Mausetot. Hermann Schunder
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„N`Abend“ mehr sagte die auf Kundschaft wartende Wirtin zunächst nicht. Abgelenkt durch einen ihrer Gäste, der nach einem neuen Bier verlangte, beachtete sie den Neuankömmling nicht weiter.
Neben der Eingangstür in gut ein Meter achtzig Höhe ein kleiner Flachbildschirm, der bei runter gedrehtem Ton unermüdlich flimmerte. Der obligatorische Geldspielautomat beschäftigte sich mit sich selbst. Unauffällig schaute Joseph Wolf auf seine Armbanduhr. Möglichst weit weg vom zugigen Windfang wuchtete er sich auf einen der hölzernen Barhocker. Die recht ungemütliche Sitzgelegenheit ermöglichte es immerhin beide Ellenbogen auf die Theke aufzustützen. Zu fortgeschrittener Stunde könnte das hilfreich sein.
„Was darf es sein?“
Die Wirtin stand abwartend vor ihm an seinem Platz in der Ecke und taxierte Joseph mit einem dieser Blicke, die alles und nichts bedeuten. Seinerseits schaute Joseph der jungen Frau nach einem kurzen Blick in die Augen ungeniert ins Dekolletee.
„Ein Bier und einen Schnaps. Brr ist das ungemütlich draußen.“
„Kommt sofort“
Nach gefühlten sieben Minuten stand das bestellte Getränk vor ihm. Die Bedienung markierte einen Bierdeckel und blieb einen Moment bei ihm stehen.
„Zum Wohl.“
Joseph kippte den Klaren in einem Zug hinunter und schob das Schnapsglas dann weit von sich. In seiner Kehle brannte das hochprozentige Gemisch wie Feuer.
„Noch einen Schnaps?“
„Uii, der hat Kraft. Einer langt, mir wird schon richtig warm“ entgegnete Joseph und schüttete einen kräftigen Schluck Bier in seinen Schlund um die Wirkung des Aufwärmers abzumildern.
Neue Gäste betraten den Schankraum. Männer in abgetragenen Schaffklamotten und einer verbeulten Ausführung fleckiger Filzhüte auf dem Kopf. Gleich steuerten sie ihre offenbar gewohnten Sitzplätze an. Nach einem kurzen Nicken in Richtung der Frau hinter dem Tresen brummte einer von ihnen
„Wie immer, aber nicht zu kalt, vertrage ich nicht so.“
Der Fernseher flimmerte. Es wurde Zeit für die Nachrichten. Jetzt begann die heiße Phase seiner Mission. Ein Regionalsender verbreitete die neuesten Meldungen aus dem Land. Joseph widmete sich seinem Bier und gab sich desinteressiert. Gespannt beobachtete er die Anwesenden.
„Lilli, mach`ma lauter. Horch zu, das ist doch der Dings, na du weißt schon.“ Die Nachrichtensprecherin war im ganzen Raum deutlich zu hören, als sie ihre Meldung über den Bildschirm schickte. Im Hintergrund eingeblendet das Konterfei von Karl Kronenberg. Eine Aufnahme aus früheren Jahren.
….hat sich der kurz vor seiner Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt Wittlich stehende Karl Kronenberg in der vergangen Nacht das Leben genommen. Nähere Hintergründe sind noch nicht bekannt.
In der Gastwirtschaft herrschte gespannte Aufmerksamkeit. Ungläubiges Staunen spiegelte sich in den Gesichtern der Anwesenden. Joseph Wolf wunderte sich über diese Reaktion. Offenbar handelte es sich bei dem toten Kronenburg um eine ortsbekannte Berühmtheit. Das hatte er nicht erwartet. Immerhin war der Besagte schon einige Jahre weggesperrt und somit nicht mehr im Ortsgeschehen präsent.
Die Gespräche wurden nach kurzer Pause wieder aufgenommen. Das Thema hatte sich aber geändert. Joseph verstand von seinem Platz aus nicht alles. Der moselfränkische Dialekt erschwerte ihm zudem den Unterhaltungen an der Theke zu folgen.
Kapitel 5
Die Ausbeute seiner ersten Erkundung im Milieu des kleinen Winzerdorfes Kesten fiel bescheiden aus, genauer gesagt, es gab nichts was über den üblichen Kneipendudel hinausging. Joseph Wolf machte sich da keinerlei Hoffnungen. Sein Auftrag lautete Augen und Ohren offenhalten. Nicht mehr aber auch nicht weniger. In seiner für die Jahreszeit zu dünnen Jacke stand Joseph im Windfang der Kneipentür. Er zog den Reißverschluss hoch bis unters Kinn. Seine Mütze lag im Auto, hätte er besser mitgenommen. Wäre bei den frostigen Temperaturen nicht schlecht. Darüber Nachsinnen brachte aber nichts.
Sein Rundgang dauerte nur wenige Minuten, dann hatte er von der Kälte genug. Schnatternd wie ein Schneider begnügte er sich bei seiner ersten Stippvisite damit, quer über die Straße bis hin zum am Parkplatz aufgestellten Hinweisschild zu marschieren. Mit dem Zeigefinger bohrte er ein imaginäres Loch in die Anzeigetafel. Schnell vermochte er seinen Standort zu lokalisiert. Die an den Seiten der Schautafel aufgedruckten Hinweise auf das touristische Sommerangebot brachten ihn nicht wirklich weiter. Weingüter offerierten Weinproben. Die Gastwirtschaft aus der er kam pries ihren Mittagstisch an. Ferienwohnungen boten günstige Übernachtungsmöglichkeiten für die ganze Familie an. Vergeblich suchte Joseph nach der Werbung für eine weitere Gaststätte. Nur ein Weinausschank, dessen Öffnungszeiten sich auf die Zeit von Frühjahr bis zum Herbst beschränkten.
Also nichts wie zurück in die Pension. Dort konnte er sich aufwärmen. Auf schnellstem Wege eilte Joseph in wenigen Minuten bis zum Eingangstor seiner Herberge. Im zweiten Stock befand sich sein Zimmer. Nummer 21. Bett, Schrank und im Raum eine integrierte Duschkabine für 35 Euro die Nacht. Frühstück ging extra, allerdings nur nach Voranmeldung. Der altersschwache Fernseher stammte aus einer anderen Zeit.
Die Heizung blubberte, zischte ab und an, funktionierte aber tadellos. Schon nach einigen Minuten breitete sich wohlige Wärme im Raum aus. Der Fernseher stand in der Ecke auf einer geschmacklosen Kommode, deren Alter sich nur erahnen ließ. Frühbarock, späte Neuzeit oder egal, mit Möbeln kannte sich Wolf nicht aus. Um sich schnell aufzuwärmen stellte sich Joseph unter die Dusche. Ausgiebig ließ er das warme Wasser über seinen Körper rinnen. Das tat ihm gut. Aufgewärmt sah die Sache seiner inkognito Observation schon anders aus.
Vor seinem geistigen Auge rekapitulierte er den Ablauf des Abends. Die wichtigste Erkenntnis bezog sich auf die Öffnungszeiten der Dorfwirtschaft. Montag bis einschließlich Mittwoch blieb die Bude geschlossen. Die übrigen Tage ab 17 Uhr geöffnet. Die kesse Bedienung Lilli entpuppte sich als Tochter der Wirtsleute, die hinter dem Tresen aushalf. Von Lilli erfuhr er, dass am Donnerstagabend die Frauen vom Turnverein ihre Gymnastikstunde im Nebenzimmer ausklingen ließen. Erst kamen gegen 19 Uhr die älteren Semester. Später dann die Jüngeren. Der vereinsinterne Schnittpunkt für die Zugehörigkeit zu einer der Gruppen lag bei sechzig Lebensjahren.
In seinem Bauch wetteiferte ein deutliches Knurren mit der Lautstärke des altersschwachen TV-Gerätes. Joseph verspürte Hunger und ärgerte sich, weil er in der Wirtschaft nicht nachgefragt hatte, ob es etwas zu essen gäbe. Jetzt war es zu spät dafür. Auch hatte er keine Lust sich nochmals anzuziehen und erneut in die Kneipe zu gehen. Das wäre bei dem schwachen Besuch an diesem Abend zu auffällig gewesen. Also beschloss Joseph mangels besserer Alternative den Hunger zu ignorieren. So ein Fastenabend würde seinem Bauchansatz gut tun.
Die Tagesschau langweilte Joseph, der sich im Bett bequem ausstreckte. Die Bundesliga das Einzige was ihn interessierte. Also wollte er sich einmal richtig ausschlafen. Viel anderes blieb ihm hier an einem kalten Januarabend eh nicht übrig.
Nach einigen Minuten schlug Joseph die Bettdecke zurück und tastete nach dem Lichtschalter der Nachttischlampe. Die schwache Funzel, mit einer maximal 25 Watt Glühbirne, verbreitete ein schummriges diffuses Licht. Joseph zog die Verdunklungsgardine zur Seite und öffnete einen Teil des