Helmut Schmidt. Neue Osnabrücker Zeitung

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Helmut Schmidt - Neue Osnabrücker Zeitung

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      Tatsächlich: Nötig hatte er solcherlei Ehrungen nie. Uneitel war er trotzdem nicht. Aber lieber, als einen Orden zu tragen, rühmte er sich seiner Haltung und Härte, Bodenhaftung und Bescheidenheit. Daneben schmückte er sich mit politischen und persönlichen Freundschaften in aller Welt; Autokraten eingeschlossen.

      Die Bewunderung für ihn war groß, die Anerkennung riesig. Ob es immer auch Liebe war? Kühl war Schmidt als Mensch, klar in der Analyse, knapp und kantig im Ausdruck. Er war eine Persönlichkeit aus einer anderen Zeit. Hanseat statt Hampelmann, mehr Bismarck als Obama. Wer ihn erleben durfte, wird ihn nicht vergessen. Schmidt ist Legende.

      Einleitung: Eine deutsche Instanz

      Von Uwe Westdörp

      Von scharfem Verstand, eisern, mutig, angriffslustig: Helmut Schmidt war als Bundeskanzler geachtet, aber nicht beliebt. Den Gipfel seiner Popularität erreichte er erst lange nach dem Ende seiner politischen Laufbahn. Als erfahrener Ratgeber und geschätzter Publizist war der Sozialdemokrat eine deutsche Instanz. Das Beste kam zum Schluss.

      Osnabrück (NOZ) - So kannte man Helmut Schmidt: In Zigarettenrauch gehüllt, ernst und jedes Wort wägend – als gelte es, fortwährend unumstößliche Wahrheiten zu formulieren. Als wäre er aus der Zeit gefallen, setzte der eigensinnige Hanseat sich lässig über alle Rauchverbote hinweg. Politisch und intellektuell war er indessen bis ins hohe Alter auf der Höhe der Zeit. Ja, sein Ansehen stieg von Jahr zu Jahr.

      Kurz vor seinem 95. Geburtstag im Dezember 2013 erklärte eine Umfrage-Mehrheit Helmut Schmidt sogar zum bedeutendsten Bundeskanzler der Bundesrepublik – vor Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Kohl. Dass die drei Vorgänger historisch mehr bewirkt hatten, trat in den Hintergrund. Schmidt bestach bis zuletzt durch scharfen Intellekt und Geradlinigkeit. Hochgelobt erhob er sich als umfassend gebildeter Publizist, gefragter Redner und „Orakel von Hamburg-Langenhorn“ in höchste Sphären der öffentlichen Wertschätzung.

      „Meine Fehler habt ihr verschwiegen, euer Lob habt ihr weit übertrieben“, monierte der Altkanzler 2013 nach seinem 95. Geburtstag. Zu allzu großer Bescheidenheit neigte er aber zeitlebens nicht: „Mir ist der eigene Geltungsdrang durchaus bewusst“, bestätigte er noch als alter Mann.

      Helmut Schmidt habe ihm stets Orientierung gegeben, lobte Gerhard Schröder. Henry Kissinger, der unter anderen für John F. Kennedy gearbeitet hatte, nannte Schmidt „einen der bedeutendsten Männer, die ich kennenlernen durfte“. Und Bundespräsident Joachim Gauck gratulierte zum 95. mit den Worten, Schmidt werde „zu Recht in die Geschichtsbücher eingehen“.

      Die erste große Stunde des Hanseaten schlug, als seine Heimatstadt Hamburg 1962 von einer schweren Sturmflut heimgesucht wurde. Als Polizeisenator riss Schmidt zentrale Entscheidungsvollmachten an sich und koordinierte die Hilfsmaßnahmen. Auch Bundeswehrsoldaten beteiligten sich auf Drängen des Senators an der Rettung von Flutopfern, obwohl solche zivilen Einsätze der Truppe damals rechtlich noch nicht abgesichert waren. O-Ton Schmidt: „Ich habe das Grundgesetz nicht angeguckt in jenen Tagen.“

      Im Bundestag, dem er von 1953 bis 1962 und von 1965 bis 1982 angehörte, machte der Sozialdemokrat sich als Verkehrs- und Militärexperte einen Namen. Entschieden lehnte er eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr ab, scharf attackierte er den damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU). „Ich bin der Mann mit der schnellen Schnauze“, sagte er über sich selbst.

      Als „Schmidt Schnauze“ nahm der angriffslustige Sozialdemokrat freilich nicht nur politische Gegenspieler hart an, sondern auch politische Freunde. „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, ätzte Schmidt – ein Seitenhieb auf Willy Brandt. „Es war eine pampige Antwort auf eine dusselige Frage“, so Schmidt Jahrzehnte später in einem Interview.

      Am 16. Mai 1974 übernahm er nach dem Rücktritt von Brandt erstmals das Amt des Bundeskanzlers. Schwere Wirtschaftskrisen und der Terrorismus der Roten-Armee-Fraktion (RAF) wurden zu seinen größten Herausforderungen. Schmidt ging die Probleme mit kühler Konsequenz an. Sein Credo: „In der Krise beweist sich der Charakter.“

      In Fortsetzung der Brandt’schen Entspannungspolitik unterzeichnete Schmidt im August 1975 die Schlussakte der „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ in Helsinki. Doch war er auch mit neuen Spannungen konfrontiert: 1979 marschierte die UdSSR in Afghanistan ein.

      Gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing begründete Schmidt 1975 regelmäßige Treffen der wichtigsten Wirtschaftsnationen. Diese „Weltwirtschaftsgipfel“ gibt es bis heute. Gemeinsam initiierten beide Staatsmänner auch die Einführung des Europäischen Währungssystems, aus dem die Rechnungseinheit ECU hervorging. Es war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Euro.

      Zu Schmidts schwersten Prüfungen gehörte der Terrorismus der RAF. Die Regierung reagierte mit einer Aufrüstung der Polizei, einem Ausbau der Überwachungsapparate und einem Abbau von Grundrechten. Die Situation eskalierte, als RAF-Mitglieder im September 1977 den Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer entführten. Im Gegenzug für dessen Freilassung forderten sie die Freilassung von Andreas Baader und elf weiteren RAF-Mitgliedern. Doch Schmidt blieb hart: „Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht erpressbar.“

      Arabische Terroristen entführten daraufhin am 13. Oktober 1977 die Lufthansa-Maschine „Landshut“, um die RAF zu unterstützen. Nach mehreren Stationen landete sie in Mogadischu in Somalia. Die Bundesregierung setzte die Spezialeinheit GSG 9 ein. Alle Geiseln konnten bei einem spektakulären Einsatz auf dem Flughafen von Mogadischu befreit werden. Für Schleyer, der trotz größter Anstrengungen nicht zu finden war, bedeutete dies das Todesurteil. Die RAF-Terroristen ermordeten ihn.

      Schmidt zeigte sich erschüttert über den Tod Schleyers und übernahm die politische Verantwortung. „Zu dieser Verantwortung“, so sagte er im Bundestag, „stehen wir auch in Zukunft. Gott helfe uns.“ Gesenkten Hauptes kondolierte der Kanzler der Witwe Waltrude Schleyer bei der Trauerfeier in Stuttgart. Erst viele Jahre später machte die Familie ihren Frieden mit Schmidt, der schuldlos schuldig geworden war. 2013 erhielt der SPD-Politiker den Preis der Hanns-Martin-Schleyer-Stiftung – in Anerkennung seiner Verdienste um die „Festigung und Förderung des freiheitlichen Gemeinwesens“.

      Standfestigkeit bewies Schmidt auch im Streit um die Nato-Nachrüstung. In den Jahren 1976/77 begann die Sowjetunion, mit Atomsprengköpfen versehene Mittelstreckenwaffen des Typs SS 20 zu stationieren, die auf Westeuropa gerichtet waren. Die Nato reagierte mit dem „Doppelbeschluss“. Dieser sah die Stationierung eigener atomarer Mittelstreckenraketen – überwiegend in der Bundesrepublik – vor, wenn Verhandlungen mit der Sowjetunion ergebnislos verlaufen würden. Die geplante Aufrüstung spaltete das Land. Eine breite Friedensbewegung entstand. Doch Schmidt verteidigte die Nachrüstung als unverzichtbar und verband sein politisches Schicksal damit. Erst 1987 einigten sich die USA und die Sowjetunion auf Abrüstung der Atom-Arsenale.

      Die Kontroverse um den Kurs der NATO und tiefe Meinungsverschiedenheiten über den richtigen Weg aus der Wirtschaftskrise trieben sowohl den linken und den rechten Flügel der SPD als auch die Sozialdemokraten und ihren Koalitionspartner FDP immer weiter auseinander. Die sozialliberale Regierung versuchte es mit einer Reihe von Konjunkturpaketen. Doch Ölpreisschock und Weltwirtschaftskrise hinterließen auch in der Bundesrepublik ihre Spuren: Die Arbeitslosigkeit übersprang im Lauf des Jahres 1982 die Marke von zwei Millionen. Die FDP ging schließlich auf Distanz zur SPD und zog am 17. September ihre vier Minister aus der Regierung zurück. Am 1. Oktober folgte ein von der Opposition beantragtes konstruktives Misstrauensvotum. Schmidt verlor, neuer Bundeskanzler wurde Helmut Kohl.

      Schmidts große Zeit in der Politik war damit unwiderruflich vorbei,

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