Kuerzlich in Asien. Stephan Rankl
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Wir versinken schließlich doch noch im Bett, aus dem Fernseher dröhnt amerikanische Teufelsmusik mit halbnackten Weibern am Mikro. Irgendwie hatte ich mir Pakistan doch anders vorgestellt. Weit und breit keine Gotteskrieger und auf MTV schwingen knapp bekleidete Mädels ihre Hüften.
Ein Onkel in Deutschland
Islamabad ist heiß. Schon frühmorgens knallt die Sonne vom Firmament. Man sitzt einfach nur regungslos im Schatten und schwitzt. Da ist es schon sehenswert, wie ein Gehilfe für ein wenig extra Bakschisch unsere Räder auf dem Kopf balancierend auf das Busdach hievt. Wir wollen weiter in den Norden des Landes, nach Gilgit. Mit den Leuten ins Gespräch zu kommen gestaltet sich sehr einfach. Die meisten können Englisch und Ausländer sind eine willkommene Abwechslung zum Alltagstrott. Natürlich kennt jeder im Lande einen Verwandten, der im hintersten Winkel ein Hostel betreibt, wo wir unbedingt vorbeischauen müssen. So haben wir bald eine stattliche Sammlung von Visitenkarten beieinander, weil ohne die geht nichts. Sind alles „Businessmen“ hier!
Bettina ist die einzige Frau im ganzen Bus und ich der einzige, der keinen Pyjama an hat und mit Vollbart kann ich auch (noch) nicht dienen. Frauen müssen ganz vorne sitzen und nur andere Frauen oder enge männliche Verwandte dürfen daneben Platz nehmen. Aber wir sind zum Glück „verheiratet“! Zwei Fahrer teilen sich die Arbeit. Während der eine lenkt, schläft der andere daneben auf einer eigens angebrachten Pritsche. Die Landschaft fliegt vorbei. Bald zweigt der Karakorum Highway von der Grand Trunk Road ab. Der Karakorum Highway! Was für eine Straße!
Seit jeher eine uralte Handelsroute, ein Ausläufer der Seidenstraße. Der Buddhismus breitete sich von hier nach China und Tibet aus. An der Kollisionszone zwischen indischer und asiatischer Platte treffen Pamir, Kunlun, Hindukush, Karakorum und Himalaja aufeinander. Die längsten Gletscher außerhalb der Polregionen liegen in den Tälern, schroffe Gipfel darüber, die tiefsten Schluchten zerfurchen die Gegend und all dies gleich neben der Straße. China und Pakistan beschlossen im Jahre 1966 die Route für motorisierte Vehikel befahrbar zu machen. Ein Bauwerk der Superlative. 1200 Kilometer von Kashgar in China bis Havelian in Pakistan. Fast alle Brücken wurden von den Chinesen errichtet, auch auf pakistanischer Seite, da den heimischen Ingenieuren das hierfür notwendige Know-how fehlte. Pro 1,5 Kilometer Straße kam statistisch ein Bauarbeiter ums Leben. Die offizielle Eröffnung erfolgte 1982. Die Straße führt nun mitten durch die höchsten Gebirge der Erde. An Fahrräder denkt man da zunächst nicht zwingend und doch genau, auf der Strecke wollen wir radeln!
Nur ist Pakistan ein sehr fragiles Staatengebilde. Außerhalb der Städte regieren Familienclans. Speziell im Norden des Landes gibt es einige sehr auf ihre Unabhängigkeit bedachte Stämme. Das bekamen damals schon die Briten zu spüren, die North-West-Frontier verursachte ihnen zu jener Zeit einiges an Bauchschmerzen und ist im Grunde genommen immer noch unregierbar.
Nun führt der Karakorum Highway mitten durch Indus Kohistan, welches aufgrund seiner Geographie nahezu unzugänglich ist. Nur der Indus schneidet eine tiefe Schneise durch die gebirgige Gegend. Der Einfluss des Staates hört hier am Straßengraben auf. Dahinter regieren obskure Stammesfürsten, die von der Außenwelt nur ihre Macht beschnitten sehen. Eine nicht ganz sichere Gegend also und auch der Grund, weswegen wir die Busreise der Fahrt mit dem Fahrrad doch zunächst vorziehen. Mitten in der Nacht wird der Bus dann auch von der Polizei angehalten. Weiterfahren aus Sicherheitsgründen nur im Konvoi möglich! So müssen wir drei Stunden warten, bis genügend Fahrzeuge zusammen sind. Irgendwann ist man so müde, der Schlaf überwältigt einen problemlos sitzend auf einer Steintreppe! Trotz Hitze und lästigen Blutsaugern.
Wir folgen dem Indus flussaufwärts. Hoch in den Schluchtwänden ist die Straße angelegt. Der Blick aus dem Fenster nach unten, durchaus beängstigend. Die Augenringe unserer Busfahrer beruhigen da auch nicht. Irgendwie scheinen sie einen Bund mit Allah geschlossen zu haben oder denken dies zumindest. Überholt wird grundsätzlich überall. Ich möchte zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, wie viel Busse da unten irgendwo im Indus liegen. Frühstück gibt es an einer Karawansarai der Neuzeit. Generell sind die sehr leckeren Chapatis, eine Art Teigfladen, das Alltagsgericht der Pakistanis. Morgens werde diese mit Eiern aufgewertet und schmecken dann wirklich hervorragend. Dazu wird Tee gereicht.
Viele Checkpoints des Militärs verzögern die Weiterfahrt. Wir müssen aussteigen, die Fahrzeuge werden durchsucht, unsere Pässe registriert. Ein Anwalt aus Skardu spricht mich an. Auffällig ist, sobald er etwas über „meine Frau“ wissen will, redet er nicht direkt mit Bettina, die gleich neben mir steht, sondern mit mir. Auch Antworten werden auf diese Weise übermittelt. Nur ja nicht die Ehre seines männlichen Gegenübers reizen. Wir lernen jedoch die wichtigste Redewendung für einen Moslem überhaupt kennen, „Inshallah“! Wenn Allah will, kommt der Bus demnächst in Gilgit an. Wenn nicht, dann nicht.
Und siehe da, endlich nach gut zwanzig Stunden Fahrt erreichen wir Gilgit. Die Stadt liegt in den Northern Areas, ein unnatürliches politisches Konstrukt, früher Teil von Jammu-Kaschmir. Nach der Unabhängigkeit entschied sich der damalige Maharaja für das hinduistische Indien, in völliger Missachtung der muslimischen Mehrheit in Teilen seines Reiches. Es kam zur Revolte und schließlich zum Krieg zwischen Indien und Pakistan. Nach einem von der UN überwachten Waffenstillstand wurden Teile Kaschmirs Pakistan zugeschlagen. Wie allgemein bekannt, streitet man sich noch immer, wem nun was gehört. Damit nicht genug, treffen in Gilgit verschiedene islamische Glaubensrichtungen aufeinander, Schiiten, Sunni und Ismaili. Da hier so gut wie jeder bewaffnet ist, werden Meinungsverschiedenheiten schon mal mit dem Gewehr ausdiskutiert. Tja, wenn die Kugeln fliegen sollte man schauen, möglichst nicht in Gilgit zu sein.
Mit dem Wissen werden wir am Busbahnhof der Stadt entlassen. Man hat einen abgeschossenen Hubschrauber der Inder auf ein Denkmal gestellt. Über dem hölzernen Ticketschalter steht groß geschrieben „Down with USA“. Nun gut, herzlich willkommen, wir sind Deutsche. Ein Freund hatte uns das Madina Guesthouse empfohlen, welches wir nun auch ohne Umwege ansteuern. Das Tor zum Guesthouse öffnet sich und wir betreten eine andere Welt. Draußen laute Bazare und Moscheen. Drinnen eine Oase der Ruhe. Wir werden von freundlichen Angestellten begrüßt. Ein Willkommens-Tee wird gereicht. Seltsam allerdings, irgendwie reden alle Gäste eine sehr vertraute Sprache. Reinstes Bayrisch! Kurzurlauber, also Bürohengste mit den jährlichen vier Wochen, sind keine dabei. Alle mehrere Monate oder gleich auf ewig unterwegs. Zwei Jungs, die den ganzen Weg von daheim bis hierher geradelt sind, ein Bergsteiger, zwei die mit ihrem eigenen Bus von Indien rüber gefahren sind, wo sie im Winter in Goa mit Tätowieren ihre Brötchen verdienen. Das ist sie also, die schöne Aussteigerwelt und wir mitten drin. Alle stammen ursprünglich aus Stoiber-County. Oh, Verzeihung! Mittlerweile gehört es ja einem anderen. Wirft ja nun nicht unbedingt ein gutes Licht auf die Heimat, wenn alle gleich längerfristig die Flucht ergreifen. Zusammen jedenfalls kennt dieses illustre Grüppchen die ganze Welt! Kein Land, in dem nicht einer schon mal vorbeigeschaut hätte. So werden abends Geschichten unters Volk gebracht. Hoast me! Und a jeda kapierts! Mitten in Pakistan, aber Bayern ist überall! Schon irgendwie surreal ...
Eigentlich wollen wir ja schön langsam mal mit dem Fahrrad loslegen, aber bei den feinen Bergen hier in der Ecke? Was willst da machen, die Bergsteigerseele fordert ihren Tribut und so müssen wir an einem dieser eisigen Giganten wenn schon nicht hoch, dann zumindest so weit ran, wie nur irgend möglich. Dazu gucken wir uns den Nanga Parbat aus, westlicher