Der verborgene Erbe. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Der verborgene Erbe - Billy Remie страница 27
Die Schuld blieb.
Alliqua betrachtete Eagle mit einem gerührten Gesicht. »Ein Sohn wird seine Mutter stets lieben und ehren. Die Bindung zwischen der Mutter und dem Sohn ist eine ganz besondere. Doch für Euch wird sie zum Fluch. Ihr wisst, sie hat Verbrechen begangen, und Ihr als König habt schließlich nur Eure Pflicht getan. Ihr trauert um die Frau, die Euch aufzog, schämt Euch, weil ihr sie aufhalten musstet. Doch Schuld trifft Euch keine.«
Eagle sah überrascht auf, in seinen Augen standen verzweifelte Tränen. »Glaubt Ihr das wirklich?«
»Ihr seid unser rechtmäßiger König, und habt als dieser Eure Pflicht bereits erfüllt. Ihr habt uns allen bewiesen, dass Euch Euer Volk und Euer Land alles bedeutet, und dass Ihr jeden bestraft, der Euer Volk und Euer Land in Gefahr bringt, ganz gleich, wie sehr Ihr diese Person liebt.«
Eagle schüttelte frustriert den Kopf und wandte den Blick ab. »Mich trifft trotzdem Schuld.«
»Jetzt mag die Schuld noch eine große Last sein, die Euch niederdrückt, doch wärt Ihr nicht stark genug, sie zu tragen, wärt Ihr bereits daran zerbrochen«, sprach der Mönch auf ihn ein. »Seht Euch einmal genauer die Götter an, Eure Hoheit.«
Neugierig sah Eagle ihn wieder an, suchte Rat und Befreiung in den Augen des anderen jungen Mannes.
»Auch die Götter kämpfen und auch sie töten, um Unschuldige zu schützen. Auch sie tragen Schuld, werden angeklagt, müssen sich selbst vergeben. Der Unterschied ist, dass sie wissen, dass es ihre Pflicht ist, mit ihrer Schuld zu leben, weil sie wissen, dass andere daran zerbrechen würden. Als König ist es ähnlich. Ihr habt Eure Mutter zum Wohle vieler geopfert, Ihr mögt diese Schuld bis ans Ende Eurer Tage mit Euch tragen, doch Ihr werdet weiterhin aufrecht gehen. Das bedeutet es, ein König zu sein. Ihr seid der Schild, der die Last der Welt trägt, damit Euer Volk erblühen kann. Versteht Ihr, worauf ich hinauswill?«
Eagle begann langsam zu nicken. Er fühlte sich wie betäubt. Benommen, nach einem Alptraum, aus dem man erwachte. Es war kein schönes Erwachen, aber ein erträgliches.
»Ich bin der Erbe«, sagte er langsam wie zu sich selbst, »und ich ertrage jede Schuld, die mir das Schicksal auferlegt, sofern ich damit mein Land und meine Völker schütze. Ich bin der Märtyrer meiner eigenen Geschichte.«
»Selbstaufopferung ist die größte Bürde eines Königs«, sagte Alliqua ernst, »Eure Vorfahren wussten darum.«
»Und ich weiß nun auch darum«, wandte Eagle ein, er regte stolz das Kinn nach oben. »Ich bin ein Airynn. Mehr noch als ich der Sohn meiner Mutter bin, bin ich der Nachfahre der wahren königlichen Blutlinie. Ich kann mit der Schuld umgehen.«
»Dann seid bereit, Euch selbst zu vergeben«, riet ihm der Mönch. »Tut es für Euch selbst, Prinz Eagle. Es werden noch mehr schwerwiegende Entscheidungen auf Euch zukommen, Ihr werdet viele gute Männer in den Krieg – und viele davon in ihren Tod – führen, um jene zu befreien, die unter der Herrschaft der Kirche leiden. Auch das ist eine Schuld, die Ihr dann tragen müsst.«
Eagle runzelte halbbelustigt, halbverwundert seine Stirn. »Was für ein Mönch seid Ihr eigentlich?«
Alliqua lachte leise. Er senkte etwas ernüchtert den Kopf. »Kein sehr guter, wie es scheint. Vergebung, ich will nicht gegen die Kirche aufbegehren, nichts läge mir ferner. Doch was unsere Kirchenoberhäupter angezettelt haben, halte ich für gänzlich falsch. Ich glaube nicht an rachsüchtige Götter, oder daran, dass sie Unterdrückung, Opfer und Hass von uns erwarten, dass sie wollen, dass wir andere Religionen auslöschen, und jene töten, die andere Götter anbeten. Und ich muss recht haben, sonst hätten die Götter nicht ihre schützende Hand über mich gehalten und Euch und Eure Gefährten zu mir in die Kirche geschickt. Ich sehe mich gern als einziger Mönch, der die Wahrheit erkennt, vielleicht bin ich auch nur abtrünnig geworden. Aber zumindest folge ich meinem Herzen und bleiben meinen Überzeugungen treu. Ich könnte sonst nicht mit mir leben.«
»Ich habe Euch gestern Nachmittag beobachtet. Als Cohen und Desiderius im Hof gemeinsam übten. Das Duell ging in ein Raufen über, sie lachten, rangelten und küssten sich. Ihr habt zugesehen und gelächelt. Aber verbietet der Glaube nicht die Liebe zwischen zwei Männern? Ich wundere mich schon länger, weshalb Ihr bei uns bleibt, obwohl ich doch in den Augen der Kirche so viel Sünde in meinem Haus zulasse.« Nicht, dass Eagle je vorhätte, es wirklich als Sünde zu sehen. Ehe würde er die Kirche niederbrennen, als Desiderius und Cohen zu verbieten, sich zu lieben, oder es auch nur heimlich als falsch zu empfinden.
»Ich kann mir nicht erklären, wer dieses Gesetz ernannte, und zu welchem Zweck, doch ich bin der festen Überzeugung, dass einvernehmliche Liebe niemals etwas Falsches sein kann.«
Eagle lächelte verkniffen. Er war kein frommer Mann, war er nie gewesen. Sein Glaube an die Götter hatte sich darauf beschränkt, dass er ihre Existenz anerkannte, jedoch nicht ihre Macht über alles was sterblicher Natur war. Deshalb hatte er nie verstanden, wie sich ein ganzes Volk von einer Horde fetter, nach Reichtum gierender Priester zum Massenmord anstiften lassen konnte. Eagle gab offen zu, die Kirche nicht gemocht zu haben, dennoch hatte sein Weg ihn in die Kapelle geführt, als sein Herz innerlich zerrissen war und er einfach nicht mehr weiterwusste. Er verstand mehr denn je, weshalb Sterbliche einen Glauben nötig hatten. Und Alliqua der Mönch, hatte ihm gegeben, wonach sein Herz sich gesehnt hatte. Rat, der ihn tröstete. Dies war es, was ein Glaube ausmachen sollte, nicht der Krieg draußen auf den Feldern.
»Es gibt Hoffnung für uns alle«, hörte er sich sagen. »Hoffnung für die Kirche, Hoffnung für das Land, Hoffnung für die Krone. Alles kann erneuert werden, um im neuen Glanz zu erstrahlen.« Eagle sah sich langsam um und lächelte leicht. »Wie diese Kapelle hier nach zwanzig Jahren wieder erstrahlt.«
Alliqua lächelte bescheiden. »Es ist wohl eher ein schwacher Schimmer.«
»In der Dunkelheit erstrahlt jedes Licht so hell wie der Vollmond in finstere Nacht«, sinnierte Eagle gedankenverloren vor sich hin. Er selbst hatte das Licht seines Lebens noch nicht gefunden, er glaubte aber zu spüren, dass das Licht in seinem Leben die Krone seiner Vorväter sein würde.
»Mein Prinz?«
»Ja?« Eagle sah Alliqua wieder in die Augen. Die Ernsthaftigkeit, die ihm entgegenstrahlte, nahm ihm Atem und Sprache.
»Die Götter haben Euch geschickt«, sagte der Mönch mit einem entschlossenen Nicken, »und sie waren es, die Eure Hand führten, um den Bann von der Armee zu nehmen, damit sie Frieden schaffen kann. Ihr tragt die Schuld für den Tod Eurer Mutter also nicht allein.«
Eagle lächelte amüsiert. »Das hören die Götter gewiss nicht gerne.«
»Wenn sie mich dafür bestrafen, lasse ich es Euch wissen, denn dann hätte ich mich geirrt.«
Tief im Inneren hoffte Eagle, dass dies nicht nur leere Worte waren. Denn wenn das Schicksal es so vorherbestimmte, wer war dann er, es zu hinterfragen?
Ja, er würde bis ans Ende seiner Tage mit der Schuld leben, denn er konnte nicht ändern, seine Mutter ermordet zu haben. Doch wenn es ihm allen Widrigkeiten zum Trotz gelang, Nohva in eine Zeit des Friedens zu führen, war er nicht umsonst zum Mörder geworden. Wenn er ein guter König wurde und sich das Recht zu herrschen verdiente, war dies jeden bezahlten Preis wert gewesen. Er war es Nohva schuldig. Seine Mutter hatte dafür gesorgt, dass es in seiner Pflicht stand, dass zu einen, das sie geholfen hatte, zu spalten.