Eine Studentin. Peter Schmidt
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Читать онлайн книгу Eine Studentin - Peter Schmidt страница 12
„Oh, dieser Fall, ja … ich habe davon in den Zeitungen gelesen.“
„Glauben Sie, dass durch Profiling Schlussfolgerungen möglich wären, in irgendeiner Weise auf den Täter zu schließen? Auf seine Schwächen und Motive? Auf seine Sicht des Lebens? Vielleicht sogar auf seine Identität?“
„Sie meinen, auch für Prognosen, wie er sich weiter verhalten wird?“
„Zum Beispiel, ja.“
„Seltsamer Zufall, das Parea liegt von St. Maria Magdalena gar nicht weit entfernt …“
„Auch die Frauen wurden alle in der näheren Umgebung aufgegriffen, unten am Fluss oder Stausee. Als gäbe es da irgendeine seltsame Affinität zum Wasser. Das macht es alles nur noch mysteriöser …“
„Ich weiß wirklich nicht, ob ich Ihrem Bruder helfen kann. Versprechen Sie sich also nicht zu viel. Aber sei’s drum. Darf ich Sie mit dem Taxi abholen lassen?“
Carolin war nervös wie ein Teenager beim ersten Date, als seine Taxe vor dem Restaurant hielt …
C. H. musste sie durch die Scheiben gesehen haben, denn er kam eilig aus dem Lokal und zahlte beim Fahrer, ehe sie widersprechen konnte.
„Das war doch nicht nötig …“
„Einladung ist Einladung. Ich bin leider momentan nicht motorisiert und für einen eigenen Dienstwagen nicht mobil genug. Wahrscheinlich wirkt da immer noch das karge Leben in der Klosterzelle nach …“
Hollando lachte und legte vorsichtig seinen Arm um ihre Hüften.
Dann steuerte er zielstrebig auf einen Tisch nahe der Veranda zu, dessen Blick in Richtung Tal ging.
„Ich liebe Palisanderholz“, sagte er und strich mit der Handfläche über die rötliche Tischplatte. „Möglichst massiv.“
Während des Essens war er ausgesprochen charmant. Ein richtiger Dampfplauderer, dachte Carolin. Was für ein Mann! Gebildet, zuvorkommend, aufmerksam, einfühlsam. Falls die Frauen bei ihm Schlange standen, dann ließ er sich das nicht anmerken.
„Haben Sie eigentlich nie daran gedacht zu heiraten, Professor?“
„Die Ehe ist wohl eher so etwas wie ein Trick, eine Irreführung der Natur, um Nachkommen zu zeugen, indem sie uns über nette Beziehungsgefühle motiviert. Die nutzen sich allerdings schnell ab – anders als Angst vor Einsamkeit …
Aber je nachdem, wie Sie als Mensch emotional gestrickt sind, lenkt die Tandem- statt Single-Variante uns leicht von wichtigen Zielen ab, erst recht, wenn man einen interessanten Job hat. Stattdessen müssen wir ständig Auskunft geben, ob Sauerbraten oder Nudeln, Meer oder Berge, Mallorca oder Bayern. Das verbraucht Energie und kostet Kraft.“
„Es gibt bisher vier Opfer“, sagte Carolin, als ihnen der Wirt Grappa zum Nachtisch reichte, und breitete ein paar Fotos auf dem Tisch aus. „Elisabeth Herschel, Nonne, inzwischen verstorben, Vanessa Roth, Mannequin, Erika Haard, Frauenrechtlerin und Manuela Winters, eine Kommilitonin – alle ohne Gedächtnis. Doch so weit ich mich auch in der einschlägigen Literatur umsehe, finde ich keinen Hinweis darauf, wie man gezielt das Gedächtnis auslöschen kann, ohne dabei auch die Sprachfähigkeit und andere kognitive Funktionen zu beeinträchtigen.“
Professor Hollando nahm jedes Bild einzeln zur Hand.
„Nicht besonders aussagekräftig“, sagte er. „Besser wäre es, wenn ich die Opfer mal persönlich in Augenschein nehmen könnte.“
„Das würden Sie für Robert tun?“, fragte Carolin. „Seine Ermittlungen treten nämlich auf der Stelle.“
„Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten, entweder physisch auf das Gedächtnis einzuwirken – das setzt spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten voraus – oder mental.
Bei einer professionellen Gehirnwäsche wird die Identität des Opfers ausgelöscht, es soll jede Erinnerung an sein früheres Leben vergessen. Das geschieht durch Isolation, fehlende Reize der Außenwelt, Dunkelheit, ständige Folter und Demütigungen. Das Krankheitsbild entspricht danach einer dissoziativen Störung.“
„Forscht man nicht inzwischen auch daran, durch Stimulation bestimmter Hirnbereiche völlig neue Erinnerungen zu schaffen?“
„Richtig, ja. Aber bisher ist das erst bei Mäusen gelungen. Die hatten danach Vorlieben für einen bestimmten Ort. Und solche künstlich geschaffenen Erinnerungen blieben ebenso stabil wie echte Erfahrungen.“
„Glauben Sie, dass der Täter den Frauen nur deshalb ihr Gedächtnis genommen haben könnte, um sie nicht töten zu müssen?“, fragte Carolin.
„Damit es keine Zeugen für seine Tat gibt? Ja, das wäre denkbar, ungewöhnlich zwar, aber möglich.“
„Und warum sollte er Skrupel haben, sie zu töten?“
„Keine Ahnung, gute Frage …“
Carolin nahm Erika Haards Foto zur Hand. „Schauen Sie mal, wenn man das Bild schräg ins Licht hält, sieht man an der Haut über ihrem rechten Ohr einen schwachen bläulichen Streifen. Könnte der von einer Schädelöffnung herrühren?“
„Möglicherweise, ja. In der Vertiefung hinter dem Ohr ist ein leichterer Zugang zum Gehirn.“
Professor Hollando winkte dem Kellner und zahlte. Wenig später kam der Chef des Restaurants mit zwei in Geschenkpapier eingeschlagenen Flaschen Grappa an ihren Tisch.
„Sonderabfüllung als kleines Dankeschön, dass wir heute einen so berühmten Gast bei uns begrüßen durften …“
Draußen am Wagen öffnete Hollando die Tür, verbeugte sich und küsste galant Carolins Hand – nur so leicht, dass seine Lippen gerade ihren Handrücken berührten. Beim Einsteigen beugte er sich zum Fahrer hinüber und flüsterte ihm etwas zu, das sie nicht verstand.
Fahren wir zu dir oder zu mir, Cesare?, dachte sie. Mal sehen, was er sich einfallen lässt …
Während der Fahrt saß er ruhig neben ihr und blickte gedankenverloren hinaus