Männerrock. Holger Hähle

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Männerrock - Holger Hähle

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mit einem verkürzten etwa wadenlangen Rock. Trotzdem erregte ihr Entwurf heftigen Widerstand. Ihre Frauenhose mit Rock wurde in den Medien lächerlich gemacht. Frauen, die darin auf die Straße gingen, wurden belästigt. Der Widerstand war so massiv, dass Amelia Bloomer ihre Bemühungen nach einigen Jahren aufgab (17).

       Abb. 01: Bloomer-Kostüm

      Hosen waren damals das Privileg der Männer. Sie waren das Symbol ihrer Herrschaft. Gott hatte Adam erschaffen. Eva war ein Produkt aus ihm. Sie war aus einer Rippe Adams gemacht. Außerdem steht in Martin Luthers Übersetzung des Altem Testaments, dem Wort Gottes, bei 5. Moses 22,5: „Ein Weib soll nicht Mannsgewand tragen, und ein Mann nicht Weiberkleider antun, denn wer solches tut, der ist dem Herrn, deinem Gott, ein Greuel.”

      Zum einen war das Mannsgewand der alten Israeliten keine Hose, sondern ein Kleid, wie z. B. bei 2. Moses 28, 2 nachzulesen ist: Und sollst Aaron, deinen Bruder, heilige Kleider machen, die herrlich und schön seien.” Und zum anderen wollte Amelia Bloomer gar nicht die Hosen der Männer bei den Frauen einführen. Sie hatte doch eine eigene Pluderhose, die von Männern nicht getragen wurde, entworfen und diese auch noch mit einem Rock kombiniert. Der Unterschied zwischen ihrem Bloomer-Kostüm und den Herrenhosen ihrer Zeit war sicherlich markanter, als zwischen den Kleidern der Frauen und Männer der alten Israeliten. Das von allen Hebräern getragene Hemdgewand Kthoneth unterschied sich nicht im Schnitt. Unterschiede gab es nur bei den Farben, Verzierungen, Drapierungen und Gürteln.

      Trotzdem wurde die Frauenhose der Feministin als Angriff auf die patriarchalische wie göttliche Ordnung empfunden. Das konnten gläubige Männer auf keinen Fall hinnehmen. Interessant ist, dass die Auslegung der Bibel sich in über 100 Jahren geändert hat. Heute tragen sogar katholische Nonnen gelegentlich Hosen. Dazu gehören auch Jeans, die vom Schnitt her nicht anders sind als genau die Jeans, die ursprünglich Männern vorbehalten waren. Offensichtlich war Amelia Bloomer ihrer Zeit weit voraus.

      Eine Gesellschaft reagiert auf Normabweichler mit Sanktionen, weil unterstellt wird, dass der Abweichler nicht hinter den Werten der Gesellschaft steht. Man sieht sein Verhalten als zersetzend an. Es bestehen Bedenken, dass, wenn das Verhalten Nachahmer findet, gesellschaftliche Standards unterlaufen und aufgelöst werden könnten. Veränderungen des gesellschaftlichen Gefüges können das Zusammenspiel einer Gemeinschaft beeinträchtigen. Das kann sich zum Ungunsten einer Teilgruppe auswirken. So entstehen durch Veränderungen Interessenskonflikte, die immer auch Machtkonflikte sind (18).

      Leider wird selten geprüft, ob die Unterstellungen gegenüber Abweichlern auch zutreffend sind. Oft sind es schiere Vorurteile. Schon bei den oben erwähnten Studien zu gepiercten Personen konnte gezeigt werden, dass es zwischen der Normabweichung beim Körperschmuck und der Persönlichkeit keinen signifikanten Zusammenhang gibt. Kein Manager, der bei heißem Wetter die Krawatte ablegt, ist faul und verliert damit seine Fachkompetenz. Und auch das Interesse an Röcken für Männer muss eben nicht in Zusammenhang mit einer sexuellen Identität oder Orientierung stehen, sondern kann einfach nur praktischen oder ästhetischen Motiven geschuldet sein.

      Trotzdem werden Männer in Röcken denunziert und stigmatisiert. Daran beteiligt sind auch einige Christen, obwohl Gott im ersten Buch Moses Adam und Eva nach deren Sündenfall in Röcke kleidete. Im dritten Kapitel der Lutherübersetzung lautet der Vers 21: Und Gott der Herr machte Adam und seinem Weibe Röcke von Fellen und kleidete sie.” Selbst wenn Martin Luther mit Röcken den mittelhochdeutschen (mhd.) Begriff roc gemeint haben sollte, wäre das keine Hose, sondern nach damaligem Standard ein einer Tunika ähnliches Schlupfkleid. In der neuen evangelistischen Übersetzung wurde der Begriff Röcke gegen Gewänder ausgetauscht. An anderen Bibelstellen wurde der Begriff Rock gegen Hemd ausgetauscht. Sollen damit Assoziationen vermieden werden, die den heutzutage weiblich konnotierten Rock mit der biblischen Männermode feminisierend verbinden könnten?

      Das Beinkleid aus der Lutherübersetzung entspricht am ehesten unserem heutigen Verständnis von einem beide Beine umhüllenden Rock. Trotzdem wurde auch dieser Begriff in der neuen evangelistischen Übersetzung ausgetauscht, diesmal gegen Kniehose. Die Entscheidung ist nicht nachvollziehbar, denn weder bei den Israeliten noch bei den Nachbarvölkern wie Babyloniern und Ägyptern, konnte die Forschung Hosen nachweisen.

      Neben die Frage, was mit den Bibelversen originär gemeint war, die niemand wegen der vielen Überarbeitungen und Übersetzungen mit Sicherheit beantworten kann, tritt die Frage, ob es sich bei den Versen überhaupt um Gesetze im juristischen Sinne handelte, die exakt zu befolgen waren. Im alten Orient folgte die Rechtsprechung allgemein dem Gewohnheitsrecht und Präzedenzfällen. Gesetzesbücher waren lediglich Unterrichtstexte zur Schulung. Die Bücher Moses waren in diesem Sinne keine modernen Gesetzbücher, sondern Lehrbücher, die die Rechtsprechung unterstützten. Die Gebote waren Richtlinien, die für einen konkreten Präzedenzfall interpretiert werden mussten.19 Das macht der Bibeltext auch selbst schon, wenn z. B. die zehn Gebote im zweiten Buch genannt und im dritten Buch mit anderen Worten ausgelegt werden. Wäre das anders, dann stünde beispielsweise das Gebot „Du sollst nicht töten“ im Widerspruch zu 4. Mose 31,7: Und sie führten das Heer wider die Midianiter, wie der Herr dem Mose geboten hatte, und erwürgten alles, was männlich war.“

      Röcke, Kleider, Beinkleider und Gewänder sind die Kleiderkategorien von denen der Gott der Bibel immer wieder spricht. Das entsprach im Altertum der gängigen Mode für alle Menschen im Nahen Osten, inklusive der Männer.

      Wer den Vatikan besucht, kann noch heute dort viele Priester sehen, die mit einer schwarzen Soutane bekleidet sind. Die Soutane ist im Gegensatz zu historischen Kleidern, die meist weite Gewänder waren, ein im modernen Sinne „echtes“ Kleid, das aus einem auf den Körper geschneiderten, engeren Oberteil und einem weiten Rock- bzw. Schoßteil besteht, der bei der Soutane knöchellang ist.

      Besonders homophobe Menschen reagieren bisweilen massiv auf den Männerrock. Sie glauben, der Stil mache schwul und gefährde die traditionelle Moral. Tatsächlich spiegelt die noch kleine Männerrockbewegung statistisch die demografische Struktur der gesamten Gesellschaft wider. Über 90 % der Männer im Rock sind heterosexuell. Der Rock macht Männer genauso wenig schwul, wie die Hose Frauen lesbisch macht. Aber noch in den 1970er Jahren wurde die oben erwähnte Bundestagsabgeordnete Lenelotte von Bothmer wegen ihrer Hosenanzüge als „Mannweib“ diskreditiert (15).

      03 Sexus und Gender in Kultur und Mode

      Menschen haben ein Geschlecht. Ihm kommt in sozialen Gemeinschaften eine besondere Bedeutung zu, die sich in kulturellen Kategorien mit ihren spezifischen Anforderungen und Symbolen ausdrückt. Eine Trennung von biologischem und kulturellem Geschlecht ist sinnvoll, weil deren Entstehung und Ausbildung unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten folgt. Sexus und Gender können sich gegenseitig beeinflussen, wenn z. B. eine gesellschaftliche Forderung nach muskelösen Männern besteht und die Männer entsprechend trainieren und damit auch größere Muskelmassen erreichen als die nicht trainierenden Frauen. Ich bevorzuge zur Beschreibung dieser beiden Seiten geschlechtlicher Identität die englischen Bezeichnungen, weil sie kürzer und prägnanter sind. Geschlechtlichkeit spielt in allen Gesellschaften eine herausragende Rolle, die alle Kulturen entscheidend prägt.

      Das biologische Geschlecht

      Sex (lat. sexus) ist die englische Bezeichnung für das biologische Geschlecht. Gemeint ist damit die geschlechtsspezifische Anatomie und Physiologie mit ihren primären und sekundären Geschlechtsorganen, wie sie sich nach dem

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