat, der aus vier alten Greises mit kleinen, verschlagenen Augen bestand. Ihm war wohl bewusst, dass er die milde Strafe seiner Stiefmutter zu verdanken hatte.

      »Über deinen Antrag berät der Rat mit dem Kaiser nach seiner Rückkehr.« Ari musste wieder eine Hand heben, weil Zwischenrufe laut wurden. Sie ebbten sofort wieder ab, wie Mäuse, die sich im Stroh versteckten, wenn sich die Katze noch einmal umdrehte. »Es ist ein heikles Thema, das ist uns allen bewusst, der Rat und der Kaiser werden sich darüber viele Gedanken machen und alle Sichtweisen in Erwägung ziehen, liebe Anwesenden. Ich appelliere aber noch einmal an die Menschlichkeit, wir wollen uns alle sicher fühlen, und nach allem, was die Magier seit Jahrhunderten für uns tun, sollten wir ihnen weiterhin Respekt zollen, so sehr ihre Fähigkeiten den ein oder anderen auch das Fürchten lehren. Wir sind alle gleich und wir haben alle ein Recht auf Unterstützung und Verständnis.« Sie winkte ab, bevor jemand Einwand erhob. »Diese Angelegenheit ist vertagt. Ashen, nächster Tagespunkt!«

      Ashen, des Kaisers fleißiger Schreiberling, hakte mit einer Schreibfeder einen Punkt auf seiner Liste ab und las dann vor: »Nächster Punkt: Steuererhöhung für Politiker zu Gunsten der Gutsbesitzer.«

      Der Tumult, der daraufhin losbrach, erweckte den Glauben, die Kaiserhin hätte verkündet, das Balg eines Dämons zu erwarten und das Kaiserreich der Unterwelt auszuliefern.

      Kacey schweifte gedanklich ab und war nur noch körperlich anwesend. Er griff zu Feder und Tinte und kritzelte unleserlich die Skizze eines überfälligen Briefes auf die Rückseite seiner Notizen.

      Er wusste nicht, ob er ihn abschicken würde, doch der Wille dazu war seit Beginn der Versammlung deutlich gewachsen. Er hatte sich selten so allein und machtlos gefühlt.

      Nicht einmal als Sklave.

      ~2~

      Die Kanalisierung großer Magie über eine weite Entfernung hinweg konnte einen gewöhnlichen Magier auslaugen bis zum Herzstillstand.

      Einen gewöhnlichen Magier.

      Nicht den dunklen Prinzen. Und doch spürte natürlich auch er die große, mentale Anstrengung überdeutlich. Es war, wie nach einer langen, kräftezehrenden Krankheit zu erwachen und festzustellen, dass die Muskulatur abgebaut hatte, Beine und Arme sich wie flatternder, haltloser Stoff anfühlten, nicht wie Gliedmaßen. Wenn der Schwindel im Kopf zunahm, sobald man sich aufsetzte. Und wenn man Hunger hatte, aber bereits eine Keule Fleisch den Magen rebellieren ließ.

      Immerhin schien das Blut zu helfen, das Marks ihm stündlich bringen ließ. Mit einem weiteren Tag Verspätung gelang es Riath dann endlich, aufzustehen und sich ein Hemd und eine Hose überzuziehen. Dafür hatte er den verdammten Schneesturm in Carapuhr allerdings loslassen müssen. Vermutlich klarte das Wetter im Norden bereits auf, was bedeutete, der Kaiser würde seinen Rückweg antreten.

      Doch Riath glaubte ohnehin, dass Eagle längst Boten geschickt hatte, die das Kaiserreich über die »Wahrheit« informiert hatte. Anders konnte er sich Kaceys Schweigen nicht erklären.

      Er musste ihn persönlich sprechen, es war höchste Zeit. Doch wenn ihn jemand in der Stadt erkannte, würde er wohl im Kerker und am Ende vor dem Henker landen. Dieses Mal, da war er sich absolut sicher, würden sie ihm den Kopf abschlagen. Da der letzte Angriff auf sein Leben nicht von Erfolg gekrönt gewesen war.

      Nein, wenn er sich in der Stadt blicken ließe, müsste er zuvor einige Verbündete an Land gezogen haben.

      Gedankenverloren strich er mit den Fingerspitzen über seine Narbe, die sich als hauchdünner

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