fürchtete, ihre Wünsche im eigenen Hause zu äußern. In späteren Jahren kam sie mit dringenden Anliegen zu mir, damit ich sie bei Rosa Vorbringen solle: „Du mußt ihr das sagen, mir würde sie nur widersprechen“. Ich hatte nämlich, als ich gereift war, einen immer stärkeren Einfluß auf meine Schwester gewonnen, ohne mich im mindesten darum zu bemühen. Ich will nur einen solchen Fall erzählen: Als die Silberhochzeit unseres ältesten Bruders herannahte, hatte meine Mutter den dringenden Wunsch, sie in unserm Hause zu feiern, weil wir die schönsten Festräume hatten, während die beschränkte und mit altem Hausrat vollgestopfte Mietwohnung des Silberpaares keineswegs für eine solche Feier geeignet war. Sie wußte wohl, welche Arbeit und Mühe Rosa damit auf sich nehmen mußte, und vor den Verhandlungen mit der Schwiegertochter graute ihr selbst am meisten, weil sie deren Art so schlecht ertragen konnte. Aber sie hielt es für eine Pflicht der Liebe und Gerechtigkeit gegen ihren ältesten Sohn. Ich konnte ihr das gut nachfühlen und wußte es auch meiner Schwester begreiflich zu machen. Die Einwände waren ihr vom Gesicht abzulesen, aber sie sprach sie nicht aus und fügte sich ohne weiteres. Der Vorschlag wurde gemacht und mit großer Dankbarkeit angenommen. Ich konnte der Feier selbst nicht beiwohnen, weil ich beruflich ferngehalten wurde. Nach den Berichten muß sie schön und friedlich verlaufen sein. Wie es kam, daß meine so viel ältere Schwester sich von mir so willig leiten ließ und daß ihr Weg schließlich in meinen mündete, das muß ich später im Zusammenhang berichten.
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