DIE REICHE VON ITHOR. Martin Cordemann
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Читать онлайн книгу DIE REICHE VON ITHOR - Martin Cordemann страница 7
„Es kann sein, dass es bald noch früher wird. Und noch heißer.“
Hannes sah die Kriegerin verwirrt an.
„Gut, das stimmt so nicht“, gab sie zu. „Aber wir haben eine Depesche vom König erhalten. Merkwürdige Dinge scheinen sich zu ereignen und wir sollen uns für die Abreise bereithalten.“
„Die Abreise… wohin?“
Anna zuckte die Schultern. „Ungewiss. Möglicherweise nach Savaan.“
Der Lord Botschafter seufzte.
„Möglicherweise nach Kapstadt.“
Der Lord Botschafter seufzte wieder. Das war nur minimal besser, wenn überhaupt. Er war dort erst vor Monaten gewesen und hatte mehrere Tage gebraucht, bis er eine gute Taverne gefunden hatte. Und selbst die war, wenn man ehrlich mit sich war, nur mittelmäßig. In diesen wärmeren Breiten von Kelldor hatte man das Herstellen von Alkohol noch nicht so sehr entwickelt, wie es sich Gesandter wünschen würde.
„Und was entscheidet das?“
„Das weiß ich nicht“, gestand Anna. Ihr war jede Luftveränderung recht. So sehr sie die Pyramidenstadt auch mochte, so langweilig war sie ihr auch. Es gab einen Hafen, von dem Schiffe nach Savaan auslaufen sollten, wenn man denn Handelsverbindungen hätte aufbauen können, hätte man den Gesandten, der sie erhandeln sollte, denn an Land gelassen. Natürlich gab es hin und wieder mal ein Schiff von oder nach Savaan und ab und an fanden sich Savaaner in ihrer Stadt, aber der blühende Handel, den man sich wünschte, war bislang ausgeblieben. Der Austausch zwischen den beiden Ländern war so karg wie die Wüste, die sie umgab, bis hin zu den Eisernen Bergen. Doch im Moment sah es so aus, als würde sich nichts daran ändern.
„Und was machen wir bis dahin?“ wollte Hannes wissen.
„Wir genießen die Abendluft.“
„Das“, murmelte Lord Botschafter, „klingt auch unerquicklich!“
Es dauerte weniger lange als Ron befürchtet hatte, aber eigentlich war das mehr als logisch. Der Überlebende war verletzt, angeschlagen, langsam. Er wollte zwar so schnell wie möglich fort von diesem Ort, an dem er vermutlich schreckliches erlebt hatte, aber wenn er so stark verletzt war, wie Ron annahm, dann würde ihm das schwer zu schaffen machen. Und wie Ron feststellte, hatte es das auch.
Die Spuren verliefen sich in einem kleinen Tal. Ein Bergbächlein plätscherte durch das Unterholz, die Bäume ächzten unter ihrer Schneedecke und wenn es hier einheimische Tiere gab, dann hatten die sich wahrscheinlich schon lange zum Winterschlaf begeben. Es gab eine kleine Höhle – und vor ihr endeten die Spuren.
Ron sah sich um. Schnee, Bach, Eis. Das waren schlechte Bedingungen für trockenes Holz. Und genau das könnte er jetzt brauchen, um sich eine Fackel zu bauen, mit der er die kleine Höhle ausleuchten konnte. Wenn es denn eine kleine Höhle war. Vorsichtig steckte er den Kopf hinein. Es war dunkel dort herinnen, modrig und feucht. Kein Luftzug, nur der Geruch von… Tod!
Schwert nahm einen dicken, feuchten Ast, wickelte ein Stück seiner Kleidung darum und zündete es an. Dann kroch er in die kleine Höhle. Kein Atem war zu hören, keine Bewegung zu sehen, nur die schnell dahin huschenden Schatten, die das Flackern seiner Fackel gebar. Er fand sehr schnell, was er suchte. Den Leichnam eines Mannes. Dem Rest, was von seiner verbrannten Kutte noch übrig war nach zu schließen, einer der Mönche. Aber nicht nur seine Kutte war verbrannt, sein Körper war es auch zu großen Teilen. Er musste unendliche Qualen erlitten haben, bevor ihn ein gnädiger Tod endlich zu sich genommen hatte. Von ihm würde er nichts mehr erfahren, dachte Ron, doch dann sah er, dass er sich geirrt hatte. Der flackernde Schein des Feuers gab das Geheimnis des Mönchs nur zögerlich frei. Ron rieb sich die Augen. Wieder und wieder. Langsam fuhr er mit der Fackel an der Wand entlang. Der sterbende Mönch hatte dort etwas hinterlassen. Er musste seine letzte Kraft aufgewendet haben, um diese Worte an die Felsen zu schreiben, Worte, die Ron Schwert kannte. Sie stammten fast alle aus der Ersten Schriftrolle, aus dem Text über die Vertreibung der Götter. Fast alle, bis auf die letzten. Die letzten stammten offensichtlich von dem Mönch selbst – und sie waren es, die Ron Angst machten.
An der Wand stand, in der krakeligen, von Schmerzen verunstalteten Schrift des Mönchs:
DHER GHOTT DHES VEUERS SPIEH VLAMMEN AUHS SEIHNEN HÄNDEN UNDT STHEIN SCHMOHLZ, ALS WÄHRE EHS BUTTHER IN DHER SONNE – es ist wahr, ich habe es gesehen!
Kapitel 5
Ron starrte noch immer auf die Schrift an der Wand. Das Flackern der Fackel ließ sie noch eine Spur unheimlicher erscheinen. Es war wie die Stimme eines Toten, die ihm sagte, die Götter seien zurückgekehrt, um sie alle zu vernichten. Er musste schlucken. Ein großer Kampf stand ihm bevor. Ein Kampf… in seinem Innern. Bei dem der Verstand, all das, was er von Kindes Beinen an gelernt hatte, die Schlacht gegen Mythen und Sagen gewinnen musste. Das war das Knifflige daran, wenn man in dem Glauben aufwuchs, dass es keine Götter gab – weil man sie erschlagen hatte. Denn wenn man sie erschlagen hatte, hatte es vorher welche gegeben, also gärte der Glaube, dass es sie vielleicht doch geben könnte, irgendwo tief in ihm. Oder war es nur… eine Möglichkeit? Jedenfalls schloss er es nicht sofort aus, dass die Schrift an der Wand die Wahrheit wiedergeben mochte. Eine schreckliche Wahrheit, wie er fand. Denn sollte sie der Wirklichkeit entsprechen, und sollten die Mythologien und Legenden seines Volkes der Wirklichkeit entsprechen, dann wären die Götter nicht zurückgekehrt, um sie für ihr tolles Leben zu belohnen, sondern um sich für das zu rächen, was ihnen die Vorfahren der Kelldorianer angetan hatte.
Kell-dor, Mörder Gottes, wie eine alte Schriftrolle vermittelte. Vielleicht hätten sie ihre Tat gegenüber den Göttern nicht in dem Namen anpreisen sollen, den sie für ihr Volk gewählt hatten. Wäre er an Stelle der Götter gewesen, er hätte ebenfalls Rache geschworen… wenn es sie denn gab. Und genau das galt es herauszufinden.
Langsam übernahm sein Verstand wieder sein Denken. Auch das hier konnte ein Trick sein, eine Finte, eine Waffe. Die Angst zu verbreiten, dass die Götter zurückgekehrt wären, um den Feind allein durch diese Furcht zu schwächen. Wenn es denn so wäre, wäre das ein genialer Plan. Doch ein Plan, den es zu durchkreuzen galt, bevor man ihn in bewohnteren Gebieten umsetzen konnte, wo sich die Gerüchte schneller verbreiteten.
Ron hatte die Waldgrenze abgesucht, aber keinerlei Spuren gefunden. Er vermutete, wohin auch immer diejenigen, die das Kloster zerstört hatten, geflohen waren, sie waren nach Norden gegangen. Dort würde er nach ihnen suchen, Götter oder nicht. Er würde sie aufspüren, er würde nach einer Streitmacht schicken lassen und er würde sie vernichten. Doch zunächst galt es, sie zu finden.
Er ritt hinauf über den Pass, von dem es eine Schlucht in den Norden gab… und blieb mit offenem Mund stehen. Eine Lawine hatte die gesamte Schlucht unter sich begraben. Das musste der Donner gewesen sein, den er vor einiger Zeit gehört hatte. Eine gewaltige Schneemasse, die ihm den Weg versperrte. Hier gab es kein Durchkommen, nicht in den nächsten Monaten. Wenn er in den Norden wollte, musste er das Eisgebirge umrunden, doch dazu reichten seine Vorräte nicht aus.
Ein Vogelschrei riss ihn aus seinen Gedanken. Der Schatten des Flugtiers verdüsterte die Sonne und ihm war, als würden riesige Flügel die Luft durchschneiden. Als er aufblickte, sah er jedoch nur einen kleinen Vogel, der dicht über ihm kreiste und ihn mit weniger und weniger Interesse anstierte, bevor er davon flog, wobei er noch einmal diesen merkwürdigen Laut ausstieß, den Ron zuvor gehört hatte. Er kannte die Vogelart. Wegen genau dieses Geräusches, an dem man sie erkennen konnte,