Volkswagen – Auf dem Weg zur Weltspitze. Frank O. Hrachowy

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Volkswagen – Auf dem Weg zur Weltspitze - Frank O. Hrachowy

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näherer Betrachtung musste dieser Schritt vom Käfer zum Golf geschehen, denn er war längst überfällig. So war der neue Golf mit seiner selbstragenden Karosserie um 165 Kilogramm leichter als der Käfer – und das trotz schwerer Wasserkühlung. Hinzu kam ein Benzinverbrauch, der rund 20 Prozent niedriger lag als beim Käfer, dessen luftgekühlter Motor prinzipbedingt mehr Kraftstoff benötigte. Ein weiterer wichtiger Aspekt waren die Produktionskosten. Der VW Golf ließ sich weitaus rationeller fertigen, außerdem lag sein Verkaufspreis rund 600 Mark über dem des Käfer. Damit war der Golf sehr viel margenstärker als sein Vorgänger.

      Doch auch wenn der Passat und der Golf mit ihrem Frontantrieb und Schrägheck unbestritten Meilensteine bei der Modernisierung der Modellpalette von VW waren – neu war dieses Konzept nicht. Der englische Mini machte es längst vor; Simca zeigte seit 1967 mit dem hervorragend konzipierten Modell Simca 1100, wie ein Kompaktmodell aussehen konnte; unter anderem hatten Alfa Romeo, Renault und einige weitere Hersteller die Vorteile dieses Fahrzeugkonzepts längst erkannt.

      Offen und klar ausgedrückt: Der VW Golf begründete beileibe nicht die »Golf-Klasse« und er setzte mitnichten irgendeinen technischen Meilenstein, vielmehr schloss VW mit dem Golf auf den längst gültigen Stand der Technik auf, dem die VW-Modelle jahrelang hinterhergehinkt waren. Diesen Sachverhalt dokumentierte das Fachmagazin AUTO MOTOR UND SPORT bei einem zeitgenössischen Vergleichstest: »Obwohl der Golf schon kurz nach seinem Start die deutsche Neuzulassungsstatistik anführt, können die wichtigsten Konkurrenten durchaus Paroli bieten. So setzt der Alfasud bei Raumausnutzung und Kompaktheit Maßstäbe [...] . Noch besser und sehr geschickt auf die Federung abgestimmt sind die Polster im gut ausgestatteten Citroën GS. [...] Mit Frontantrieb und quer eingebautem Reihenmotor folgt der Golf dem Konzept des schon lange gebauten Simca 1100.«25

      Die Vorteile des Frontmotorkonzepts lagen dabei vorrangig in einer günstigeren Fertigung, da Motor, Getriebe, Differenzial und Achswellen kompakt in einem Block zusammengefügt und montiert werden konnten. Der teure Antrieb mit Kardanwelle ließ sich so sparen. Durch die kompakte Bauweise wurden die Fahrzeuge zudem innen deutlich geräumiger, überdies störte kein Kardantunnel mehr im Innenraum. Dass sich das Fahrverhalten gravierend verbesserte, war dabei mehr als ein Nebeneffekt. Gegenüber dem Käfer, der mit seinem Heckmotor als tückischer Übersteuerer verrufen war, präsentierte sich der Golf als gutmütiger Untersteuerer.

      Wer dieses kompakte Baukonzept, das viele greifbare Vorteile in sich vereinigte, nicht vorweisen konnte, war Opel. Obwohl der Kadett C gerade erst im August 1973 eingeführt worden war, blieb er mehr oder weniger der alten Technik seiner Vorgänger verhaftet. Das war ein klarer Wettbewerbsnachteil, denn neben den für den Kunden erfahrbaren Vorteilen lockte das neue Konzept (Frontmotor und Frontantrieb) mit Einsparungen bei den Produktionskosten von bis zu 15 Prozent. Gerade im kostensensiblen Segment der Kompaktklasse war das ein wichtiges Argument.

      Mit der Einführung des VW Golf wurde Opel nun vom Treibenden zum Getriebenen. Erstmals ließ es sich nicht mehr schmunzelnd auf den technisch veralteten VW Käfer blicken, vielmehr mussten die GM- und Opel-Manager feststellen, dass sie jetzt technisch ins Hintertreffen geraten waren. Und ausgerechnet Erzrivale VW hatte sie überholt. Damit rächte sich die relativ behutsame Weiterentwicklung, die dem Kadett im letzten Jahrzehnt widerfahren war. Wohl war er in allen Dimensionen gewachsen und dabei auch innen geräumiger geworden, gleichzeitig hatte er sich optisch stark verändert – doch unter dem Blech hatten die Ingenieure letztlich am alten Konzept von 1962 festgehalten.

      Der Verkaufserfolg der neuen Modelle Passat, Scirocco und Golf konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei VW die wirtschaftliche Lage sehr ernst geworden war. Hierzu hatte nicht nur die Ölkrise beigetragen; auch die enormen finanziellen Aufwendungen, die zur Entwicklung der neuen Modellfamilie notwendig gewesen waren, schlugen sich in der Bilanz nieder. Der VW-Vorstand musste nun unverzüglich handeln, denn der massive Personalüberhang war mittels Kurzarbeit und Einstellungsstopp nicht schnell genug abzubauen. Eine großangelegte Aktion mit altersunabhängigen Aufhebungsverträgen, hohen Abfindungen und vorzeitigen Pensionierungen sollte schnell Linderung schaffen. Doch diese Aktion konnte die weiter steigenden Verluste nur begrenzt aufhalten.

      VW-Chef Rudolf Leiding, der über viele Monate versucht hatte, den Bau eines eigenen Werk in den USA durchzusetzen, um dort kostengünstiger und von den schwankenden Wechselkursen unbeeinflusst Fahrzeuge bauen zu können, trat im Dezember 1974 von seinem Posten zurück. Der Widerstand des VW-Aufsichtsrats und des Landes Niedersachsen gegen diese Pläne war zu stark – zu groß war die Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen in den deutschen Produktionsstätten. Die Nachfolge von Rudolf Leiding übernahm Toni Schmücker, der schon den Essener Rheinstahl-Konzern erfolgreich saniert hatte. Aufhorchen ließ sein Spitzname »Toni, der Trickser«.

      Die Situation wurde Ende 1974 immer bedrohlicher, und immer noch war keine Besserung in Sicht. In greifbaren Zahlen ausgedrückt: Im Jahr 1974 hatte der Volkswagen-Konzern 807 Millionen Mark (ca. 400 Millionen Euro) Verlust eingefahren. Dabei waren die Verkaufszahlen von VW in Deutschland um 15 Prozent, in dem für den Konzern besonders wichtigen US-Markt sogar um knapp 30 Prozent zurückgegangen. Auf weiträumigen Parkplätzen standen immer mehr VW-Fahrzeuge auf Halde, die zwischenfinanziert werden mussten.

      Immerhin stand Ende 1974 für den schlimmsten Fall noch eine Option offen, die aber nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert wurde. Hierzu konkretisierte DER SPIEGEL: »Unter Eingeweihten kursiert ein Plan, nach dem die VW-Volksaktionäre, deren Papiere heute nur noch die Hälfte des einstigen Ausgabekurses wert sind, eines Tages von Bonn zum Einstandskurs entschädigt werden und VW nach dem Muster der französischen Regie Renault ein reines Staatsunternehmen wird.«26

      Wie es mit der Weltwirtschaft, mit der deutschen Industrie und mit VW im Jahr 1975 weitergehen würde – das war im Dezember 1974 die große Frage. Als Hoffnung für die VW-Angestellten blieb immerhin die Tatsache, dass die Markteinführung der neuen Modellgeneration gelungen war, und der Passat, der Scirocco und der Golf von den Kunden akzeptiert wurden.

      So elend, wie das Jahr 1974 endete – so elend fing das neue Jahr 1975 an. Und so viel Arbeit bei VW in die Entwicklung der neuen Modelle gesteckt worden war, so groß war die Enttäuschung über die desolate Situation, in der sich der Volkswagen-Konzern Anfang 1975 befand. Die Situation war für Volkswagen so existenziell schlecht, dass sie dem Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL sogar das Titelbild (Was wird aus VW?) und die Titelstory der Ausgabe 16/1975 wert waren.

      Innerhalb eines Jahrzehnts war aus einem Zugpferd des deutschen Wirtschaftswunders ein Sanierungsfall geworden. Eine kurzfristige Lösung war für den neuen VW-Vorstandsvorsitzenden Toni Schmücker kaum in Sicht, weil nicht nur das VW-Management untereinander zerstritten war, sondern darüber hinaus im Aufsichtsrat mehrere starke Interessengruppen ihre persönlichen Anliegen durchzusetzen trachteten. Vor allem das wichtige Auslandsgeschäft wurde für VW immer mehr zu einem geldfressenden Ärgernis.

      Gerade eines der wichtigsten Standbeine des VW-Konzerns, das einst so umfangreiche US-Geschäft, lag weiterhin deutlich unter Plan. Der VW Golf wurde als Nachfolger des Käfer in den USA nicht in der Art und Weise angenommen, wie es sich die deutschen Planer erhofft hatten. Viel erfolgreicher auf dem US-Markt hingegen waren die bis dato eher wenig auffälligen japanischen Automarken Datsun (Nissan), Toyota und Honda. Eine Entwicklung wurde dabei immer deutlicher: Importautos waren zu einer festen Größe auf dem US-Automarkt geworden, aber auch auf dem deutschen.

      Dabei galt es zu unterscheiden: Die Fahrzeuge aus England, Frankreich und Italien entsprachen in der Vergangenheit zwar nicht immer den Qualitätsansprüchen der deutschen Autokritiker, doch überzeugten sie viele Kunden durch ihren relativ günstigen Preis. Diese Situation bestand unverändert, doch wuchs seit einiger Zeit für die etablierten Hersteller mit den japanischen Importen eine weitere, immer stärker zunehmende Bedrohung heran. Insgesamt mussten die deutschen

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