Volkswagen – Auf dem Weg zur Weltspitze. Frank O. Hrachowy
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Das schwache Auslandsgeschäft lag bei VW jedoch nicht nur an den niedrigen Absatzzahlen, die weit unter den Prognosen lagen. Ein weiterer Faktor war die für deutsche Produkte zunehmend ungünstiger werdende Währungsentwicklung der Deutschen Mark gegenüber dem Dollar. Die Folgen für VW untermauerte DER SPIEGEL mit eindeutigen Zahlen: »Die internationale Währungsentwicklung setzte die Wolfsburger endgültig matt: Bekamen sie in ihrem Glanzjahr 1970 für ein 3.000-Dollar-Auto von der Bank noch 10.950 Mark (ca. 5.500 Euro) überwiesen, so blieben fünf Jahre später davon ganze 6.900 Mark (ca. 3.450 Euro) übrig.«27 Hinzu kam, dass die hohen Lohnkosten in Deutschland immer stärker zu einem Wettbewerbsnachteil wurden.
Angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Bedrohung neigten sich die Barmittel von VW ihrem Ende zu. Der neue VW-Vorstandsvorsitzende Toni Schmücker musste nun rigoros handeln und das zerstrittene Topmanagement zur Einigung zwingen. Aufgrund der immer bedrohlicher werdenden Situation beschloss der VW-Aufsichtsrat schließlich ein Programm zur Massenentlassung von 25.000 Mitarbeitern. Aufgefangen werden sollten die Angestellten über ein regionales Förderprogramm.
Eine Mittelklasselimousine, ein Sportcoupé und ein Kompaktmodell waren bereits auf den Markt gebracht worden, jetzt fehlte nur noch ein Kleinwagen im VW-Programm. Im März 1975 begann dem folgend in Wolfsburg die Serienfertigung des Polo, der im Marktsegment der Kleinwagen als preiswerte Variante zum baugleichen Audi 50 angeboten werden sollte. Damit zielte der Polo eher indirekt auf den Opel Kadett C, denn er wurde von seiner Größe und von seinem Preis her unterhalb des Rüsselsheimer Kontrahenten positioniert. Das neue VW-Modell war ebenfalls als Schrägheckmodell konstruiert, das nach bewährtem Muster einen vorne quer eingebauten Motor mit Frontantrieb verband.
Technisch basierte der Polo wohl auf dem ein Jahr zuvor präsentierten Audi 50; er war aber deutlich preisgünstiger, weil bei seiner Ausstattung rigoros gespart wurde. Noch nicht einmal Kopfstützen besaß der Polo serienmäßig, ebenso fehlten in der Basisausstattung auf der Beifahrerseite das Türschloss, der Türkontakt für die Innenbeleuchtung, die Sonnenblende sowie der obere Haltegriff. Konsequenterweise war der kleine VW anfangs nur mit einem Reihenvierzylinder mit 900 cm3 und 40 PS (29 kW) erhältlich.
Zum Konzept des Polo schreibt der VW-Konzern auf seinem Portal VOLKSWAGEN CLASSIC: »Der Polo, ein dreitüriger Kleinwagen, ist recht spartanisch ausgestattet und kann deshalb preiswert angeboten werden. Er besticht durch eine gut verarbeitete, auf das Notwendige angelegte Ausstattung. Vieles erinnert an den zeitgleichen „Spar-Käfer“ 1200, wie zum Beispiel die simplen Türpappen, Öffnungen statt Klappen und zur Krönung eine Drahtschlinge als Gaspedal: Selten ist so konsequent reduziert worden.«28
Opel hingegen fehlte ein solcher Kleinwagen im Verkaufsportfolio, denn unterhalb des Kadett gab es kein Modell aus Rüsselsheim. Im Jahr 1975 reagierte Opel insofern, als dass der Kadett C in einer weiteren Karosserieform angeboten wurde. Als preisgünstiges dreitüriges Schrägheckmodell Kadett City sollte er mit seiner großen Heckklappe einen besonders hohen Alltagsnutzen bieten. Dabei reduzierten die Entwickler die Wagenlänge um 20 cm, womit der Kadett City tatsächlich formal und preislich in die Nähe des VW Polo rückte. Technisch hingegen blieb der VW Polo das modernere Auto.
Im April begann bei Volkswagen die Produktion des Volkswagen LT (Lastentransporter) mit zahlreichen Aufbau-Variationen, womit das Nutzfahrzeug-Programm nach oben erweitert wurde. Im Gegensatz zum kleineren und konzeptionell älteren Transporter T2 verfügt der Volkswagen LT über einen vorne eingebauten Reihenmotor mit Wasserkühlung. Damit war die Wolfsburger Modelloffensive erst einmal zu ihrem Ende gelangt.
Die Autoverkäufe zogen weltweit langsam wieder an und vorsichtiger Optimismus machte sich breit. Parallel dazu stiegen die Börsenkurse der Automobilhersteller. Mitte des Jahres 1975 schließlich war die Ölkrise vorbei und die Konjunktur sprang an. Statt über Kurzarbeit wurde in den deutschen Werken plötzlich wieder über Sonderschichten gesprochen. Dabei profitierten BMW, Daimler-Benz und Porsche zusätzlich von der Investitionszulage, die gut verdienende Selbstständige und Firmen in Anspruch nehmen konnten.
Zur sich wandelnden Situation schreibt der VW-Konzern: »In der größten Not geschehen bisweilen Wunder. Schmücker ist ein Glückskind: Mitte 1975 kommt die wirtschaftliche Wende. Der Dollar steigt wieder, und am heimischen Markt löst sich die Verkrampfung der Käufer. Schon im August müssen in Wolfsburg und Emden Sonderschichten gefahren werden, weil 50.000 bestellte Autos fehlen.«29 Mehr noch: Während noch Mitarbeiter aus dem Notprogramm den Konzern verließen, hob die VW-Konzernleitung im Spätsommer 1975 eilig den geltenden Einstellungsstopp auf und bot stattdessen 2.750 neue Arbeitsplätze an, die möglichst schnell besetzt werden sollten.
Die Ölkrise war durchgestanden, doch unzweifelhaft war in Deutschland eine Ära zu Ende gegangen. Die Grenzen des Wachstums, so der Titel eines zu dieser Zeit viel diskutierten Buches, hatten nun auch die Deutschen zu spüren bekommen. In anderen Worten ausgedrückt: Die Ära des deutschen Wirtschaftswunders war vorbei. Das Konzept, das den VW-Konzern aus der Krise führen sollte, ging jedenfalls auf: der Golf wurde wie der Passat und der Scirocco sofort zum Bestseller. Dabei war den Planern bei VW das Kunststück gelungen, den kompakten Golf als klassenloses Fahrzeug zu etablieren – als »Volkswagen« im besten Sinne.
In den Golf konnte sich ein Arzt oder eine Rentnerin genauso selbstverständlich setzen wie eine Hausfrau oder ein Student – unpassend oder gar peinlich war der VW Golf niemals. Ein Artikel im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL fasste die neue Situation anschaulich zusammen: »Der Golf brachte die starren Märkte in Bewegung. Unter dem Golf-Erfolg schrumpften die Marktanteile der Konkurrenten Opel und Ford. Im Oktober 1974 wurden vom Golf mehr verkauft als von sämtlichen Opel-Personenwagen zusammen. Und Opels Konkurrent Ford, einstmals zu 18 Prozent am deutschen Markt beteiligt, fiel auf acht Prozent Marktanteil zurück.«30
Doch die Wettbewerber schliefen nicht und reagierten ihrerseits auf die Modelloffensive von VW. In diesem Sinne begann im September 1975 bei Opel die Produktion der Mittelklasselimousine Ascona B sowie des davon abgeleiteten Sportcoupés Manta B. Bei der Technik des Ascona B blieben die Ingenieure auf vertrautem Terrain: Frontmotor mit Kardanwelle und Hinterradantrieb, dazu die alten Motoren. Der Rückstand von Opel hinsichtlich moderner Motoren und Packaging-Konzepte war bei GM jedoch nicht unbemerkt geblieben, weshalb sich für die Fahrzeuge der europäischen Kompakt- und Mittelklasse bereits neue, in ihrer Konzeption fortschrittlichere Modelle in der Entwicklung befanden.
Trotz seiner eher konservativen Konzeption wurde der Opel Manta B sofort zu einem Erfolg. Gerade junge Familienväter, die auf der Suche nach einem zuverlässigen, formschönen und bezahlbaren Sportcoupé waren, griffen zu. Die verbaute Technik markierte zwar nicht die technologische Führerschaft, dafür war sie mit ihrer Solidität über alle Zweifel erhaben. Gerade im direkten Vergleich zu sportlichen Fahrzeugen aus englischer, französischer oder italienischer Produktion machte der Manta B eine glänzende Figur.
Das Jahr 1975 endete für den VW-Konzern mit einem Verlust von nur noch 157 Millionen Mark (ca. 79 Millionen Euro), während es unverändert steil bergauf ging und der Gewinn von Monat zu Monat stieg. Dieser Erfolg von VW brachte die Automobilkonzerne in Deutschland in Verlegenheit. Gerade die traditionellen Anbieter von Mittelklassemodellen wie Ford und Opel mussten erkennen, dass mit Volkswagen plötzlich ein ernstzunehmender Wettbewerber auf den Plan getreten war, über den man vorher eher gelächelt hatte. Fakt war: Während viele Autohersteller in Deutschland unter der Ölkrise gelitten hatten, ging VW aus dem vorangegangenen Desaster gestärkt hervor.
Zu Jahresende 1975 sickerte eine technische Neuigkeit durch, die allenthalben für Staunen sorgte: Ferdinand Piëch, Enkel von Professor Ferdinand Porsche und mittlerweile zum Leiter der gesamten Motorenentwicklung im VW-Konzern aufgestiegen, hatte den Benzinmotor des Audi 80 zu Testzwecken in einen Dieselmotor verwandelt. Bei nahezu unverändertem Gewicht, so war aus der Gerüchteküche zu hören, sollte das Aggregat 50 PS (37