Eine Studentin. Peter Schmidt
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In Brusthöhe hing ein schwarzer Kasten mit ausziehbarer Antenne, etwa so groß wie eine Zigarettenschachtel. Die Beschriftung auf der Blechwand lautete:
IMPULSGEBER
Unter dem Brustbein des Affen befand sich ein röhrenartiger Drehverschluss mit Schlauchverbindungen zu einem Ständer, an dem mit Flüssigkeiten gefüllte Beutel hingen.
Eine Vorrichtung, deren Zweck Carolin zunächst nicht verstand – bis sie begriff, dass der Rhesusaffe künstlich ernährt wurde …
„Schauen wir uns einmal den Nucleus accumbens im Affengehirn an“, sagte Hollando.
Er deutete mit dem Zeigestock auf seine Stirn oberhalb der Brauen, da wo gläubige Hindus einen roten Punkt tragen, das sogenannte energetische „dritte Auge“.
„Wie bei uns Menschen ist dieses nur erbsengroße Organ neben den Mandelkernen ein zentraler Bereich der Emotionen. Die Vermutung liegt also nahe, dass Eingriffe sowohl positive wie negative Gefühle beeinflussen könnten.
Unsere ersten Versuche waren noch recht primitiv. Wir injizierten Dopamin – im Volksmund auch Glückshormon genannt. Indem ich dabei die jeweils aktiven Bereiche per Bildschirmanalyse immer genauer identifizierte und einengte, entdeckte ich nahe beim Nucleus accumbens dann die Gen-Struktur des Toggle-Switchs.
Tatsächlich lässt sich dieser Schalter durch Dopamin und Stresshormone beeinflussen.
Doch die Wirkung ist zu ungezielt. Wie bei einer manisch-depressiven Reaktion geraten wir, je nachdem, einmal in Ekstase mit überbordenden Glücksgefühlen oder in tiefste Depression und Verzweiflung …“
Hollando schwieg und blickte fragend in die Runde, ob ihm alle folgen konnten.
„Mein zweiter Versuch bestand darin, den Schalter mittels sogenannter optogenetischer Methoden zu beeinflussen, wie sie unter anderem von meinem amerikanischen Kollegen Deisseroth entwickelt wurden.
Optogentik befasst sich mit der Kontrolle von Zellen durch Licht. Ihre Aktivität kann mit blauen Laserblitzen anregt und mit gelbem Licht gedrosselt werden.
Blaues Licht führt zu mehr Dopamin – also auch positiven Gefühlen – und höherer Aktivität im Nucleus accumbens. Gelbes Licht erzeugt weniger Dopamin.
Nur reagierte der Gen-Schalter nicht wie erhofft mit einer Reduzierung negativer Gefühle. Weniger Dopamin über Inaktivierung durch gelbe Lichtimpulse führte nicht auch zu weniger Suchtverhalten.
Sie erinnern sich? Das war meine ursprüngliche Intention! Sucht wird durch Lernvorgänge in realen Belohnungssituationen so stark verfestigt, dass schon der bloße Gedanke an das Sucht auslösende Objekt wieder zu einer Steigerung von Dopamin und zwanghaften Motivationen führen kann …“
„Ähnlich, wie bei starken Rauchern?“, fragte Reck.
„Ja, der Zwangsmechanismus ist bei jeder Sucht der gleiche. Ob Sex oder Esslust, Alkoholismus, Drogen oder Neigung zum Sadismus.“
„Sind Versuche an Rhesusaffen denn überhaupt vergleichbar mit Ergebnissen im menschlichen Gehirn?“, erkundigte sich Carolin.
„Meine erste menschliche Versuchsperson war eine chronisch Schmerzkranke, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch leidend, die sich freiwillig zur Verfügung stellte“, sagte Hollando. „Sozusagen als letzte Möglichkeit, um ohne dauernde Schmerzmedikamente von ihrem Leidenspegel herunterzukommen. Also eigentlich wie geschaffen für unsere Experimente mit dem Gen-Schalter. Und das Ergebnis war frappierend …
Leider genügt es nicht, wenn man die wirksamste Variante finden will, nur bestehende Schmerzen herunterzufahren. Dazu ist es erforderlich, auch künstlich starke Schmerzen zu erzeugen, um das genau Maß der Grenzwerte zur die Kontrolle von Schmerzen zu ermitteln.“
„Aber dafür wird sich kaum jemand freiwillig zur Verfügung stellen?“, fragte Carolin.
„Das ist ein Manko unserer Forschung“, bestätigte Hollando. „Ein fast unüberwindliches Manko sogar. Wir verfügen nun einmal nicht über genügend Versuchspersonen. Man kann Menschen verständlicherweise nur schwer dazu bringen, sich die Schädeldecke öffnen zu lassen, um ihr Gefühlszentrum zu manipulieren.“
„Weil die Angst vor starken Schmerzen zu groß ist?“
„Auch wegen unkalkulierbarer Risiken.“
„Aber positive Gefühle durch Dopamin fallen nicht darunter?“
„Glücklicherweise entdeckte ich bei meinen Versuchen an Affen einen anderen Weg. Der entscheidende Schritt war, anstelle von hormonellen Injektionen oder Lichtbeeinflussung elektrische Signale einzusetzen. Allerdings nicht wie bei der alten Elektroschocktherapie. Wir wollen keinen Krampfanfall auslösen, sondern beeinflussen mit minimalen Stromimpulsen unseren genetischen Schalter.
Dazu wird ein winziger Impulsgeber, nur etwa doppelt so groß wie eine Linse, ins Gehirn implantiert. Stellen Sie sich die Technik ähnlich wie bei einem Herzschrittmacher vor. Je nach Impulsstärke lässt sich so beeinflussen, ob der Gen-Schalter aktiv oder inaktiv ist.
„Handelt es sich um ein ähnliches Verfahren wie bei der Transkraniellen Magnetstimulation?“, fragte Carolin.
„Nein, einfache Magnetfelder haben sich nicht als präzise genug erwiesen.“
„Und lässt sich die negative Emotionalität nur herunterfahren oder auch verstärken?“
Professor Hollando hielt inne und warf ihr einen überraschten Blick zu.
„Gute Frage, Carolin – ja, wenn wir durch unseren Impulsgeber die Aktivität negativer Gefühle zunächst auf Null absenken und dann extrem schnell auf einen höheren Wert hochfahren, entsteht proportional zur Höhe des Impulses auch mehr Negativität.“
„Also mehr Angst oder Schmerz?“
„Auch Unbehagen, Verstimmung, Depression. Der Kern des negativen Fühlens ist immer gleich, dabei wird sogar derselbe Bereich im Gehirn genutzt, wie man aus der Hirnforschung weiß.“