Der verborgene Erbe. Billy Remie

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Der verborgene Erbe - Billy Remie Legenden aus Nohva 5

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einen Vorwurf daraus machen. Meine Armee ruft jubelnd den Namen des Blutdrachen, und Ihr folgt Cohen. Und nur, weil ich das Blut der Airynns als einziger in mir trage, wollen Cohen und Desiderius für mich kämpfen. Aber wer würde darüber hinaus allein zu mir stehen, nur wegen dem, an das ich glaube? Ohne Desiderius und Cohen, würde wohl kaum eine Seele zu mir stehen.«

      Arrav senkte den Blick und dachte eine Weile stumm darüber nach. Das einzige Geräusch in der finsteren Küche war das leise Zischen der einzigen, entflammten Kerze, deren weißes Wachs auf den Tisch tropfte.

      Er hegte Mitleid für Eagle, wusste jedoch genau, wo das eigentliche Problem lag. Er fand noch nicht den Mut, offen zu sprechen.

      »Verzeiht«, Eagle rang sich ein Lächeln ab, das beinahe entspannt wirkte, »zu dieser Stunde hege ich düstere Gedanken. Aber Ihr habt sicher Eure eigenen.«

      »Wer wären wir, würden wir einander nicht zuhören?«, warf Arrav ein. »Dann hätten wir mit unseren Feinden nur allzu viel gemein, glaube ich.«

      Es rang Eagle ein leises Lachen ab, doch er schien weiterhin zu müde für dieses Leben.

      Der junge Erbe fuhr sich geradezu frustriert durchs Haar, die rotblonden Strähnen schimmerten herrlich im Lichtkegel des Kerzenscheins, und weckten den intimsten Wunsch, selbst einmal die Finger hindurch gleiten zu lassen. Sich gegebenenfalls auch einmal festzukrallen …

      Seufzens trank Arrav noch einen Schluck. Als sie das Lager der Flüchtigen damals fanden, und Solran auf Rahffs Befehl hin dem schlafenden Eagle eine Klinge an den Hals hielt, war Arrav bereits fasziniert von der Schönheit des jungen Mannes gewesen. Diese starken Augen, dieses männliche, ausdrucksstarke Gesicht, mit seiner perfekt geraden Nase und seinem vollen Kussmund, und natürlich diese kräftigen Muskeln unter jedem Zoll heller Haut, hatten Arrav in ihren Bann gezogen. So jung, so schön, so unbeugsam, trotz der verzweifelten Lage, in der er damals steckte. So entschlossen, tapfer zu sterben, kein Winseln um Gnade, nur trotziges Wehren, trotz Klinge an seiner sehnigen Kehle. Und diese Haarfarbe! Im Dämmerschein wie Bronze, aber die Sonne gab den Blondanteil preis. Selbst der Bartschatten schimmerte weich in dieser hellrötlichen Farbe, seine langen Wimpern waren an den Spitzen feuerrot und wurden zum Augenlid hin immer heller, sodass sie am Ende fast durchsichtig erschienen. Seine unsagbar eisblaue Augenfarbe, berühmt für seine Familie väterlicherseits, machten das Bild perfekt. Selbst die grünen Schuppen, die beinahe die Hälfte seines Körpers bedeckten, konnten seiner Schönheit nicht abträglich sein. Im Gegenteil, wann immer eine Schuppe unter der Kleidung hervorblitzte, ob im Nacken oder am Handrücken, weckten sie in Arrav den Wunsch, herauszufinden, ob sie sich so hart und trocken anfühlten, wie sie aussahen. Ob Eagle es spürte, wenn man mit den Fingerspitzen oder Fingernägeln über sie streichelte …

      »Es ist einsam, plötzlich der rechtmäßige Erbe eines uralten Königreichs zu sein«, gestand Eagle unerwartet offen, während Arrav noch seinen Fantasien nachhing.

      »So einsam wohl auch wieder nicht«, Arrav gab sich die allergrößte Mühe, nicht zynisch zu klingen, »gewiss gibt es mehr als genug willige Damen, die sich nach Euch verzehren … oder auch Männer.«

      Eagle lächelte Arrav müde an. »Frauen, ja gewiss. Doch nach meiner Gefangenschaft auf dieser Festung sind nicht mehr viele übrig, die ich nicht bereits hatte, und die, die ich kenne, reizen mich nicht mehr. Von interessierten Männern weiß ich nichts.« Er lachte bei letzterem auf.

      Arrav scherzte amüsiert: »Dann solltet Ihr es herausfinden, wenn Ihr Euch bereits so einsam fühlt.«

      Doch Eagle schüttelte ernst den Kopf. »Ich überlasse das Fischen am eigenem Ufer dem Blutdrachen und Cohen. An Männern hege ich kein Interesse, so einsam kann ich gar nicht sein.«

      Arrav fühlte sich wie geohrfeigt, ließ es sich jedoch nicht anmerken.

      Eagle seufzte schwer. »Ich meine, mir ist es gleich, wer bei wem liegt, es kümmert mich keineswegs. Und wenn alle Frauen bei Frauen liegen und alle Männer bei Männern, warum sollte ich mich dadurch gestört fühlen? Jedoch weiß ich sehr genau, was ich will. Vielleicht sogar zu genau, um eine passende Gefährtin zu finden.« Er scherzte auflachend, um seine schwermütige Stimmung zu überspielen: »Und ich weiß ziemlich genau, dass mich ein kratziger Bart beim Küssen stören würde.«

      Unwillkürlich fuhr sich Arrav über seinen Bart.

      »Aber von dieser Art Einsamkeit sprach ich ohnehin nicht«, gestand Eagle leise und wieder vollkommen ernst. »Alle erwarten etwas von mir als Prinz, vor allem meine engsten Freunde. Jeder hat seine Meinung, jeder weiß, wie er es besser machen könnte. Man ist plötzlich alles, nur kein Freund mehr. Keiner will mehr reden, alle wollen nur ihre Ansichten durchsetzen und mich als Sprachrohr benutzen. Keiner fragt, was ich denke, und sage ich es, wollen sie mich belehren. Ich bin zwar Prinz, doch wusste ich nicht, dass ich dadurch jegliche Macht verliere.«

      »Ihr müsst Ihnen zeigen, dass Ihr aus gutem Grund der Prinz seid, sonst hören sie nie auf Euch.«

      Aufmerksam hob Eagle den Blick. »Was bedeutet das?«

      Arrav senkte den Kopf und nagte an seiner Lippe. »Darf ich offen sprechen?«

      »Ihr habt die Erlaubnis«, Eagle machte eine drängende Handgeste, als wolle er Arravs Worte aus ihm herauswinken, »so sprecht frei und ehrlich.«

      In jenem Moment stieg Eagles Ansehen bei Arrav immer weiter.

      »Hört zu, mein Prinz«, Arrav lehnte sich auf die Tischkante, Eagle tat es ihm gleich, mit wachem, interessiertem Blick. »Wir alle wissen, was Ihr getan habt, vor allem Eure Männer. Viele sind begeistert, dass Ihr das Wohl aller anderen über das Leben Eurer eigenen Mutter gestellt habt. Doch Zweifel stellten sich ein, ob Ihr nicht einfach nur ein Tyrann seid.«

      Eagle wurde augenblicklich leichenblass. »Ein Tyrann?«

      »Ich weiß, Ihr hört es immer wieder, aber Eure Freunde haben in einem Recht: Ihr solltet zu Euren Männern sprechen, damit sie sehen, wer Ihr seid.«

      »Und wenn ich etwas Falsches sage?«

      »Das werdet Ihr.«

      Eagle blinzelte überrascht.

      »Für den ein oder anderen werdet Ihr das Falsche sagen«, erklärte Arrav wissend, »weil Ihr niemals in der Lage sein werdet, es allen Recht zu machen. Dem einem gefällt, was ihr sagt und versprecht und plant, dem anderen wird es missfallen.«

      Frustriert ausatmend schüttelte Eagle den Kopf, er wandte den Blick zur Seite und starrte in die dunkle Küche.

      »Aber das darf Euch nicht kümmern. Letztlich zählt nur, dass Ihr der Prinz seid. In Eurer Pflicht steht es, Eure Untertanen stets daran zu erinnern, und Ihnen zu beweisen, dass Ihr aus gutem Grund der Erbe seid. Sie mögen Zweifel haben, aber zeigt Ihnen niemals, dass auch Ihr Zweifel habt. Sie müssen denken, dass Ihr, bei allem was Ihr entscheidet, voll und ganz von Eurer Entscheidung überzeugt seid. Seid Ihr stark, sind es Eure Männer auch.«

      Wieder aufmerksam geworden, sah Eagle Arrav erneut ins Gesicht.

      »Seid offen für Ratschläge, gebt Euch nicht zu arrogant, ignoriert die Meinungen und Wünsche Eurer Freunde, Verbündeten und Untertanen niemals, aber beweist auch Stärke und Mut. Ihr seid der Prinz, nehmt Vorschläge an, habt jedoch auch den Willen, Eure eigenen Pläne zu schmieden. Auch wenn Ihr viele durch Eure Entscheidungen verärgert – das könnt Ihr nicht verhindern – werden viele auch dann zu Euch stehen, wenn Ihr ihnen beweist, dass Ihr das Zeug zum

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