Der verborgene Erbe. Billy Remie

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Der verborgene Erbe - Billy Remie Legenden aus Nohva 5

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menschlichen Kirche zu tun, alles hier war luzianischer Abstammung. Kein Gold, keine Opfergaben oder beigestellte Reichtümer, um den Göttern zu imponieren. Nur nackter Stein, gemeißelte Bilder im massiven Gesteinsaltar und in den Wänden, die von Göttern erzählten, die lachten, weinten, bluteten und kämpften wie Sterbliche. Weiße Kerzen, eine angelaufene Bronzeschale für geweihtes Wasser. Sie war stets leer gewesen, doch irgendjemand musste sie neu gefüllt haben. Dieser Jemand hatte wohl auch die wenigen Kerzen angezündet, den Staub von den Bänken und Fenstern gewischt, Blumenvasen aufgestellt, die Wandteppiche abgeklopft und den Boden gefegt, sodass die Kapelle für alle ruhelosen Seelen wieder einladend wirkte. Vielleicht war dies der Grund, weshalb Eagle diesen Ort aufsuchte. Vielleicht kam er auch nur hier her, weil er glaubte, hier würde niemand nach ihm suchen.

      Eagle fühlte sich schuldig und konnte mit dieser Schuld nicht leben.

      Er hatte seine Mutter getötet, wie könnte er je wieder ruhig schlafen?

      So sehr er sich auch sagte, das Richtige getan zu haben, so viele ihn auch als Bannbrecher feierten, er fühlte sich wie ein Mörder. Immer wieder musste er sich fragen, ob es nicht einen anderen Weg gegeben hätte. Eine Lösung ohne Blutvergießen. Doch dann kam ihm wieder das Gesicht seiner Mutter in den Sinn, in jenem Moment, als sie alles unternahm, um seine Freunde zu töten. Er wusste, er hatte keine andere Möglichkeit gehabt, nicht ohne andere in Gefahr zu bringen, dennoch konnte er sich selbst nicht vergeben. Er wünschte nur, er hätte nicht auch noch das Gefühl davongetragen, seine Mutter nie wirklich gekannt zu haben. Was musste sie für ein schrecklicher Mensch gewesen sein, wenn sie, um ihr Geheimnis zu wahren, unschuldige Wanderer und Flüchtlinge ermorden ließ?

      Und was sagte es über ihn aus, dass er es nicht bemerkt hatte?

      »In düsteren Zeiten, kommen düstere Gedanken.«

      Eagle sah auf, er fühlte sich seltsam ertappt. »Vergebung, ich wusste nicht, dass noch jemand hier ist.«

      »Ich sollte um Vergebung bitten, ich wollte Euch nicht stören.« Alliqua, der Mönch, den sie in der Dorfkirche am Fluss gerettet hatten, bedeutete Eagle, sitzen zu bleiben. »Bitte, darf ich mich zu Euch setzen?«

      Eagle, der halb am Aufstehen gewesen war, setzte sich wieder und nickte zustimmend. »Ich fürchte, ich bin keine gute Gesellschaft.«

      »Das hier ist ein Ort der Stille und Andacht, Eure Hoheit«, Alliqua setzte sich dicht neben Eagle und faltete die Hände in seinem Schoß, »ich erwarte keine zwanglosen Plaudereien, bin jedoch ganz Ohr, falls es Euch danach verlangt.« Er lächelte Eagle derart herzerwärmend an, dass es fast väterlich wirkte, obwohl er in Eagles Alter zu sein schien. »Wenn Ihr jedoch Stille bevorzugt, versichere ich Euch, dass ich hervorragend schweigen kann.«

      Eagle nickte dankbar aus Höflichkeit, jedoch hatte er den Argwohn in seinen Augen nicht vertreiben können. Er erriet nicht, weshalb der Mönch sich zu ihm setzte, wenn er Eagle nichts zu sagen hatte. Doch froh war er trotzdem um diese Zurückhaltung, da er allmählich genug davon hatte, das andere – insbesondere Desiderius – ihm sagten, was er jetzt zu tun hatte.

      War er nicht der Erbe?, dachte er zynisch. War er nicht der Kronprinz, der über alle Befehle erhaben ist? Warum konnte sich Desiderius nicht auch daranhalten? Warum musste der Blutdrache Eagle immer bevormunden und tadeln, als sei er ein Kind.

      Vielleicht, kam es ihm sofort in den Sinn, weil er sich wie ein Kind verhielt, das sich vor den eigenen Männern versteckte. Zumindest hatte Bellzazar es am Abend so ausgedrückt, als Eagle nach einer weiteren Diskussion mit Desiderius fluchend durch die Flure gestreift war.

      Sie wollten allesamt, dass er zu seinen Männern sprach und den Zweiflern die Zweifel austrieb. Sie sagten, er könnte sich nicht darauf verlassen, dass diejenigen, die ihn lobpreisten, ihre Kameraden von ihm überzeugten. Es lag an ihm, den Männern zu beweisen, dass er wirklich ihr Prinz war, und nicht der Sohn einer Verräterin.

      Die Wahrheit war, das Eagle gar nicht wusste, was er sagen sollte, doch Desiderius schien das nicht zu verstehen. Desiderius schien fest daran zu glauben, die Worte steckten in Eagle, er müsse sie nur ergreifen. Doch da täuschte er sich. Eagle wusste nichts zu sagen, und er hatte furchtbare Angst, es noch schlimmer zu machen. Derzeit gab es immerhin mehrere Hundert Männer, die an ihn glaubten. Er wollte nicht riskieren, dass diese Zahl schrumpfte, wenn er das Falsche sagte.

      Das Königsamt fürchtete jedoch nicht, im Gegenteil. Es war das einzige, das ihn zurzeit aufrechterhielt. Er wollte herrschen, er hatte schon immer gewusst, dass er zu Größerem berufen war. Es steckte in ihm, in seinem Blut. Er war zum Herrschen geboren worden.

      Doch solange er innerlich zerrissen war, konnte er kaum kluge Entscheidungen treffen, geschweige denn eine Rede zurechtlegen, die seine Armee von Zweifeln befreite. Eagle hegte selbst noch Zweifel daran, ob er ihre Treue verdiente. Er fühlte sich wie der Sohn einer Verräterin, fühlte sich, als habe er selbst Nohva verraten, weil er das wahre Gesicht seiner Mutter ohne seine Freunde nie selbst erkannt hätte.

      Wie sollte er da mehreren Hundert Soldaten erklären, sie täuschten sich?

      »Es ist schwer, die eigenen Missetaten zu vergeben«, hörte er sich plötzlich in der Stille sagen. Seine Stimme war nicht mehr als ein raues Kratzen.

      Alliqua saß mit Gesicht nach vorne und geschlossenen Augen in Andacht vertieft neben ihm, doch Eagle glaubte zu spüren, dass der Mönch darauf gewartet hatte, dass Eagle zu ihm sprach. Als hätte er gewusst, dass sein Amt als Mönch vom Erben gebraucht wurde.

      »Kommt Ihr deswegen jede Nacht her, Eure Hoheit?«, fragte der Mönch leise. »Erhofft Ihr Euch Vergebung von den Göttern, weil Ihr selbst nicht in der Lage seid, Euch zu vergeben?«

      Eagle blickte verbissen zum Altar. »Leider sind die Götter wie immer so schweigsam wie eine undankbare Frau nach dem man bei ihr lag. Oder ist gar das Schweigen ihre Antwort? Es fühlt sich so an.«

      »Fangt an, euch selbst zu vergeben, und die Götter werden euch auch vergeben«, zitierte der Mönch aus einer der heiligen Schriften.

      Zynisch lächelnd sah Eagle den Mönch wieder an. »Das hilft mir nicht.«

      Alliqua drehte Eagle das Gesicht zu und erklärte bedächtig: »Es bedeutet, dass wir den Göttern zeigen, dass wir selbst das Verständnis aufbringen, um Missetaten vergeben zu können. Es bedeutet, dass sie sehen wollen, dass wir zur Vergebung bereit sind. Und nur dann, wenn wir vergeben können, gestatten sie uns ihre göttliche Vergebung.«

      »Und woher weiß ich, dass sie mir vergeben?«, fragte Eagle verzweifelt. »Ich brachte meine eigene Mutter um. Ist das nicht eine Todsünde?«

      »Und beging Eure Mutter denn nicht auch Todsünden?«, warf der Mönch vorsichtig ein.

      Eagle starrte zitternd zu Boden, Wut drohte ihn zu überwältigen. Wut auf seine Mutter, auf sich selbst, auf das verdammte Schicksal.

      »Sie tötete vorsätzlich Unschuldige, um sich selbst zu schützen«, erinnerte Alliqua, woraufhin Eagle gequält die Augen schloss, »sie verriet König und Land für eine Festung und Wohlstand, sie nutzte ihre magischen Fähigkeiten, um eine ganze Armee in die Leibeigenschaft zu zwingen, um hunderte Männer einzusperren. Sie hielt Euch, den wahren Erben, gefangen, belog Euch.«

      »Um mich zu beschützen«, konterte Eagle, in dem schwachen Versuch, seine Mutter zu verteidigen.

      »Sie wollte Eure Freunde töten«, sagte der Mönch mit einem mitfühlenden Zucken seiner Mundwinkel, »und sie hätte es auch getan, hättet Ihr sie nicht aufgehalten.«

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