Schwester des Mondes - Teil meines Lebens. Sorella Di Luna
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Luna bringt ihren Arbeitstag hinter sich, geht etwas früher nach Hause. Sie möchte genug Zeit haben zu duschen, sich anzuziehen und ein wenig vorzuwärmen, mit ein paar Gläsern Cognac.Gegen halb vier trinkt sie ihr erstes Glas und direkt ein zweites hinterher. Jetzt fühlt sie sich ein wenig leichter. Luna muss ein wenig lachen über sich, der Cognac sorgt dafür, dass sie sich - so entblößt unter der Dusche - nicht gar so unattraktiv und unscheinbar vorkommt. Es macht ihr sogar Spaß sich ausgiebig abzuschrubben, sie wäscht die Haare zweimal. Ihr Vater sagte früher immer, erst dann wären sie richtig sauber.
Ins Handtuch eingewickelt geht sie an die Hausbar und gießt sich den dritten Cognac ein. Sie setzt sich eine Weile hin, um ein wenig zu trocknen. Danach das vierte Glas, denn jetzt muss sie sich eincremen. Das ist für sie oft schwierig, sie kann sich selber kaum im Spiegel anschauen. Sie findet sich viel zu dick, zu unförmig und hässlich, einfach verdammt unattraktiv. Heute geht es ganz gut. Sie beendet die Prozedur, zieht sich schnell etwas über und steuert wieder die Bar an. Mit dem fünften Glas Cognac geht sie in ihr Zimmer, schaltet den PC an und legt eine DVD ihrer eigenen Band ein, mit der sie früher jahrelang Musik gemacht hat.
Das sechste Glas erleichtert ihr das Weinen über vergangene Zeiten und ihre heutige Unzulänglichkeit. Und langsam wird es Zeit, sich fertig zu machen. Sie nimmt ihre Lieblingskleidung aus dem Schrank. Eine einfache Jeans, ein weißes Hemd. Dazu Turnschuhe und die Jeans-Jacke. Nichts Besonderes, aber sie fühlt sich sicher darin, achtet auch darauf, dass man nicht zu viel ihres Dekolletés sieht. Das wäre ihr unangenehm, es käme ihr billig vor.
Gut gelaunt, fast euphorisch durch den Alkoholgenuss, geht sie zu Fuß zu ihrer Stammkneipe. Auf dem Weg dorthin telefoniert sie mit Gitty. Es ist eine Art Ritual an den Donnerstag-Abenden. Sie unterhält sich locker, interessiert. Keiner würde ahnen, dass sie schon sechs Doppelte hinter sich hat. Nach zwanzig Minuten ist Luna angekommen, sie beendet das Gespräch und geht hinein. Sie findet schon mehrere ihrer Freunde vor. Sie bestellt das übliche, den „flotten Dreier“: Cognac, Bier, Wasser.
Sie ist gut drauf, schlagfertig. Ihr bissiger Humor sorgt für gute Laune, die Kebbeleien gehen hin und her. Das macht ihr Spaß, sie fühlt sich sicher, angenommen und fähig.
Der Abend schreitet voran und aus dem ersten Cognac werden sieben, aus dem ersten Bier unzählige. Mit einem Mal kommt der Punkt, an dem sie die Dunkelheit und den Abgrund unter sich bildlich vor sich sieht. Luna spürt eine Kraft, die ihr den Boden unter den Füssen wegzieht. Sie hat plötzliche Angst vor den ihr bekannten Menschen, sie schaut in feindliche Gesichter, hört das Lachen und empfindet es als höhnisch. Sie muss von diesem Tisch weg, ihr ist schlecht. Mit letzter Kraft steht sie langsam auf, sie sucht ihr Gleichgewicht und geht, innerlich unsicher, aber nach außen hin gerade, auf die Toilettentür zu. Sie ist froh, als sie die Tür hinter sich schließen kann und schaut in den Spiegel. Was ihr entgegenblickt erschreckt sie. Tiefe Augenringe, blasse Haut, die Haare sind stumpf, glänzen nicht mehr. Ihre Mundwinkel sind herabgezogen, die steile Falte über der rechten Augenbraue ist sehr stark sichtbar. Sie weicht zurück, stößt rücklings an die Wand und lässt sich herunterrutschen auf den glatten Boden. Ihr ist egal, ob der Boden sauber ist. Das Zeitgefühl hat sie völlig verloren, sie sinkt in sich zusammen und schlägt den Hinterkopf rhythmisch gegen die Kacheln. Sie möchte nur noch sterben. Tot sein. Das hämische Lachen, die Gemeinheiten, die gefühlte Verfolgung hinter sich lassen. Luna fühlt sich unwert, abgelehnt, unfähig ein Leben innerhalb der Norm zu führen.
Nach einer ihr endlos vorkommenden Zeit öffnet sich die Tür und eine Freundin kommt herein, auf der Suche nach ihr. Sie lässt sich neben Luna auf dem Boden nieder, spricht mit ihr, nimmt sie in den Arm, streichelt sie. Hält ihren Kopf, der immer noch gegen die Wand schlagen will. Luna ist völlig erschöpft, mutlos, willenlos. Ein Freund von ihr bestellt ein Taxi. Er hebt Luna hoch, kann sie kaum halten, da sie immer wieder in sich zusammensackt, sie nimmt kaum wahr, was um sie herum geschieht. Als das Taxi kommt, weigert Luna sich, einzusteigen. Sie wirft dem Taxifahrer vor, er wolle sie anmachen, beschwört ihre Freundin, sie nicht allein zu lassen, sie habe Angst, er wolle sich an sie ran machen. Sie gibt erst Ruhe, als das Taxi wieder weg ist.
Inzwischen kann sie wieder sitzen, ohne dass der Körper nachgibt. Sie legt den Kopf auf die Arme und weint ohne Hemmungen und ohne Unterlass. Ihr weißes Hemd ist nass, vom Bier und von den Tränen. Sie glaubt, sie müsse alles Schmutzige, alles Falsche, alles Angst machende aus sich heraus weinen, doch es gelingt ihr nicht.
Arme halten sie fest. Mehrere. Sie weiß noch nicht einmal, wessen Hände es sind, die sie spürt. Es ist ihr egal. Alles ist ihr egal. Sie möchte nur noch einschlafen und niemals mehr aufwachen. Zwei ihrer Freunde sind noch bei ihr, möchten sie nicht allein lassen. Als sie sich ein wenig beruhigt hat, wird sie von ihnen in die Mitte genommen und nach Hause gebracht.
Der Weg zurück nach Hause lässt sie ihren Körper wieder mehr spüren und sie ist in der Lage, die eine Treppe zu ihrer Wohnung ohne Hilfe zu bewältigen. Es dauert eine Weile, bis sie das Schlüsselloch findet. Sie flucht in sich hinein, betet, dass ihr Lebensgefährte nicht aufwacht. So soll er sie nicht sehen. Sie hat Glück. Sie geht leise ins Zimmer und macht noch einmal den PC an. Liest sich den gestrigen Mailverkehr durch:
An Giorgio:
„Angst, Angst, Angst. Luna kann kaum sprechen, so schnürt es ihr die Kehle zu. Gleichzeitig diese zermürbende Übelkeit und die Riesenfaust, die sich um Lunettas Magen geschlossen hat. Und ihn schüttelt und drückt und trotzdem einen schmalen Weg lässt für diese bodenlose Traurigkeit, die sich vom Magen durch Lunettas Herz sich in ihre Kehle drängt.
Es ist ein ständiges Auf und Ab. Ein Springen von ganz unten nach irgendwo ganz oben, Lunetta kann dort aber nicht lange genug ausharren um Kraft zu sammeln, sie ist möglicherweise bewusst zu langsam. Luna schaut sich wieder einmal beim Schreiben zu. Lässt Lunetta die wichtigen Dinge erzählen. Lässt Lunetta die Schmerzen spüren, die Luft nehmen. Möchte Lunetta gerne entscheiden lassen, ob sie die Vorstellung beim Psychiater auf sich nehmen soll, auf sich nehmen kann! Aber Lunetta ist ja viel zu klein, um das zu verstehen.
Sie ist ein trotziges, beseeltes Kind, das viele Gefährten in sich hat. Sie sind immer da, stehen oder gehen neben ihr, winken ihr zu oder heben sie auf, wenn sie gefallen ist. Sie können ihr Trost spenden und vor allem weiß Lunetta, dass sie damit unbesiegbar, unverletzlich ist .Und für jeden darf Lunetta eine ureigene Rolle spielen. Und für jeden darf sie sterben, wann sie will. Wann immer sie will, immer wieder. So oft sie mag. Lunetta ist in der Lage, Schutz zu geben, zu helfen, zu trösten, zu diskutieren. Alles, was man ihr bot oder auferlegte, hat sie mit Verachtung und Unterwürfigkeit getragen. Luna kann diesen Teil eines Lebens in gar keinen Realitätsbezug mehr setzen. Aber vielleicht ist es besser so. Besser für Luna? Das bezweifle ich. Besser für Lunetta? Ja, als Traumgestalt für Luna viel eher wahrzunehmen. Lunetta, wo bist Du? Fragt Luna sich... uns fehlt doch noch immer jemand, der uns an die Hand nimmt! ...Uns fehlt doch die Verbindung untereinander!
Lunetta, lass mich bitte nicht allein!“
Versuch einer Theorie von Giorgio:
Liebe Luna,
ich bitte Dich, das nachfolgende nur als einen dilettantischen Gedanken, als reine Hypothese von mir zu bewerten und ihn Dir nicht unreflektiert zu eigen zu machen! Es ist durchaus möglich, dass alles bei Dir alleine durch Alkohol beeinflusst wird...
Gedanke:
Es gibt außer den von Dir / Euch selbst erwähnten „Gefährten“ noch eine wichtige Partnerin in Euch und ihr Wesen ist für mich sehr