SOS - Deutsche Seeleute in Not. Fred Rockstroh
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Die Schifffahrt unterliegt, wie alle Wirtschaftsbereiche permanenten Veränderungen und es gibt sicherlich immer wieder Anlass die vorhandenen Erkenntnisse einer Revision zu unterziehen.
SOS – Deutsche Seeleute in Not – Eine kritische Betrachtung zum Zustand der deutschen und internationalen Seeschifffahrt
1906 wurde auf der Internationalen Funkkonferenz in Berlin beschlossen, dass Morsesignal
●●● ▬ ▬ ▬ ●●● (SOS) als internationales Seenotfunksignal einzuführen.
Nachdem alle seefahrenden Nationen ihre Bestätigung dazu gegeben hatten, wurde ab 1. Juli 1908 dieses Morsesignal als alleiniges internationales Seenotfunksignal akzeptiert und zur Nutzung freigegeben.
Im Zuge der technischen Entwicklung im Seefunkverkehr, der Abwendung vom Morsefunkverkehr zum Sprechfunkverkehr, wurde das Signal SOS durch das Sprechfunksignal „ MAYDAY“ abgelöst.
In der Gegenwart ist das Morsesignal „SOS“ in der praktischen Seeschifffahrt fast bedeutungslos geworden, dafür gewinnt „ SOS“ als Notsignal in einem anderen Sinne Bedeutung.
Wir schreiben das Jahr 2015 – und „SOS“ (Save Our Sailors) ist aktueller denn je. Allerdings in abgewandelter Bedeutung. Diesmal geht es nicht um ein Schiff in Seenot, sondern um einen ganzen Berufsstand in Deutschland: die deutschen Seeleute in der deutschen Seeschifffahrt.
Die deutschen Seeleute laufen Gefahr auszusterben - nur Panikmache, nur Medienkampagne?
Keines von Beiden – sondern bittere Realität.
Was sind die Ursachen,
dass wir gegenwärtig einen Kahlschlag deutscher Seearbeitsplätze in der deutschen Seeschifffahrt erleben müssen?
dass im großen Stil Schiffe unter deutscher Flagge ausgeflaggt und unter „Billigflagge“ gebracht werden?
dass der deutsche maritime Nachwuchs in der Seeschifffahrt in die Hoffnungslosigkeit getrieben wird und die sehr reale Gefahr besteht, dass erstklassiges maritimes Fachwissen verloren geht und deutsche maritime Bildungseinrichtungen / Fach und Hochschulen zur internationalen Bedeutungslosigkeit degradiert werden?
Sind das alles Hirngespinste verworrener deutscher Seeleute? – Mitnichten!
Die nachfolgenden Ausführungen bringen hoffentlich ein wenig Licht ins Dunkel, der mit nachvollziehbaren Zweifeln behafteten Argumentationen von Schiffseignern, Reedereimanagern und dem Verband Deutscher Reeder und stützen auch die Ansicht des Bundesrechnungshofes, der mehrfach in seinen „Bemerkungen des Bundesrechnungshofes (BRH) zur Haushalts-und Wirtschaftsführung des Bundes“ die Förderpraxis für die deutsche Seeschifffahrt durchaus berechtigter scharfer Kritik aussetzte und eine Abkehr von der gegenwärtigen Förderpraxis forderte, da eindeutig ersichtlich ist, das diese Förderrichtlinien ihre eigentlichen Ziele weitgehend verfehlen und dem Bund jährliche Steuermindereinnahmen von Hunderten Millionen Euro bescheren. Das bedeutet nichts anderes, bei entsprechender Hochrechnung vom Jahr 1999 bis zum Jahr 2015, dass dem Bund Steuereinahmen von ca. 6 Mrd. Euro entgangen sind. Zusätzlich wurden ca. 751 Mio. Euro Finanzhilfen bereitgestellt. Ohne, dass es dafür gesetzlich bindende Verpflichtungen für die Schiffseigner gibt. Alles beruht auf Freiwilligkeit, wenn es um die Forderungen der Bundesregierung an die deutschen Schiffseigner geht, ihren Beitrag zu leisten, den Schifffahrtsstandort Deutschland und vor allem, deutsche Seearbeitsplätze und den maritimen Nachwuchs zu sichern, um Fachkompetenz im Lande zu halten und zu erhalten. Maximale Förderung einzufordern, sich jedoch nicht an Selbstverpflichtungen zu halten und damit den Anschein des Abkassierens zu erwecken, sehen dagegen deutsche Schiffseigner als ihre Pflicht an. Dieser Vorwurf ist schwerwiegend, die gegenwärtige Entwicklung in der deutschen Seeschifffahrt gibt dem Recht. Die Kassenwarte des Bundes können das auch sehr stichhaltig unterlegen. Das Studium der Berichte des BRH, gerade zur Förderpraxis für die Schifffahrt kann der Autor nur empfehlen. Und bestätigt immer wieder aufs Neue die Absurdität, der von der deutschen Bundesregierung praktizierten Förderrichtlinien für die Schifffahrt.
Wie sieht die deutsche Wirklichkeit in der deutschen Seeschifffahrt aus?
Wir erleben derzeit eine gnadenlose Verdrängung deutscher Seeleute aus ihrem Beruf zugunsten „billiger“ Seeleute aus der Dritten Welt (Sri Lanka, Indien, Bangladesch, Myanmar, Indonesien, Philippinen u.a.m.) und Osteuropa. Als Hauptargument der deutschen Schiffseigner und des Verbandes deutscher Reeder muss immer wieder herhalten:
Der deutsche Seemann ist im internationalen Vergleich in der Seeschifffahrt zu teuer!!!
Der ehemalige CFO der Reederei NSB GmbH & Co. KG Lutz Weber hatte das so erklärt:
„Der maritime Standort Deutschland bietet europäischen und deutschen Seeleuten leider keine Perspektive!“
„.... nicht gelungen ist den Förderrahmen für die deutsche Flagge auf ein Niveau zu bringen, das langfristig eine internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Beschäftigter auf See sicherstellt und das maritime Know-how am Standort Deutschland sichert.“
Quelle Zitat: Mr. Lutz Weber, CFO NSB GmbH & Co. KG - in “Deutsche Seeschifffahrt Januar/ Februar 2015– Journal of German Ship Owners Association”, page 14
Solche Aussagen dürfen als Armutszeugnis eines Unternehmensfinanzvorstandes bezeichnet werden. Was zweifellos auch die Frage nach seinem finanzwirtschaftlichen Sachverstand aufwirft und als eine schallende Ohrfeige für alle deutschen /EU Seeleute auf ISR registrierten Schiffen unter deutscher Flagge gewertet werden muss. Doch es wird noch etwas anderes ausgesagt. Deutsche Seeleute interessieren nicht. Es geht um das „große Ganze“, um europäische Beschäftigte auf See. Welche Auswirkungen das auf die Deutsche Flagge und die Beschäftigung deutscher Seeleute hat, soll mit diesem Buch aufgezeigt werden. Deutsche Seeleute waren gestern. Und es bedeutet nichts Geringeres, als die Ankündigung, das Maritime Bündnis zu Grabe zu tragen. Herr Weber, dieser, nicht nur ihrer Meinung, werden die nachfolgenden Ausführungen hoffentlich ausreichend Stoff zum Nachdenken bieten. Es soll ihnen verdeutlichen, dass ihre einseitige Reeder/ Schiffseigentümer gerichtete Sichtweise mit eine der Ursachen der heutigen Situation in der Seeschifffahrt ist. Sie belegt unverkennbar die unverfrorene Nehmermentalität der deutschen Schiffseigner. Abseits jeder sozialer Verantwortung.
Es geht dem Autor aber auch hierbei darum klarzustellen, dass alle jene deutschen Reeder und Schiffseigner, die sowohl zur Deutschen Flagge und damit der Beschäftigung deutscher Seeleute in ihren Unternehmen an Bord ihrer Schiffe stehen und sich damit ihrer unternehmerischen, gesellschaftlichen und sozialen Verantwortung stellen, dazu aufzurufen in ihren Bestrebungen nicht nachzulassen die deutsche Flagge zu stärken, damit die Beschäftgung deutscher Seeleute auf der Basis der Schiffbesetzungsverordnung von 2013 zu forcieren. Es darf in dem Bestreben nicht