Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen страница 4
Wieder ist es einige Momente still und ich sehe aus dem Augenwinkel, dass Erik sich zu mir umdreht. Ich sehe ihn lieber nicht an.
„Ja klar! Ich kann in einer Stunde an dem Parkplatz sein, auf dem wir uns letztes Mal getroffen haben“, sagt Marcel.
„Gut, wir kommen da hin. Also …“, ich sehe auf die Uhr, „in einer Stunde. In Ordnung?“ Mir wird heiß bei dem Gedanken, was mir gleich blühen wird.
„Okay, bis dann!“, antwortet Marcel und fragt gar nicht, wer „wir“ ist. Ich bin froh darüber und hoffe, dass das nun folgende Donnerwetter nicht ganz so hurrikanmäßig ausfällt, weil ich klar damit aussagte, dass Erik mitkommen soll.
„Bis dann!“ Ich drücke das Gespräch aus und sehe Erik an, der wieder diesen Blick draufhat, der mich am Anfang, als ich ihn kennenlernte, immer verängstigt hatte.
„So, du willst dich mit ihm jetzt auch noch treffen?“, knurrt der aufgebracht und schüttelt ungläubig den Kopf.
„Wir werden ihn treffen. Du kommst mit. Zumindest bleibst du in der Nähe. Bitte! So weiß ich, dass du weißt, dass zwischen mir und Marcel nichts mehr ist und wir wirklich nur reden.“
Erik sieht mich verdattert an. Dass er mitgehen soll, damit hat er nicht gerechnet.
„Bitte Erik! Du musst mitkommen! Ich will nicht mit Marcel allein sein … aber ich muss mit ihm reden. Er ist auch vollkommen entsetzt, dass Tim das jetzt abzieht. Aber er muss auch wissen, warum.“
„Du willst ihm von uns erzählen?“, fragt Erik verblüfft.
Bisher hatte ich meine Beziehung mit Erik vor Marcel geheim halten wollen, weil er vor meiner Mutter immer noch mein Alibi ist. Sie weiß nicht, dass wir getrennt sind und auch nicht, dass ich nicht mehr bei Marcel wohne. Und Marcel hält darüber stillschweigen, weil er immer noch hofft, dass ich zu ihm zurückkehre. Diese Hoffnung würde, wenn er wüsste, dass ich mit Erik zusammen bin und mit ihm zusammenlebe, wie ein Schiff im tosenden Meer untergehen.
„Ja, das werde ich tun. Schließlich geht es auch nicht anders. Es geht nun mal um uns und dem Bild, weswegen Tim wütend ist. Und Marcel wird auch wütend sein. Schließlich denkt er, du wirst aus mir ein drogenabhängiges Strichmädchen machen.“ Ich grinse Erik an und füge schnell hinzu: „Aber das ist egal. Ich muss wissen, was er über die Sache mit der Botschaft auf dem Bild denkt.“
„Was soll er darüber denken? Da stand doch nur, dass Tim euren Bruder mit einer Falschaussage helfen soll aus der Untersuchungshaft zu kommen. Und da du und Marcel ja damals schon falsche Angaben gemacht habt, könnt ihr ihm nicht mal verübeln, wenn er auch umschwenkt.“
Erik ist immer noch viel zu aufgebracht, als dass er auch nur für einen Augenblick meine tiefsitzende Angst registriert, und dass dieses Gespräch mir wirklich wichtig ist, um diese Angst unter Kontrolle zu bekommen.
„Kommst du jetzt mit oder muss ich alleine gehen?“, frage ich ungeduldig und gehe in die Küche, um mir schnell noch etwas zu trinken zu nehmen, bevor ich aufbreche. Ich bekomme keine Antwort und höre stattdessen Erik telefonieren.
Als ich wieder ins Wohnzimmer komme, nickt er wütend. „Ich gehe natürlich mit! Ich lasse dich bestimmt nicht mit dem allein. Wer weiß, was er tut, wenn du ihm von uns erzählst? Ich möchte nicht, dass er dich wieder ins Auto zerrt und mit dir abhaut.“
Ich sehe ihn verwirrt an. Dann fällt mir ein, dass Ellen Erik und Daniel im betrunkenen Zustand einmal erzählt hat, wie Marcel mich nach unserer ersten Trennung an der Schule abfing und ins Auto verfrachtet hatte, um mich zu einem Gespräch zu zwingen.
„Das wird er nicht. Damals war alles anders!“, raune ich nur und hoffe, dass das stimmt. Marcel heute sagen zu müssen, dass ich mit Erik zusammen bin, verursacht mir Magenschmerzen und Erik so aufgebracht zu sehen, tut mir weh. Er hat so eine Angst! Aber wovor? Ich will doch nur ihn!
„Okay. Dann lass uns gehen. Marcel kommt zu dem Parkplatz, auf dem ihr sein Auto schon beim letzten Mal belagert habt.“ Ich halte Erik meine Hand hin und er ergreift sie widerwillig. Mich an sich ziehend, nimmt er mein Kinn zwischen seinen Daumen und Zeigefinger und zwingt mich, ihn anzusehen. „Lass mich das heute ja nicht bereuen“, knurrt er aufgebracht und ich schüttele nur den Kopf. „Erik, bitte! Es wird nichts passieren!“
Wir verlassen die Wohnung und als wir die Treppe hinunter an Daniels Wohnung vorbeigehen, klopft Erik im Vorbeigehen an dessen Tür.
Sofort fliegt die auf und Daniel kommt mit Ellen ins Treppenhaus gestürmt. „Okay! Gehen wir!“, ruft er, ohne einen Gruß oder ein nettes, beruhigendes Lächeln.
Ellen zwinkert mir wenigstens zu, als Zeichen, dass ich beruhigt sein kann. Mir ist klar, dass Erik sein kleines Aufgebot als Unterstützung braucht, und dass Ellen dabei ist, beruhigt mich ungemein. Sie hält mir notfalls die Männer etwas in Schacht.
Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, dass mich drei Leute begleiten, wenn ich meinen Exfreund kurz sprechen möchte, gehe ich weiter. Aber in meinem Inneren zieht sich alles zusammen. Ich schlucke meinen Ärger darüber einfach hinunter. Mit Erik lebe ich jetzt in einer Welt, die diesbezüglich anderen Regeln folgt.
Der Himmel ist immer noch verhangen, aber es regnet nicht mehr. Wir gehen durch die Altstadt zum Dom, neben dem der Parkplatz ist, auf dem ich mich mit Marcel treffen will. Da das Wetter heute schlecht ist, wird er dort auch einen freien Platz bekommen.
Zu meiner Überraschung lässt Erik meine Hand los und gibt Daniel ein Zeichen, ihm zu folgen. Nur wenige Parkplätze sind leer und Erik platziert sich mit Daniel und Ellen so, dass er mich immer im Blickfeld hat. Er wendet sich an seine Schwester, die Daniel unsicher ansieht und dann langsam zu mir zurückkommt.
Ich stehe unschlüssig an der Parkplatzauffahrt und warte darauf, dass ein roter Golf an mir vorbeizieht.
„Ich soll bei dir bleiben“, sagt Ellen und sieht mich verunsichert an, als sie neben mir auftaucht.
„Das ist in Ordnung. Aber ich muss dich bitten, etwas auf Abstand zu bleiben und mich allein mit Marcel sprechen zu lassen“, raune ich und bin mir sicher, dass das kein Problem darstellt.
Ellen wirft einen Blick zu Erik hinüber und schüttelt den Kopf. „Erik will, dass ich wie eine Klette an deiner Seite klebe.“
Verdutzt sehe ich sie an und mir wird klar, dass Erik kein bisschen Vertrauen in mich setzt.
„Verdammt!“, fluche ich leise und Ellen sieht mich unschlüssig an. „Ist das irgendwie ein Problem?“, fragt sie barsch.
Seit sie und Erik ihr geschwisterliches Verhältnis in eine Richtung lenkten, in der sie wirklich auch wie nette Geschwister miteinander umgehen, wird sie schnell wütend, wenn sie das Gefühl hat, Erik könnte hintergangen werden. Aber dass sie bei mir nun so tut, als würde ich ihn irgendwie betrügen wollen, macht mich wütend.
„Ja, ist es! Ich schwöre dir, wenn du Erik nur einen Ton von dem erzählst, was du gleich zu hören bekommst, ist es aus mit unserer Freundschaft“, knurre ich aufgebracht.
Ellen sieht mich verdattert an. Dass ich sie so anfahre, hatte sie nicht erwartet und auch nicht, dass es wirklich zwischen mir und Marcel zu einem Gespräch kommen wird, von dem Erik nichts wissen darf.