Der verborgene Erbe. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Der verborgene Erbe - Billy Remie страница 34
Eagle hielt die Hand vor der Kerzenflamme, um sich nicht zu verraten, und schlich lautlos wie eine Maus über den Boden. Als er am Ende des deckenhohen Regals angelangte, polterte wieder etwas zu Boden und rollte genau in seine Richtung.
Eine dunkle Glaskugel trat in den Schein seiner Kerze. Eagle stoppte sie mit seinem Fuß und bückte sich nach ihr. Sie war schwer und kalt. Er erkannte sie als einen Briefbeschwerer wieder, den er hier öfter in die Hand genommen hatte, während er die Regale durchforstete. Zuletzt hatte er den Briefbeschwerer auf einem Regal, das an der Wand stand, zurückgelassen.
Eagle ging den Gang entlang und leuchtete mit der Kerze ein Stück voraus, sein Herz raste, während er noch von Gefahr ausging. Neben ihm erklang so urplötzlich erneut ein Geräusch, dass er unwillkürlich mit der Kerze danach schlug. Der Schlag ging jedoch ins Leere, neben ihm erstreckte sich nur ein durchwühltes Regal.
Genau von jenem Regal fiel in jenem Moment ein weiteres Buch scheinbar wie von Geisterhand zu Boden, es kam neben den anderen bereits gefallenen Büchern auf. Eagle blickte auf sie hinab und wunderte sich noch über die zerfressenen Buchdeckel, als er das unverkennbare Fauchen einer Ratte vernahm.
Er hob den Kopf und blickte dem Tier direkt in die schwarzen Knopfaugen. Er zuckte augenblicklich erschrocken zurück. Die Ratte verschwand eilig hinter einer Buchreihe und suchte Schutz vor dem Licht der Kerze.
»Verdammt, ich hasse diese Viecher«, knurrte Eagle verdrossen. Seit seiner Zeit im Kerker hatten er und die Ratten eine unüberwindbare Feindschaft geschlossen. Sie hatten ihm sein Essen stehlen wollen, dass er rationiert hatte, um zu überleben, dafür hatte er sie mit bloßer Hand erschlagen. Er hatte ja auch nichts anderes zur Verteidigung zur Verfügung gehabt.
Während er an die Zeit im Kerker dachte, wurde ihm ganz flau im Magen.
Und wieder erinnerte er sich daran, warum er Desiderius trotz aller Meinungsverschiedenheiten liebte. Sie hatten viel miteinander durchgestanden. Die Zeit im Kerker, die Folter und das Warten auf den Tod, hatten sie zu mehr als Freunden gemacht.
Ein Außenstehender würde das nie verstehen können.
Eagle stellte die Kerze im Regal ab und bückte sich, um das Chaos der Ratte zu beseitigen. Er nahm die Bücher in die Hand und ärgerte sich maßlos, dass sie beschädigt waren. Glücklicherweise schienen die Seiten unversehrt.
Als er das dritte Buch aufhob, viel ihm auf einmal etwas ins Auge.
Der Staub auf dem Boden unmittelbar neben dem Regal, wo eine freie Wand stand, besaß einen seltsamen Abdruck. Eagle untersuchte die Stelle genauer.
Es schien ganz so, als habe jemand das Regal um einige Schritte verschoben.
Eagle stand auf, ging an das andere Ende des Regals und stemmte sich dagegen. In dem stillen Raum hallte das Kratzen des Holzes über den Gesteinsboden laut von den Wänden wider. Glücklicherweise war außer ihm niemand im Gewölbe. Die Ratte im Regal gab einen verängstigenden Laut von sich. Eagle sah sie hinabspringen und in den Schatten verschwinden. Jetzt war sie wieder das Problem der Küchenfrauen, nicht seines.
Es war schwer, das Regal zu schieben, zumal es gefährlich wackelte, sodass zu befürchten stand, dass es jeden Augenblick in sich zusammenfallen könnte. Eagle schob trotzdem weiter, und seine Mühe wurde belohnt.
Das Regal hielt stand, und dahinter war etwas versteckt gewesen.
Eine Tür.
Eine alte, niedrige Holztür. Eagle nahm die Kerze wieder an sich und drehte den goldenen, angelaufenen Knauf. Die Scharniere quietschten laut, das Geräusch gellte wie die Klageschreie einer Witwe durch das Gewölbe.
Hinter der Tür befand sich ein kleiner Raum. Der Kerzenschein entlarvte ihn als ein uraltes Arbeitszimmer.
Eagle trat vorsichtig ein, musste sich mit der Hand einen Weg durch Staub und Spinnenweben bahnen. Der Schreibtisch und der Stuhl in der Mitte des fensterlosen Raums waren derart morsch, dass ihre Beine bereits zu Staub verfallen waren. Auch die Pergamente in den Regalen an den Wänden waren größtenteils nur noch staubige Überreste.
Eagle ging in dem Raum umher, beleuchtete alles mit dem schwachen Schein seiner Kerze, und kam nicht umhin, Ehrfurcht für diesen alten Raum zu empfinden.
Warum er wohl versteckt gewesen war? Erst kürzlich musste jemand das Regal verschoben haben, doch Eagle kannte diese Tür nicht, obwohl er hier aufgewachsen war. Auch im dicken Staub auf dem Fußboden waren nur seine Fußspuren zu entdecken. Außer ihm hatte seit Jahrhunderten niemand diesen Raum betreten, es wirkte fast so, als habe jemand nur nachsehen wollen, ob er noch existierte, ohne hinein zu gehen.
Und Eagle sollte auch herausfinden, wer.
Neugierig wie er nun mal war, stellte Eagle die Kerze behutsam auf den Überresten des Tischs ab und durchsuchte den Raum. Hier und dort fand er einige Schriftstücke, die noch leserlich waren. Und je mehr er las, je mehr deckte er die dunklen Geheimnisse einer uralten Geschichte auf, die längst in Vergessenheit geraten war.
8
Jemand berührte Wexmells Schulter, woraufhin er in seiner Hängematte augenblicklich erschrocken zusammenfuhr.
»Ich bin es nur.« Allahad beugte sich zu ihm hinab, seine Worte kamen geflüstert durch seinen Ziegenbart. »Da ist etwas im Wald, Wexmell.«
Wexmell nickte stumm, woraufhin Allahad sich zurückzog, um die Umgebung wachsam im Auge zu behalten. Luro war auch schon auf den Beinen, einen Bogen und einen Pfeil kampfbereit, aber noch zu Boden gerichtet.
Der Morgen dämmerte über dem Regenwald, Dunst hing über dem feuchten Boden, auf den Wexmells Stiefel nun landeten. Dainty und Janek hatten in weiser Voraussicht Hängematten bereits in Carapuhr anfertigen lassen und für alle eine eingepackt. Sie schliefen in einiger Entfernung zum Boden, da, laut den beiden Elkanasai, Gefahr in Form von giftigen Tieren auf der Erde drohte, die nachts auf das Lager unwissender Reisender krochen. Und es gab selten das passende Heilkraut für die Vergiftungen der zahlreichen Tierarten des Regenwaldes. Ebenso wenig gab es einen Schutz gegen diese lästigen Fliegen, von deren Stichen sie allesamt große Beulen davontrugen.
Da sie sich noch nahe an den Truppen des Kaisers befanden, konnten sie noch immer kein Feuer anzünden, doch hungern mussten sie deshalb nicht, sie hatten genügen Vorräte bei sich, um bis zum Winter – wenn nötig – auszuharren. Glücklicherweise war es ohnehin viel zu warm, um es in der Nähe eines Lagerfeuers auszuhalten. Selbst so früh am Morgen lief Wexmell der heiße Schweiß über das Gesicht. Und es gab keine Wasserquelle weit und breit, die vertrauenswürdig gewesen wäre. Selbst wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten, das Wasser abzukochen, bevor sie es tranken oder damit ihre Haut wuschen, bestand bei jedem Flussufer die Gefahr, dass sie von einem Alligator geschnappt und gefressen wurden.
Elkanasai, was für ein seltsamer Ort, seufzte Wexmell in Gedanken. Mit Desiderius an seiner Seite hätte er sich wesentlich sicherer gefühlt. Was kein Wunder war, denn Derius hatte Wexmell sogar vor einem riesigen Eisdrachen beschützen können.
Was hätte wohl ein Alligator gegen den Blutdrachen