New York City and Me. Cornelia Gräf

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New York City and Me - Cornelia Gräf

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Trab hielt, versuchte die andere auf die Frage des älteren Herrn zu antworten. Ich dachte zwar „Was hat das denn hier für einen Sinn nach etwas Konkretem zu suchen?“, wollte aber nicht unhöflich sein und fragte: „Do you have anything by Diana Krall?” Er nuschelte irgendetwas Unverständliches, ich stand aber auch immer noch wie angewurzelt zwei Schritte von der Tür entfernt, er saß immer noch auf seinem Hockerchen. Ich fügte hinzu: „The jazz singer, piano player…” Er nuschelte wieder etwas, erhob sich und verschwand hinter weiteren Bergen von CDs um zehn Sekunden später mit zwei CDs in der Hand wieder aufzutauchen. Ob ich das Best of oder die neueste CD wolle. Ich glaube, ich habe geschaut wie ein Auto, wurde aber langsam zutraulicher und näherte mich dem komischen Kauz. „Best of…”, stammelte ich. Er reichte mir beide CDs und ließ seinen Blick über die CD-Wand neben sich schweifen. Eigentlich hätte er noch eine dritte da. Da sei er sich sicher. „But we’ve got so much stuff coming in.” Ach nee, das hätte ich jetzt selber gar nicht gemerkt. Ich kam mir immer noch vor wie im Film und lächelte einfach nett. Dann nuschelte er mich weiter zu. Ich entnahm daraus, dass er mitteilen wollte, dass die Künstlerin meiner Wahl mit Elvis Costello verheiratet sei. Immer gut zu wissen. Und dass er nicht so viel da hätte aus dem Bereich, sondern mehr Mainstream. Ach ja, okay alles klar. Sollte ich mich doch mal nach Britney Spears sehnen, weiß ich jetzt also auch, wo ich hin muss: in die Lower East Side, das Mainstream-Viertel schlechthin (Ironie off). Ich meinte dann, ich würde beide CDs nehmen und er bugsierte mich, dabei mich weiterhin unaufhörlich freundlich zutextend, Richtung Ausgang. Denn dort, wenn man es wusste und genau hinschaute, war die Kasse. Ich fragte, ob ich ein Foto seines Geschäfts machen dürfe. Yes, yes. Und dann nuschelte er gleich noch viel begeisterter los. Ich hörte raus, dass er erst kürzlich interviewt wurde für eine Dokumentation über den Wandel der Lower East Side. Jaja, alles geht den Bach runter. So Geschäfte wie seines gäbe es ja kaum noch (das kann ich mir lebhaft vorstellen!), die erbarmungslosen Mieten vertrieben alle. Alles ändere sich. Ich nicke mitfühlend. Bill begleitet mich, nachdem ich meine CDs bezahlt habe, vor die Tür. Er wolle mal schauen, was heute so draußen los ist. Er blickt nach rechts und links. Ach es sei ja gar nichts los heute. Die Leute kämen gerade alle von den Feiertagen zurück, es seien ja jetzt jüdische Feiertage gewesen und da sei es hier immer ruhiger. Na denn, wenn Bill das sagt, muss es ja stimmen. Ich bedanke mich für die Hilfe und verabschiede mich. Er strahlt mich an: „I’m open every day. So if you need something just drop in.” Ich laufe die Avenue entlang, schüttele den Kopf und freue mich über diesen so typischen, so wunderbaren New-York-Moment. Und vielleicht…vielleicht erobert die LES ja doch noch mein Herz.

      Hin und her und kreuz und quer

      Es ist Montag. Noch eine Woche Schonfrist, dann geht mein internship los. Laut MTA (Metropolitan Transportation Authority, also der hiesige ÖPNV) gibt es drei Möglichkeiten, um zu meiner Praktikumsstätte im German House an der United Nations Plaza zu kommen. Welche davon am besten und praktischsten ist, wollte ich diese Woche unter realen Bedingungen testen. Um pünktlich bei der Arbeit zu sein, sollte ich – so entnehme ich es dem online trip planner – um 8.00 Uhr das Haus verlassen. Ich wache auf, die Uhr zeigt 7.38 Uhr. Och nöööö! Jetzt schnell schnell machen und hetzen? „Iwoooo, bleib liegen. Das bringt doch jetzt nichts. Außerdem hast du doch noch Urlaub”, säuselt mir mein innerer Schweinehund ins Ohr. Überzeugende Argumente. Ich bleibe liegen und drehe mich nochmal um. Auaaa, mein Nacken. Das fühlt sich nicht gut an. Habe ich mir jetzt einen Zug geholt? Ich werfe dem Fenster des Grauens einen giftigen Blick zu.

      Irgendwann erahne ich zwischen den Lamellen des Rollos die Sonne draußen. Das schlechte Gewissen meldet sich und ich schlüpfe aus den Federn, ab ins Bad und angezogen. Ich entscheide mich heute für einen schwarzen Jumpsuit mit Lederjacke. Ein bisschen edel, ein bisschen rockig. Passt. Los geht’s. Fünf Schritte aus dem Haus raus. Oh ganz schön frisch. Naja, das wird sicher gleich wärmer und ich bin noch müde. Zehn Schritte aus dem Haus. Uuuh der Wind weht ganz schön und der Stoff ist doch dünner als ich dachte, aber jetzt nochmal umkehren? Nee, in der Sonne schwitze ich sicher gleich wieder. Also laufe ich zur U-Bahn-Station. Heute teste ich die Route über die L-line bis zur 1st Avenue, die ich dann mit dem Bus entlang fahre. Die Bushaltestelle ist bestens ausgeschildert und da steht der Bus auch schon. Ich flitze hin und werde nun zum ersten Mal auf dieser Fahrt Zeuge eines Vorgangs, bei dem ich nur – positiv – staunen kann. Eine Rollstuhlfahrerin möchte mitfahren. Das Szenario bei meinem heimischen Verkehrsbetrieb: Der Busfahrer drückt auf einen Knopf, um das Gefährt abzusenken, gegebenenfalls klappt noch eine Rampe aus. Dann schaut er desinteressiert, gelangweilt bis genervt in der Gegend herum, bis der Rollstuhlfahrer es irgendwie in den Bus und an den Platz geschafft hat. Das gleiche Szenario hier: Der Fahrer fährt und begleitet die Dame an den dafür vorgesehenen Platz und schaut, dass der Rollstuhl sicher steht. Er erkundigt sich bei seinem Fahrgast, wo sie denn aussteigen möchte, geht zurück zur Eingangstür, klappt die Rampe hoch, setzt sich an seinen Platz und bittet die übrigen Fahrgäste herein. Bei der Zieladresse der Frau hilft er ihr ebenso selbstverständlich wieder aus dem Bus heraus. Das Ganze wiederholt sich auf der zwanzigminütigen Fahrt zweimal. Nun ist dieser Fahrer kein Typ, der suuuuuper fröhlich-freundlich zu jedermann ist, aber das gehört ganz selbstverständlich zu seinem Job.

      Im Bus selber, dessen Ziel in East Harlem ist, haben sich an diesem Morgen hauptsächlich ältere Herrschaften jeglicher ethnischer Herkunft eingefunden. Das einzige Englisch, das ich auf der Fahrt höre, stammt von den Computer-Bandansagen, die mitteilen, dass man an den hinteren Türen aussteigen solle. Je näher der Bus den United Nations kommt, desto mehr Polizeikräfte und Straßenabsperrungen sieht man draußen. Denn, tadaaa, morgen beginnt die einwöchige General Assembly, also die große Generalversammlung der Vereinten Nationen, wo alle Großen und Mächtigen dieser Welt auftreten. Das haben die (oder ich?) ja super getimt. Ich steige aus dem Bus – huuuui pfeift hier der Wind! Der Reißverschluss an der Lederjacke wird gleich mal ein bisschen höher zugezogen. In einem größeren Bogen laufe ich Richtung Vereinte Nationen und German House. Polizei und sonstige Sicherheitskräfte wohin das Auge blickt. Ich versuche ganz lieb und unschuldig zu schauen (denn das bin ich ja auch!), habe aber trotzdem das Gefühl wahrscheinlich schon von fünf Kameras aufs Korn genommen worden zu sein und die CIA hat wahrscheinlich auch schon ein Profil meiner Schrittgeräusche erstellt, um mich den Rest des Tages durch die Stadt verfolgen zu können. Doch dann stehe ich plötzlich vor meiner künftigen Arbeitsstätte. Ein komisches Gefühl. Überhaupt ist gerade alles komisch: Ich befinde mich in einer Hochsicherheitszone, rund 100 Meter weiter wehen die Fahnen vor den Vereinten Nationen, davor Sicherheitskräfte, dicke Sicherheitskarossen und Überwachungsinstallationen. In dem Gebäude neben mir werde ich ab nächster Woche ein- und ausgehen. Alles irgendwie sehr surreal. Außerdem ist mir kalt. Verdammt kalt. Ich stehe ein bisschen unschlüssig rum. Dann hole ich doch schnell die Fotokamera raus und mache hastig Bilder. Oje oje, was denken die denn, wer ich jetzt bin und was ich hier treibe? Ich rechne jeden Moment damit, dass mir ein bis an die Zähne bewaffneter Sicherheitsmann von hinten auf die Schultern tippt und streng kuckt. Aber nichts passiert. Ich laufe um die Ecke und schaue, wo ich ab Januar wohnen werde. Laut Google Maps sind es dann 150m bis zur Arbeit. Google Maps hat Recht. Es sind wirklich nur wenige Schritte. Die Straße ist zwar nicht ganz so idyllisch wie jetzt in Chelsea, aber wenn im Januar und Februar die Schneestürme kommen, ist mit Idylle eh nicht mehr viel und ich bin froh, wenn ich nur kurz um die Ecke huschen muss und da bin. Und vielleicht hat diese Wohnung ja dann sogar Fenster, die ich selbstständig bedienen kann?!

      OK, den Punkt auf der To-do-Liste hätten wir abgehakt. Wohin jetzt? Die eine Hälfte in mir möchte sich ein bisschen die Gegend anschauen, die andere Hälfte friert und möchte heim. So ist das mit Sternzeichen Zwilling: Immer diese zwei Seelen in einer Brust – ein Spaß! Beide Hälften handeln den Kompromiss aus, dass wir zur nächsten U-Bahn-Station laufen und uns dabei die Gegend anschauen. Wieder eine Straßenecke weiter. Ja was haben wir denn da? Einen Supermarkt. Direkt um die Ecke. Ich kann nicht widerstehen. Ja, das lässt sich doch gut an. Schon wenige Meter nach dem Eingang wird deutlich, dass man nur einen Katzensprung von den United Nations entfernt ist. Regal reiht sich an Regal mit internationalen Spezialitäten, geordnet nach Ländern. Löwensenf

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