Der verborgene Erbe. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Der verborgene Erbe - Billy Remie страница 31
»Und wenn ich Fehler mache?«
»Jeder gute Mann macht Fehler«, warf Arrav ein. »Und wenn etwas schiefgeht, zeugt es auch von Stärke, den Fehler einzugestehen, und um weitere Ratschläge zu bitten. Vergesst aber nicht, Ihr seid der Prinz, niemand steht über Eurem Wort.«
Eagle runzelte nachdenklich seine Stirn, während er gründlich darüber nachdachte. Immer deutlicher sah Arrav, wie sich die Schultern des müden Prinzen strafften, als schöpfte er neuen Mut.
Und Arrav hatte noch mehr zu sagen.
»Rahffs größtes Problem war die Kirche«, erklärte er dem jungen Erben, »er hat sich entschlossen, seine Stärke aus dem Bündnis mit der Religion zu ziehen. Um seine Macht nicht zu verlieren, hielt er die Füße still. Wenn Ihr meinen ehrlichen Rat hören wollt, dann macht nicht den gleichen Fehler wie er. Ihr seid König, oder werdet es sein, und nichts darf über Euch stehen.«
Eagle hörte ihm aufmerksam zu.
»Akzeptiert die Existenz der Kirche, toleriert den Glauben Eurer Völker, aber lasst nichts davon Macht über Euch oder Eure Entscheidungen haben. Akzeptiert den Einfluss des Adels, doch lasst ihn nicht über Euch stehen oder gar mit Euch spielen. Achtet Eure Verbündeten, doch lasst sie nicht über Euch richten. Ihr müsst ein anpassungsfähiger König sein. Zeigt Stärke und Entschlossenheit, aber auch Güte und Gnade. Die Menschen müssen das Gefühl haben, dass Ihr genau wisst, was Ihr tut. Zeigt Selbstvertrauen. Lernt, zwischen dem schmalen Grat von Tyrannei und Konsequenz zu balancieren. Ihr seid der König, und nur Euer Wille zählt.«
Nachdenklich und ein wenig zweifelnd nagte Eagle an seiner Lippe. Arrav streckte eine Hand über den Tisch und drückte Eagles kräftigen Unterarm, er lächelte den Erben an.
»Und wenn ich Euch so ansehe«, sagte Arrav aufrichtig, »hege ich keinen einzigen Zweifel daran, dass diese Stärke in Euch wohnt. Lasst Euch von niemanden verunsichern. Nur Euer Wort ist Gesetz, vergesst das nicht. Macht von Eurer Stellung gebrauch, zeigt Ihnen, auch dem Blutdrachen, dass Ihr der König seid, auf den alle gewartet haben, und sie werden Euch folgen.«
6
»Was, im Namen der Götter, geht hier vor sich?« Cocoun trat im Morgenmantel mitten in der Nacht aus dem Palast und sah ungläubig dabei zu, wie die Kutsche des Lords und seine Leibgarde auf den gepanzerten Pferden vor ihm zum Stehen kamen.
»Vater!«, bellte er, als der Lord von Dargard aus der Kutsche stieg. Eine Leibgarde in Eisenrüstung stützte den gebrechlichen Mann dabei, der die Röcke seines edlen Gewands raffte, um vom Trittbrett steigen zu können.
»Mein Sohn hat während meiner Abwesenheit mal wieder seine Manieren verloren, fürchte ich«, sagte der Lord mehr zu sich selbst. Seine Leibgarde lächelte gefühllos.
Cocoun trat vor seinen Vater und sah ihn scharf an. »Warum verweilt Ihr nicht länger an des König Seite?«
Der Schall der Ohrfeige, die Cocouns Wange traf, ließ ganz zu seinem Leidwesen alle Bewegungen um ihn herum erstarren. Die Dienerschaft und die gepanzerten Ritter sahen alle zu ihnen hinüber, während Cocoun sich die Wange hielt und vor lauter Scham nicht wagte, aufzusehen. Erst als der Lord mit der Hand winkte, kam wieder Bewegung in die gaffenden Leiber.
»Zunächst einmal hast du mich anständig zu begrüßen, Sohn!«, herrschte der Lord Cocoun an, »außerdem dulde ich gewiss nicht, dass du in diesem Ton mit mir sprichst. Ich bin dein Vater! Zolle mir Respekt!«
Cocoun knirschte mit den Zähnen. Wie gerne er den Alten doch vor allen Augen niedergeschlagen hätte! Doch trotz körperlicher Überlegenheit hatte Cocoun seit seiner Geburt Angst vor seinem alten Herrn. Jene Furcht war nicht leicht zu überwinden.
Er richtete sich seinem Vater gegenüber auf und sah über dessen Schulter hinweg trotzig an ihm vorbei, wahrte aber stolz seine Haltung, nicht willens, sich zu entschuldigen.
»Wenn du dich jetzt wieder wie ein Mann, statt wie ein Bengel, benimmst, könntest du dich anziehen und mich begleiten, damit ich dir erzählen kann, was vor sich geht.« Der Lord regte das Kinn arrogant vor und ging an Cocoun vorbei. »Beeile dich, ich warte nicht gerne.«
***
Ein wenig später lief Cocoun langsam hinter seinem alternden Vater über die Wehrgänge, wie ein treuer Köter, was ihn zutiefst beleidigte. Hauptmann Seaks begleitete sie, er lief auf gleicher Höhe wie Cocoun, als wären sie Gleichgestellte.
»Wie ist der Zustand unserer Mauern?«, fragte der Lord, während er sich bei jedem zweiten Schritt über die Wehrgänge lehnte, um im Mondschein mögliche Mauerrisse zu erkennen.
»Sie sind alle erst vor Kurzem erneuert worden und vollständig intakt«, berichtete Seaks gehorsam. »Sie halten einem größeren Angriff stand.«
»Nicht, dass die Rebellen Kriegsmaschinen zur Verfügung hätten«, warf Cocoun ein.
»Das werden sie vielleicht, wenn der Erbe sich ihnen anschließt«, platzte sein Vater heraus.
Cocoun und Seaks blieben wie angewurzelt stehen, sie warfen sich einen überraschten Blick zu, dann folgten sie eilig dem geschäftigen Lord.
»Der Erbe?«, fragte Cocoun nach.
»Cohen hat uns verraten, deine Schergen konnten ihn wohl nicht bezwingen«, erklärte der Lord mit einem gewissen, scharfen Unterton in der Stimme.
Verdammt, Marmar! Cocoun ging davon aus, dass er tot war, dabei hatte er fest daran geglaubt, er wäre stark genug, Cohen zu töten. Welch Verschwendung.
»Es gelang dem Bastard, den Blutdrachen samt Erben zur Festung zu führen. Rahff erhielt keine Nachricht von der Dirne, wir gehen davon aus, dass sie tot ist. Die Festung wurde zurückerobert, und mit ihr die Streitmacht der Luzianer.«
»Nur ein Teil davon, der mickrige Überrest ihrer einstigen Stärke«, lachte Cocoun, »deswegen macht Ihr Euch sorgen? Wir senden Truppen gen Osten, und fangen sie ab, ehe sie die Rebellen erreichen.«
»Und wie, wenn unsere Truppen in den westlichen Wäldern unsere Grenze schützen müssen?«, fragte der Lord und drehte sich gereizt um. »Davon abgesehen sind das nicht unsere einzigen Probleme. Meine Spione am Hof fanden heraus, das Rahff hinter meinem Rücken ein Treffen mit dem Sohn des Lords aus Gino hielt. Die Götter wissen, was die beiden beredet haben, aber was es auch war, es war gewiss nicht gut für uns. Es brechen düstere Zeiten für unsere Familie an, Sohn, und ich fürchte, wir stehen ohne Rahff da. Er hat mir bereits befohlen, unsere Truppen im Westen anzuhalten und ein Kampfverbot gegen das Wüstenvolk ausgesprochen.«
»Dann steht Rahff aber auch ohne Kirche da«, konterte Cocoun. Er fürchtete sich nicht, bisher hatten sie bei jeder Schlacht einen klaren Sieg errungen.
Sollte der Erbe doch kommen! Sollte Rahff sie doch fallen lassen, dann verlor er aber auch die Krone.
»Wenn Rahff neue Verbündete findet, wird er die Unterstützung der Kirche nicht brauchen, zumal wir einen Großteil unserer Anhänger verloren, als der Blutdrache sich offenbarte«, zischte der Lord ungeduldig. »Bei