Volkswagen – Auf dem Weg zur Weltspitze. Frank O. Hrachowy

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Volkswagen – Auf dem Weg zur Weltspitze - Frank O. Hrachowy

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Situation in den Autohäusern, die den Golf zugeteilt bekommen hatten, schreibt die FAZ: »Die Stasi sendet ihre Spitzel aus. Einer berichtet aus Ost-Berlin: „Am IFA-Vertrieb Berlin, Rummelsburger Straße, fanden sich gegen 05.30 Uhr die ersten Interessenten ein. Gegen 06.00 Uhr standen ca. 50 Personen, zum überwiegenden Teil aus anderen Bezirken der DDR, an, um einen Kaufvertrag abzuschließen. Gegen 07.00 stieg die Zahl der Interessenten laufend an, so dass der Betrieb bis zu 20 Mitarbeiter zur Abfertigung einsetzte (Schlangenbildung bis zu 500 Personen; vorsprechende Interessenten nutzten in der Rummelsburger Straße ca. 2 Kilometer als Parkfläche für ihre Wagen; Einsatz von VP-Regulierungsposten war erforderlich).“«39

      Allerdings gibt es auch Stimmen, die dieser Darstellung widersprechen und sie relativieren. So schreibt DIE WELT: »Doch die Arbeiterklasse stand dem Westimport skeptisch gegenüber. Einmal machten sich die potenziellen Kunden Sorgen um die Ersatzteilversorgung, zum anderen waren ihnen die Preise zu hoch. Und da passierte, was es nie zuvor und nie danach in der DDR gegeben hat: Die Preise wurden gesenkt und dem üblichen Niveau angepasst. Der Golf kostete nun nur noch zwischen 22.000 und 26.000 Ostmark. Zum Vergleich: Ein Lada 1500 hat damals 24.000 Mark, ein Trabant um 10.000 Mark gekostet.«40

      Durch den Kraftakt der vergangenen Jahre hatte sich der Marktanteil von VW in Deutschland auf mittlerweile 31 Prozent gesteigert. Auch das Jahr 1978 bestätigte in mehrfacher Hinsicht den Aufbruch des VW-Konzerns in die Moderne. So rollte am 19. Januar 1978 im Werk Emden der letzte in Deutschland gefertigte Käfer vom Fließband. Dies bedeutete jedoch nicht das Ende des Typ 1, da er noch bis zum Juli 2003 in Mexiko weiter montiert werden sollte.

      Für medialen Wirbel sorgte eine große Rückrufaktion von VW, bei der 383.000 Fahrer der Modelle Golf und Scirocco des Produktionszeitraums von Mitte 1974 bis Mai 1975 umgehend in die Werkstatt beordert wurden. Der Grund: Infolge von Verschleiß konnte ein Metallring, der die Verbindung von Lenksäule und Zahnstange sichern sollte, ausfallen. Damit wäre das Fahrzeug kaum mehr lenkbar.

      Einschneidender für den VW-Konzern war indes die Eröffnung des ersten eigenen Werks am 10. April 1978 in Westmoreland (Pennsylvania). Damit war die Volkswagenwerk AG der weltweit erste ausländische Hersteller, der ein Automobilwerk in den USA errichtet hatte. Allerdings war das neue Werk keine herkömmliche Produktionsstätte mit Presswerk, Karosseriebau, Lackiererei, Gießerei und der sonst für die komplette Fertigung eines Fahrzeugs notwendigen Peripherie, sondern lediglich ein Montagewerk.

      Hierbei wurde die US-Version des VW Golf unter dem Namen »Rabbit« (zu Deutsch: »Kaninchen«) aus Deutschland steuer- und zollgünstig als CKD-Satz angeliefert. Die Abkürzung CKD stand für »Complete Knocked Down« (zu Deutsch: komplett zerlegt) und bedeutete schlichtweg, dass jedes Fahrzeug als großes Puzzle in das US-Werk versandt wurde. Vor Ort erfolgte dann die Endmontage, bei der auch Bauteile aus US-Fertigung eingebunden wurden. Aufgrund des anhaltenden Verfalls des Dollar hielten auch schon die ersten japanischen Scouts Ausschau nach geeigneten Standorten für den Bau japanischer Modelle in den USA.

      Gravierend für den VW-Konzern war die Einführung der Konzernmarken rund um die neu geschaffene Bezeichnung »V.A.G«. Mit der 1978 ins Leben gerufenen Absatzorganisation V.A.G ging »der Einkauf und Verkauf von Dienstleistungen im nationalen wie internationalen Transportgeschäft sowie die Beratungstätigkeit für Dritte [...] auf die neu gegründete „V.A.G Transportgesellschaft mbH“ über, die zum 1. Mai die Geschäftstätigkeit aufnimmt. Die Wolfsburger Transportgesellschaft mbH wird liquidiert«41. Desgleichen wurde die »VW Kredit Bank GmbH« in »V.A.G Kredit Bank GmbH« umbenannt, die VW-Leasing-Tochter »Volkswagen Leasing GmbH« änderte ihren Namen in »V.A.G Leasing GmbH«.

      Gerätselt wurde allerdings über die eigentliche Bedeutung des Kürzels V.A.G, bei dem aus Gründen der Symmetrie der Punkt hinter dem Buchstaben »G« weggelassen worden war: »Volkswagen Audi-Gruppe« oder vielleicht »Volkswagen-Audi-Gesellschaft« oder aber »Volkswagen-Audi-Gemeinschaft«? Aus VW- und Audi-Händlerbetrieben wurden nun jedenfalls »V.A.G-Partner« mit einer gemeinsamen Corporate Identity, um ein weltweit einheitliches Erscheinungsbild mit einem hohen Wiedererkennungsfaktor zu etablieren. Fortan kündete ein breites blaues Band, das rund um die Betriebsgebäude lief, von der neu geschaffenen Marke rund um VW und Audi. Von NSU oder DKW war keine Rede mehr.

      Mit der Einführung der Bezeichnung V.A.G wurde primär für die beiden Konzernmarken Volkswagen und Audi eine gemeinsame Identität geschaffen. Dabei bildete die vom VW-Konzern niemals erklärte bzw. aufgelöste Abkürzung V.A.G eine Handelsmarke, unter deren Schirm der Vertrieb und der Service der beiden großen Hersteller des VW-Konzerns vereinheitlicht werden sollte.

      Insgesamt kann die Gründung der V.A.G als direkte Reaktion auf den weltweit verschärften Wettbewerb gewertet werden. Zur Struktur der Handelsmarke V.A.G konkretisiert VW: »Die Vertriebsorganisation basiert nach wie vor auf dem Franchise-System, d.h. die Einzelhändler nehmen als freie Unternehmer die Vertriebsaufgaben nach einheitlichen Richtlinien des Volkswagen Konzerns wahr. Ende 1978 beschäftigt die weltweite V.A.G-Verkaufsorganisation in 10.600 Betrieben über 211.000 Mitarbeiter.«42

      Gerüchteweise verlautete, dass die neue Vertriebsorganisation auch den Boden für eine Reihe von Fahrzeugen der Ober- und Luxusklasse bereiten sollte, die der VW-Konzern schon bald auf den Markt bringen wollte. Als Markenname für die Luxusdivision stand »Horch« zur Debatte. Allerdings waren die Rechte an der Traditionsmarke noch im Besitz der Daimler-Benz AG, die dem VW-Konzern untersagte, den Namen Horch und das Horch-Markenlogo zu verwenden.

      Die Neupositionierung der Konzernmarken war die Ursache für das Ende des kleinen Audi 50, der im Juli 1978 nach nur vier Jahren Bauzeit und gerade einmal 180.828 produzierten Exemplaren vom Markt genommen wurde. Ein geplantes Facelift, das den Audi 50 optisch vom baugleichen VW Polo entfernen und näher an die neu entwickelten Audi-Modelle rücken sollte, wurde nicht mehr umgesetzt. Damit beendete die Marke Audi ihr Angebot in der Kleinwagenklasse – bis zur Rückkehr dorthin sollte es viele Jahre dauern.

      NSU-Fans mussten in diesen Monaten miterleben, wie ihre Marke im VW-Konzern in der Bedeutungslosigkeit verschwand: Die Fertigung des Ro 80 war eingestellt worden, der Wankelmotor war kein Thema mehr und neue Modelle der Marke NSU waren innerhalb des V.A.G-Verbunds nicht vorgesehen.

      Hierzu schrieb der Buchautor Jerry Sloniger: »Zuletzt meldete sich noch eine Gemeinschaft zur Förderung des Wankelmotors zu Wort und verkündete, ihre 150 Mitglieder seien furchtbar böse, VW mache Fehler über Fehler in Entwicklung, Lizenzpolitik und Verkaufsförderung. Sie forderten schlicht, der Vorstand möge zurücktreten. Sie vergaßen dabei, daß VW mittlerweile 99 % der Audi-NSU-Aktien besaß und jetzt [...] von einem reinen Finanzmann geleitet wurde.«43

      Umso schmerzlicher war für die Wankel-Anhänger der Blick nach Japan, wo Mazda einen schnittigen Sportwagen mit Wankelmotor und Porsche-924-Optik auf den Markt gebracht hatte. Der neu entwickelte 2-Rotoren-Wankelmotor erreichte eine Leistung von 105 PS (77 kW) bei 6.000 U/min sowie ein maximales Drehmoment von 147 Nm bei 4.000 U/min. Unter der Modellbezeichnung Mazda RX-7 sollte der Wagen im Frühjahr 1979 auch nach Deutschland kommen.

      Obwohl es um NSU und DKW im Zuge der V.A.G-Einführung immer ruhiger geworden war, so waren die beiden Marken doch immer noch Bestandteile des VW-Konzerns. Ein Lebenszeichen kam im Sommer 1978 aus Ingolstadt, wo der Nachfolger zur Notlösung VW Typ 181 (»Kurierwagen«) entwickelt worden war. Unter dem Namen VW Iltis präsentierten die Verantwortlichen ein geländegängiges Gefährt mit zuschaltbarem Allradantrieb.

      Der Volkswagen Iltis verzichtete auf die Käfer-Technik des Typ 181, aber seine Abstammung vom alten, bereits 1968 eingestellten Modell DKW Munga war trotz seines wassergekühlten Viertaktmotors aus dem V.A.G-Regal nicht zu verhehlen. Technisch anspruchsvoll hingegen war der Allradantrieb des Iltis

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