Die ersten drei Jahre Eurokrise. Arne Kuster
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Euro-Mythos: Ein Blick in die Geldbörse genügt
25. März 2011
SPON hat sich im Vorfeld des aktuellen EU-Gipfels viel Mühe gemacht, den Deutschen ihre Rolle als Zahlmeister Europas schmackhaft zu machen. So erklärt Sven Böll im dritten Teil seiner Euro-Artikelreihe, wie Deutschland angeblich ökonomisch vom Euro profitiert.
Seine Argumente sind nicht neu und werden durch die Wiederholung nicht besser. Im Wesentlichen sind es drei. Das erste: Sieben Jahrzehnte ohne Krieg bedeuteten auch sieben Jahrzehnte, in denen ungestört Vermögen gebildet und vererbt werden konnten.
Das Problem: Den Euro gibt es erst seit 1999 (als Bargeld sogar erst seit 2002). Die sieben Friedensjahrzehnte waren also größtenteils Jahrzehnte ohne Euro. Gerade der Euro ist aber dabei, sich zum Sprengsatz zwischen den europäischen Staaten zu entwickeln. So hat die Euro-Krise das Verhältnis zwischen Deutschen und Griechen stärker erschüttert als jedes andere Ereignis seit 1945. Glücklicherweise sind die Kriegshürden heute höher. Aber nach den Maßstäben des 19. Jahrhunderts läge schon längst ein legitimer Grund für einen deutsch-griechischen Krieg vor.
Das zweite Argument: Der Euro habe dafür gesorgt, dass Spanier, Griechen und andere eine ökonomische Perspektive in ihrem Land gegeben wurde und dass sie nicht mehr auswandern müssten.
Das Problem: Die Süd-Nord-Wanderung innerhalb Europas ging schon in den 70er und 80er Jahren zurück. Dies kann also nicht ursächlich auf den Euro zurückgeführt werden. Der Euro ist wieder dabei, die Verhältnisse umzukehren. Da Spanien, Griechenland und die anderen nicht ihre Währung abwerten können, um ihre Waren international wettbewerbsfähiger zu machen, müssen sie ihre Wirtschaft kaputt sparen. Als Folge wird es schon bald wieder Auswanderungswellen aus diesen Staaten geben. Das zeigt nicht nur die Wirtschaftstheorie, sondern auch die Erfahrungen mit der deutsch-deutschen Währungsunion.
Das dritte Argument: Deutschlands Exportwirtschaft profitiere vom Euro. Während die Exporte in den Euroraum zwischen 1990 und 1998 nur um 3 % pro Jahr wuchsen, stiegen sie 1999 bis 2003 um 6,5 % und 2003 bis 2007 sogar um 9 % jährlich.
Das Problem: Die Euroländer haben zwar eifrig deutsche Waren konsumiert, aber nur auf Pump. Und es hat sich gezeigt, dass sie ihre Schulden nicht abbezahlen können. Faktisch hat Deutschland seine Exporte teilweise verschenkt, siehe auch die Debatte um die Targetsalden. Profitieren kann man so nicht.
Dass für die deutschen Exporte nur wenig nach Deutschland zurückgeflossen ist, zeigt sich deutlich in der Entwicklung der Nettoreallöhne. Die sind seit Anfang der 90er Jahre kaum gestiegen und gingen von 2004 bis 2008 sogar zurück.
Ein Blick in die eigene Geldbörse genügt also, um festzustellen, dass Deutschland nicht vom Euro profitiert. Ein Blick auf SPON erübrigt sich.
Doch nicht nur auf SPON werden Mythen gepflegt.
23. Mai 2011
Der sonntägliche Presseclub in der ARD gehörte bislang zu den wenigen Talkshows, die inhaltliche Substanz zu bieten hatten. Die beiden letzten Runden, beide zum Thema Europa und Euro, waren da hoffentlich nur Ausreißer und geben keinen neuen Trend wieder. Schlimm waren weniger die platten Pro-Euro-Argumente. Schlimm war, dass sie unwidersprochen blieben.
In der gestrigen Runde tat sich vor allem Ulrike Guérot hervor. So sprach sie von einem „Wirtschaftswunder ohne Ende“. Dabei ließ sie sich offensichtlich von den flotten Sprüche des Ex-Wirtschaftsministers Brüderle inspirieren, zeigte sich aber wirklichkeitsresistent. Wie trostlos es in den ersten 10 Eurojahren tatsächlich mit dem Wirtschaftswunder Deutschland aussah, wissen treue Wirtschaftswurm-Leser ja bereits aus meinem Artikel „Wirtschaftswachstum mal langfristig“.
Selbst Henning Krumrey (ansonsten der überzeugendste Talker) schlug in dieselbe Kerbe: „Deutschland profitiert am stärksten vom Euro“, behauptete er. Wenn mit Deutschland die Anteilseignern der Exportindustrie gemeint sind, dann hat er zweifellos recht. Schon für die Angestellten der Exportindustrie trifft Krumreys Spruch aber kaum zu. Sie haben den Exporterfolg durch den Verzicht auf Reallohnsteigerungen erkauft.
Die Mehrheit der Deutschen hat sogar Nachteile vom Euro. Ihr Geld wäre in D-Mark mehr wert. Denn die D-Mark würde gegenüber europäischen wie außereuropäischen Währungen aufwerten und damit würden die Preise für Importgüter billiger. Das gilt für griechischen Wein, vor allem aber für Rohstoffe wie Erdöl und Gas. Die Deutschen hätten damit D-Mark übrig, um die Binnennachfrage anzukurbeln. Die steigende Binnennachfrage könnte sogar Rückgänge im Exportsektor ausgleichen.
Doch solche grundlegenden ökonomischen Zusammenhänge und Interessengegensätze wurden im Presseclub nicht erläutert. Ein Armutszeugnis für den versammelten Journalismus. Und so konnte Frau Guérot verkünden: „Wir sind uns einig: Es lohnt sich bisher.“
Wenn die Situation in Deutschland besser dargestellt wird, als sie ist, wird von Griechenland ein düstereres Bild gezeichnet, als notwendig. Und manchmal schleichen sich dabei eklatante Fehler ein.
Griechenland, die Dritte Welt und ein dicker Fehler nicht nur der FTD
15. März 2012, aktualisiert
Das war ja eigentlich eine ganz interessante Nachricht : 2009 erreichte Griechenland noch Platz 35 aller Staaten, gemessen am in Kaufkraftparitäten umge rechneten Bruttoinlandsprodukt (BIP); im letzten Jahr war es nur noch Platz 40; und dieses Jahr wird es aufgrund der anhaltenden Rezession noch weiter abfallen. Vietnam, Peru, vielleicht sogar Bangladesch werden Griechenland übertreffen.
Der Financial Times Deutschland war das aber noch zu wenig dramatisch. Sie musste die Meldung ursprünglich mit der reißerischen Überschrift versehen: “Griechische Wirtschaft fällt auf Drittwelt-Niveau”. (So immer noch festgehalten auf Rivva.) Und das ist natürlich vollkommener Quatsch.
Nach dem Maßstab, den die FTD ansetzte, wäre Dänemark schon lange auf Drittwelt-Niveau. Denn es erreichte 2011 auf der Liste BIP in Kaufkraftparitäten gerade Platz 53 und lag damit ein gutes Stück hinter Bangladesch auf Platz 43. Trotzdem halten sich die Spendenaufrufe für die hungernde dänische Bevölkerung bislang in Grenzen. Und hier liegt kein Versagen der humanitären Hilfsorganisationen vor, sondern ein kategorialer Fehler der FTD.