Die ersten drei Jahre Eurokrise. Arne Kuster
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Die Target-2-Salden sind nicht nur Symptom
20. März 2012
Mit einem Brief des Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann an EZB-Chef Mario Draghi nahm die Target-2-Debatte in den deutschen Wirtschaftsblogs erneut an Fahrt auf. Leider herrscht bei einigen Bloggern noch immer Verwirrung über den Zusammenhang von Leistungsbilanzdefizit und Target 2. Olaf Storbeck (Handelsblog) darf sich hier angesprochen fühlen.
Lieber Olaf, eine Korrelationen zwischen Target-2-Defizit und Leistungsbilanzdefizit der Europroblemländer wird von Hans-Werner Sinn nicht mehr behauptet. Ihr Fehlen beweist gar nichts. Es ist bekannt, dass die Target-Defizite der Europroblemländer genauso durch Kapitalflucht wie durch einen Importüberschuss wachsen können.
Entscheidend ist, dass die EZB nicht steuern kann, ob die Targetkredite für das eine oder das andere benutzt werden. Oder wie es Mark Schieritz als Antwort auf meinen letzten Blogbeitrag zu Taget 2 geschrieben hat: “Die EZB stützt Leistungsbilanzen, auch wenn sie Kapitalflucht kompensiert.” Hier bin ich mit Schieritz einer Meinung, auch wenn wir beide dann den Sachverhalt unterschiedlich bewerten.
Klar wird es, wenn man das Pferd von vorne aufzäumt: Wie finanzieren eigentlich die Griechen aktuell ihr Leistungsbilanzdefizit? In Abwesenheit privater (Netto-)Kredite aus dem Ausland kommen hier nur der Euro-Rettungsschirm und eben die Target-Salden infrage.
Derselbe Fehler wie bei Storbeck findet sich übrigens auch bei Kantoos. Kantoos irrt darüber hinaus, wenn er schreibt: “Die Target-Salden sind ein Symptom, nicht mehr.” Die Target-Salden sind zwar Symptom, aber auch mehr. Ich würde sie mit der Antriebswelle eines Kraftfahrtzeugs vergleichen.
Und damit bin ich schon bei Kantoos berechtigter Frage, welche Alternativen es denn zum heutigen Targetsystem gibt, der Gegenentwurf also.
Rein theoretisch könnte man sich eine Währungsunion ohne Targetsalden durchaus vorstellen. In einem solchen System ließe sich der ständiger Ausgleich im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr so organisieren: Meine Überweisung von Griechenland nach Deutschland kommt zunächst auf eine Warteliste. Sie wird erst dann ausgeführt, wenn irgendjemand durch eine gegenlaufende Überweisungen von Deutschland nach Griechenland das Geld für ihre Ausführung bereit gestellt hat.
Ich mag jetzt nicht ausrechnen, wie lange aktuell bei einem solchen System eine Überweisung von Griechenland nach Deutschland dauern würde. Wahrscheinlich zu lange für Kapitalflucht und wahrscheinlich zu lange für viele deutsche Exporteure, die darum ihr Griechenlandgeschäft einstellen würden. Die Antriebswelle Target 2 wäre abgekoppelt, die negative Dynamik damit unterbrochen. Die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit der Eurozonenstaaten könnte keine weiteren Ungleichgewichte erzeugen.
In den Europeripheriestaaten herrschte allerdings Mangelwirtschaft und darum mag eine andere Alternative wünschenswerter sein: Man begrenzt das maximale Targetdefizit eines Staates etwa auf das Bruttoinlandsprodukt von drei Monaten. Darüber hinaus gehende Salden müssen in kurzer Frist durch Übertragung realer Sicherheiten (etwa Gold) ausgeglichen werden. Kann oder will eine nationale Zentralbank diese Sicherheiten nicht leisten, scheidet sie aus dem Targetsystem aus. Das heißt aber: das Land scheidet aus der Währungsunion aus.
Sind die Target-2-Forderungen der Bundesbank eigentlich Kredite? Das verneinen Peter Bugold und Sebastian Voll von den Universitäten Jena und Leip zig sowie Olaf Storbeck in seinem Handelsblog . Damit tragen die drei allerdings zur maximalen Verwirrung bei. Im folgenden der notwendige Versuch der Entwirrung.
Target-2-Wortverdreherei: Ein notwendiger Versuch der Entwirrung
15. Mai 2012
Im Kern geht es mir um diese Sätze von Bugold und Voll:
Wenn es sich bei TARGET2-Forderungen tatsächlich um Überziehungskredite der Kernländer an die Peripherie handeln würde, so könnten sie jederzeit mittels Übertragung von gesetzlichem Zahlungsmittel vom Schuldner auf den Gläubiger getilgt werden. Das ist aber genau der Mechanismus, durch den diese Forderungen entstanden sind. Paradoxerweise könnte hier also eine „Tilgung“ mittels gesetzlichen Zahlungsmittels nur stattfinden, indem der Gläubiger (hier: die Überweisungen empfangende NZB) dem Schuldner (hier: die Überweisungen beauftragende NZB) Geld übergibt.
Fangen wir ganz klein an. Reden wir von dem Wirtschaftswurm und von Olaf Storbeck. Beide haben ein Girokonto bei der Sparkasse in Wurmhausen. Anfangs sind beide Konten ausgeglichen:
Wirtschaftswurm | Olaf Storbeck |
0 | 0 |
Nun treffen sich der Wirtschaftswurm und Olaf Storbeck zur Meisterschaftsfeier von Schalke 04 in Gelsenkirchen und bei der Gelegenheit zeigt Storbeck dem Wirtschaftswurm stolz die Schmucksammlung, die er von seiner Oma geerbt hat. Der Wirtschaftswurm ist begeistert und will die Sammlung haben. Und Olaf Storbeck ist tatsächlich bereit, sie für 600.000 € zu verkaufen. Kein Problem, denn der Wirtschaftswurm hat schon allein wegen seines Namens unbegrenzt Kredit bei der Sparkasse Wurmhausen.
Die Konten sehen nun (im zweiten Schritt) so aus:
Wirtschaftswurm | Olaf Storbeck |
-600.000 | +600.000 |
Etwas später hat der Wirtschaftswurm Geburtstag. Das ist ein toller Anlass für Geschenke. Olaf Storbeck weiß, was angemessen ist, und überweist 600.000€ an den Wirtschaftswurm.
Die Konten sind in Schritt 3 wieder ausgeglichen.
Wirtschaftswurm | Olaf Storbeck |
0 | 0 |
Und nun stellen wir uns mal vor, der Wirtschaftswurm wäre eigentlich die Griechische Nationalbank, Olaf Storbeck wäre tatsächlich die Deutsche Bundesbank und die Sparkasse Wurmhausen wäre in Wirklichkeit die EZB. Schließlich handelte es sich bei den Konten auch nicht um normale Girokonten, sondern um die viel diskutierten Target-2-Konten.
Bereits weiter oben (siehe „Target-2-Schieflage: Ursachen und Gefahren”) habe ich über das Target-2-System der Europäischen Zentralbank geschrieben und erklärt, wie es funktioniert. Alle grenzüberschreitenden