Die ersten drei Jahre Eurokrise. Arne Kuster

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Die ersten drei Jahre Eurokrise - Arne Kuster

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      1. Juli 2011, aktualisiert

      Seit Beginn der Finanzkrise 2007 gibt es einen Zahlungsmittelabfluss aus den PIIGS-Staaten unter anderem nach Deutschland. Olaf Storbeck rechnet in seinem nun online erschienenen Handelsblatt-Artikel nach und kommt zu dem Schluss, dass dieser Abfluss nicht überwiegend aus dem nach wie vor vorhandenem Leistungsbilanzdefizit der PIGS-Staaten resultiert, also nicht daraus, dass die PIGS-Staaten nach wie vor mehr importieren als exportieren. So bleibt als weitere Möglichkeit Kapitalflucht.

      Tatsächlich räumen etwa die Griechen ihre Konten bei den unsicheren heimischen Geschäftsbanken, um das Geld lieber in Deutschland anzulegen. Der befürchtete Bankenansturm findet, still und leise, bereits statt. Dabei läuft der Weg der griechischen Gelder nach Deutschland über die Deutsche Bundesbank. Sie überweist den Betrag an die deutsche Zielbank (z.B. an die Commerzbank). Im Gegenzug erhält die Bundesbank eine Forderung an die EZB. Die EZB wiederum bekommt eine Forderung gegenüber der griechischen Notenbank, die ihrerseits eine Forderung an die griechische Geschäftsbank, von der die Gelder abgezogen wurden, in ihre Bücher schreibt.

      Im Normalfall sollten sich die Forderungen und Verbindlichkeiten der einzelnen Notenbanken an die EZB ausgleichen. Das ist aber nun seit Beginn der Finanzkrise nicht mehr der Fall. Die PIIGS-Staaten bekommen weder durch Kredite noch durch Exporte genügend Zahlungsmittel rein. Und während sie im Soll stehen, hatte die Bundesbank bereits bis Ende Juli 2012 ein enormes Plus von 727 Milliarden € angehäuft.

      Wenn man einmal den Weg der Forderungen durchgeht (bitte vorletzten Absatz noch einmal langsam lesen), dann erkennt man: Das System hängt zunächst an der Zahlungsfähigkeit der griechischen Geschäftsbank. Und falls die nicht mehr gegeben ist, hängt es an der Qualität der Sicherheiten, die diese griechische Geschäftsbank ihrer Notenbank für den Kredit gegeben hat. Denn die Zentralbanken verteilen ja nicht einfach so die Euros, sie verlangen normalerweise Sicherheiten.

      Und hier liegt der Hund (oder besser: der Euro) begraben. Trotz der Schuldenkrise werden nach wie vor z. B. griechische Anleihen als Sicherheiten akzeptiert, Anleihen die von den Märkten teilweise nur noch als Müll angesehen werden.

      Nun verweist EZB-Chefvolkswirt Stark in einem Zeit-Interview auf die Abschläge, die die Notenbanken für solche Sicherheiten berechnen und sagt: “Es ist Vorsorge getroffen worden.” Wir werden sehen. Die Glaubwürdigkeit der EZB ist angekratzt, seitdem sie selbst griechische Schrottanleihen aufgekauft hat. Für Wirtschaftsblogger, -journalisten und -wissenschaftler sollten es daher jetzt darum gehen, die Risiken der EZB-Bilanz genauer abzuschätzen.

      Andererseits entwertet die Tatsache, dass nun schon über 700 Milliarden € in die PIIGS-Staaten geflossen sind, die Debatte über die Euro-Rettungsschirme. Sofern über einen Rettungsschirm offizielle Kredite nach Griechenland gegeben werden, fließen der griechischen Notenbank von außen wieder Zahlungsmittel zu und ihr Target-2-Defizit reduziert sich. Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität EFSF und der Europäische Stabilisierungsmechanismus ESM (wie die Rettungsschirme offiziell heißen) ersetzen also zum Teil nur die Target-2-Kredite durch neue Kredite.

       Target 2 – Eine Debatte über die Schieflage des Eurosystems

      14. Februar 2012

      Halten wir noch einmal fest: Über die Targetkonten fließt (fast) der gesamte Zahlungsmittelverkehr zwischen den Eurostaaten. Wird z. B. Geld von Griechenland nach Deutschland überwiesen, etwa weil ein griechischer Mercedes-Importeur die ihm gelieferten Autos bezahlt, verringert sich auch das Targetkonto der griechischen Nationalbank, während sich das der Deutschen Bundesbank erhöht. Genau umgekehrt, wenn Geld von Deutschland nach Griechenland fließt. Letzteres kommt aber immer seltener vor, so dass das Targetkonto der griechischen Nationalbank tief im Minus ist, während die Bundesbank ein Guthaben in dreistelliger Milliardenhöhe angehäuft hat.

      Dummerweise kann nun die Bundesbank über ihr Guthaben nicht frei verfügen. Es kann nur zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs innerhalb der Eurozone gebraucht werden. Hier gibt es aber keine Verpflichtung der anderen Euro-Zentralbanken, ihr Defizit irgendwann einmal abzubauen. Sie haben durch Target 2 einen zeitlich und wertmäßig unbegrenzten Dispokredit und das zu einem sagenhaft günstigen Zinssatz von aktuell 1 %.

      Wer das Target-2-System soweit verstanden hat, kann kaum noch argumentieren, die dort angehäuften Beträge seien zum Nutzen Deutschlands. Mark Schieritz versucht es im Blog Herdentrieb trotzdem. Siehe seine Artikel “Hatte Hans-Werner Sinn doch recht?” und “Target 2 – Versuch einer Bilanz“.

      Schieritz verneint zunächst zusätzliche Risiken aus den Targetsalden. Die Risiken des EZB-Systems (für die die Bundesbank mithaftet) würden sich allein aus der Verteilung seiner Ausleihungen ergeben.

      Aber wenn 9,6 % der Kredite der EZB nach Griechenland gehen (Stand Ende Januar), dann ist das weit oberhalb der 2,6 %, die Griechenlands BIP am BIP der Eurozone ausmacht. Folglich steht diesen Krediten kaum Wirtschaftskraft gegenüber. Das bedeutet Risiko.

      Ein besonderes Target-2-Risiko kommt jedoch hinzu. Denn wenn Griechenland aus dem Euro austritt oder die griechische Nationalbank zahlungsunfähig wird, dann sind die gesamten 98 Milliarden € gefährdet, die die Nationalbank Griechenlands über Target 2 im Minus ist. In den Target-2-Salden wird das systemisches Risiko der Eurozone virulent; ein Risiko, das größer ist als die bloße Addition der einzelnen Kreditrisiken.

      Schieritz tut ferner so, als ob die Ursachen für die Target-2-Defizite der Südländer (einschließlich Frankreichs) unklar sind. Sowohl ein Leistungsbilanzdefizit als auch Kapitalflucht würden als Ursache in Frage kommen.

      Das entspricht der oben dargestellten Argumentation von Olaf Storbeck. Sie vergisst aber: Ohne die Möglichkeit zu Target-2-Defiziten gäbe es aktuell überhaupt keine Möglichkeit für die Südländer, ihr Leistungsbilanzdefizit aufrecht zu erhalten. Denn private Kapitalgeber, um es zu finanzieren, finden sich nicht mehr. Insofern muss tatsächlich das gesamtes Leistungsbilanzdefizit der PIIGS-Länder über Target 2 finanziert werden.

      Schieritz Rückzugslinie ist, darauf zu verweisen, dass die Leistungsbilanzdefizite der Südländer die Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands sind und bei uns zusätzliche Arbeitspätze schaffen. Lediglich bei absoluter Vollbeschäftigung in Deutschland würde der Exportüberschuss zulasten des heimischen Konsums gehen.

      Das Problem an Schieritz’ Argumentation ist die Definition von Vollbeschäftigung. In unserem Zusammenhang ist nicht erst eine sehr niedrige Arbeitslosenquote relevant, (die es in einigen Regionen Deutschlands aber gibt). Relevant ist, dass die Kapazitäten kurzfristig nicht erweitert werden können. Dies ist aber das Problem in vielen Branchen, sei es aufgrund von Rohstoffknappheit,

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