Die ersten drei Jahre Eurokrise. Arne Kuster
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Doch gerade die Schlagzeile “Griechische Wirtschaft fällt auf Drittwelt-Niveau” fiel im Web auf fruchtbaren Boden . Da ließ sich eine dramatische Meldung zu leicht mit der persönlichen politischen Agenda verknüpfen. Bezeichnend etwa ein Tweet von Glamypunk: “Merkels Sparplan wirkt: Griechische Wirtschaft schrumpft auf Drittwelt-Niveau.”
Den Twitterern sei verziehen, da selbst der Züricher Tagesanzeiger sich nicht zu blöd war, die FTD-Überschrift zu übernehmen: “Griechenland fällt unter das Niveau von Entwicklungsländern“, titelte er.
Es gab allerdings auch Kritik im Web am FTD-Artikel – eher zaghaft bei egghat, durchaus deutlich von Jens Berger auf den Nachdenkseiten. Als Reaktion hat die FTD dem Artikel inzwischen eine neue Überschrift verpasst: “Dramatischer Wohlstandsverlust in Griechenland”. Wer korrigiert allerdings jetzt all die Retweets?
Die Eurozone ist kein optimaler Währungsraum im Sinne der Volkswirtschaftstheorie. Das heißt, im Durchschnitt ginge es Europa ohne Euro besser. Das schließt nicht aus, dass es trotzdem einzelne Profiteure gibt. Zumindest einen kann man identifizieren: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Obwohl Angela Merkel der Lösung der europäischen Schuldenkrise nicht näher gekommen ist, schneidet sie in Umfragen gut ab, gerade weil sie der Lösung der europäischen Schuldenkrise nicht näher gekommen ist.
Wie Angela Merkel von der Schuldenkrise profitiert
28. November 2011
Die CDU steht gut da. Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahlen wären, bekäme sie (laut einer repräsentativen Umfrage des ZDF-Politbarometers) 35 % der Stimmen. Das ist deutlich mehr als die Herausforderer von der SPD, die es lediglich auf 30 % bringen.
Angela Merkel steht gut da. In der Politbarometer-Umfrage bekam sie die zweitbeste Note unter den Spitzenpolitikern (fast gleichauf mit Peer Steinbrück). Vor allem sind inzwischen viele Bürger von ihrer Rolle in der europäischen Schuldenkrise überzeugt. 63 % finden, dass sie ihre Arbeit in der „Euro-Krise“ gut macht, deutlich mehr als noch Anfang Oktober. Damals waren es lediglich 45 %.
Das Umfrageergebnis verwundert zunächst, denn Angela Merkel ist bisher der Lösung der Krise keinen Schritt näher gekommen. Ganz im Gegenteil, die Anleger meiden inzwischen Staatsanleihen aus der Eurozone. Als Folge steigen die Renditen dieser Anleihen auf Rekordwerte. Gerade heute stieg z. B. die Rendite 10-jähriger italienischer Anleihen auf 7,3 %.
Auch wenn zu Panik kein Anlass besteht, die Entwicklung ist gefährlich. Hohe Zinszahlungen könnten die Eurostaaten in eine Schuldenspirale führen, aus der es kein Entkommen mehr gibt.
Man kann aber die guten Umfrageergebnisse Angela Merkels erklären. Vier Gründe:
1 Der deutsche Wähler kümmert sich nicht um Italien oder gar Griechenland (wie auch der italienische Wähler sich nicht um Deutschland kümmert). Von einem europäischen Staatsvolk sind wir weit entfernt. Eher ist das Gegenteil der Fall. Katastrophenreportagen aus Griechenland verstärken die Kontraste und lassen die Verhältnisse in Deutschland in einem milden Licht erscheinen. Angela Merkel profitiert. Damit sind wir schon beim nächsten Grund.
2 Europa ist von einer gemeinsamen europäischen Wirtschaftsentwicklung weit entfernt. In Deutschland konnten wir im Oktober mit 6,5 % eine so niedrige Arbeitslosenquote wie schon lange nicht mehr vorweisen. Südeuropa versinkt dagegen in einer Rezession. Und beides hängt zusammen. Fluchtgelder aus Südeuropa lassen die deutschen Zinsen niedrig und steigern die Investitionen.Dass Europa nur gemeinsam den Wohlstand sichern kann, das ist ein schönes Wort. Die momentane Realität in der Eurozone sieht anders aus. Der Rückgang deutscher Exporte nach Griechenland oder Portugal fällt nicht ins Gewicht, die niedrigen Zinsen umso mehr. Nüchtern kalkulierend folgt daraus: Es wäre im deutschen Wirtschaftsinteresse, wenn die Schuldenkrise auf gegenwärtigem Level andauert. Und tatsächlich hat Angela Merkel (bewusst oder unbewusst) genau dafür gesorgt.Die deutsche Wirtschaft profitiert seit 2 Jahren von der Schuldenkrise und Angela Merkel profitiert mit.
3 Nun ist klar, dass man die Krise nicht dauerhaft auf gegenwärtigem Level einfrieren kann. Dieses Einfrieren war ohnehin nur zu enormen Kosten möglich, siehe die Rettungsgelder für Griechenland, Irland und Portugal. Zudem steigt der Einsatz. Bald wird man womöglich zu Mitteln greifen, die zu einer Entwertung des Euro führen. Aber noch sind die Kosten nicht spürbar. Und der Wähler ist kurzsichtig. Angela Merkel profitiert.
4 Die Opposition versagt völlig, auf die Gefahren von Merkels Kurs hinzuweisen und bessere Alternativen aufzuzeigen. Die SPD beschränkt sich darauf, Eurobonds nicht auszuschließen. Etwas, was Angela Merkel wohlweislich auch nicht tut. Eine Watschen für Merkel und Rösler (wie die FTD schlagzeilt) sieht anders aus. SPD und Grüne vermitteln den Eindruck, nicht alles anders machen zu wollen als Merkel, aber vieles schlechter.
Angela Merkel profitiert.
Die Anleihekäufe der EZB
In den folgenden Kapiteln ereifere ich mich über die vielen falschen und unsinnigen Maßnahmen, die die Politik und die Europäische Zentralbank EZB seit Beginn der Eurokrise ausprobiert haben, um die Krise einzudämmen. Zu meinem eigenen Bedauern nehmen diese Kapitel, sechs an der Zahl, den größten Umfang innerhalb dieses Buchs ein. Die Reihe unsinniger Maßnahmen möchte ich mit den Käufen von Staatsanleihen durch die EZB beginnen.
Welche Risiken sich die EZB mit ihrem eigenen Programm zum Kauf von Staatsanleihen eingebrockt hatte, sah man bald.
22. Dezember 2010
Die nächste Abstufung der griechischen Staatsanleihen steht ins Haus. Die Rating-Agentur Fitch überprüft zur Zeit die Einstufung der Papiere und alles andere als eine Herabstufung zur spekulativen Anlage wäre eine Überraschung. Die beiden anderen großen Rating-Agenturen haben diesen Schritt bereits vollzogen.
Schlechte Nachrichten sind das nicht zuletzt für die Europäische Zentralbank EZB. Sie hat bislang 67