Kuerzlich in Asien. Stephan Rankl

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Kuerzlich in Asien - Stephan Rankl

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national erhebend reihenweise verreckten. Ein Österreicher hat schließlich den großen Wurf getan. Hermann Buhl machte 1953 seinen berühmten Alleingang und stand als erster auf dem Gipfel des „nackten Berges“, so die Übersetzung von Nanga Parbat.

      Wir bescheiden uns mit der Märchenwiese und dem Basislager. Den Begriff Märchenwiese prägten auch die Deutschen, überwältigt von der Blumenpracht auf den Almwiesen dort oben. Vor dem allen steht eine sehr abenteuerliche Fahrt mit dem Jeep. Die Bewohner des Raikot-Tales zu Füssen des Nanga Parbats haben ihre Heimat durch eine abenteuerliche, von ihnen selbst angelegte Straße zugänglich gemacht. Gerade so breit, dass ein Jeep darauf fahren kann, scheint der Weg an die glatten Felswände geklebt zu sein. Lose aufgeschichtete Steine bilden das Fundament, daneben geht es in die Tiefe. So eine Straße baut man nun allerdings nicht aus Allgemeingefälligkeit. Nein, der Rubel muss schon rollen. Also wurde ein Jeep-Kartell gegründet, die Straße darf nur von den Raikot-Bewohnern befahren werden und auch nur die dürfen Touristen befördern. So sitzen sie also am Karakorum-Highway und warten auf Kundschaft. Handeln gilt ausnahmsweise mal nicht, es gibt eine fixe Fahrkostenpauschale. So viel Gleichheit muss sein. Erspart uns einige Mühen und wir nehmen getrost den erstbesten Fahrer. Schnell wird klar, auf der Straße sollte man auch nicht jeden hochfahren lassen. Die Strecke muss man kennen, die Kurven sind so scharf, wenn der Fahrer nicht rechtzeitig einlenken würde, gäbe es einen Freiflugschein. Wie immer in Ländern der dritten Welt würde unser deutscher TÜV hier wohl die Krise kriegen. Plötzlich schwingt die Beifahrertür auf und ich gucke in den Abgrund. Urgss ... lächelnd zeigt mir der Fahrer wie ich die Tür mit einer Schnur wieder ordnungsgemäß verschließe.

      „Where do you come from?“

      “Germany.”

      “Ah, I have uncle in Germany!”

      “Where?”

      “I don’t know, he has good work.”

      Nebenbei drückt er uns eine Visitenkarte von einem guten Campingplatz auf der Märchenwiese in die Hand. Gehört seinem Bruder.

      Irgendwann ist der haarsträubende, aber sehr fotogene Fahrhorror vorbei und wir dürfen unsere Rucksäcke schultern und zu Fuß gehen. Dauert nicht lang, da beschenkt uns ein Eseltreiber mit einer weiteren Visitenkarte. Sehr guter Campingplatz, gehört ihm selber. Aha. Wegen eines Stellplatzes für unser Zelt müssen wir uns also keine Gedanken machen. Ist heiß hier und der Rucksack drückt schon nach wenigen Metern mächtig. Aber bei einem „Hotel“, nichts anderes als ein Bretterverschlag, hat man sich auf Erfrischungsgetränke für müde Wanderer spezialisiert. Nach dieser unweigerlich notwendigen Erfrischung bekommen wir aber bald einen neuen Begleiter.

      „Where do you go?“

      Na ja, zur Märchenwiese halt, Raikot Sarai, dem Campingplatz, wo so gut wie jeder Tourist sein Zelt aufstellt. In diesen Zeiten sind Touristen allerdings ein rares Gut und so will er die potentielle Einnahmequelle nicht so ohne weiteres ziehen lassen, weil sein Vater ist stolzer Besitzer eines viel besseren Platzes.

      „Nein wollen wir nicht.“

      Er bleibt hartnäckig und so klebt uns den ganzen Weg hoch ein beständig palavernder Campingplatzvertreter auf den Fersen. Die Landschaft entschädigt dafür. Bald rückt der Nanga Parbat ins Blickfeld. Von der nach Norden ausgerichteten Raikot-Seite schiebt sich der gleichnamige Gletscher wie eine riesige Straße ins Tal. Oben blendend weiß, unten vom mitgeführten Schutt grau und schmutzig.

      Kurz vor dem Etappenziel setzt unser pakistanischer Freund alles auf eine Karte, mit dem verzweifelten Versuch, uns doch vom rechten Weg abzulocken.

      „Here you go, this is right way!“

      „Junge das sind nur zwei Fußabdrücke im Dreck“, und ich deute stattdessen auf den so an die zwei Meter breiten ausgelatschten Weg vor uns, den man nun wirklich nicht als den falschen ansehen kann, vor allem im Vergleich zur Alternative. Erschwerend kommt hinzu, gerade voraus tauchen die ersten Häuser auf. Ich deute dahin, woraufhin unser Freund einen Panikanfall vortäuscht.

      „Ah no, local village, dangerous for you! No!“

      Alles klar, die Fakten sprechen gegen ihn und so gehen wir den „gefährlichen“, aber gemütlichen Weg weiter, die No-Rufe des Kollegen nicht beachtend. Beim „Local village“ angekommen, werden wir statt mit Prügel mit dem breitest vorstellbaren Lächeln empfangen. Es stellt sich heraus, das ist Raikot Sarai, dort wo jeder absteigt. Wir verstehen nun die Taktik unseres Begleiters. Schon fiese Tricks, die die Leute hier so anwenden ...

      Es gibt natürlich einen Grund für die Beliebtheit des Raikot Sarai. Auf einer Moräne liegend kann man sein Zelt aufstellen, und zwar so als ob zwischen Gletscher und dem dahinter liegenden Nanga Parbat scheinbar nur noch der Gartenzaun stehen würde. Fertig ist das Postkartenmotiv. Findet man so in jedem Reiseführer für Pakistan. Für uns weht extra noch die pakistanische Fahne dazu. Zudem ist es schlicht und ergreifend der erste Zeltplatz am Wegesrand. Klar, dass der die meisten Leute abbekommt.

      Außerdem nicht zu unterschätzen, das Essen ist gut und die Besitzer freundlich. Der „Welcome-Tea“ geht auch wieder an den Start. So-gleich wird uns neuerlich die Geschichte von einem Verwandten in Deutschland erzählt. Scheint ein beliebtes Auswanderungsziel für die Bewohner des Tals zu sein. Duschen gibt es im Übrigen auch am Zeltplatz, sogar mit Boiler. Allerdings in der Low-Tech-Version, was bedeutet, ein Ölfass mit Feuerstelle darunter. Strom kennt man hier nur vom Hörensagen.

      Zelt steht, wir sind gewaschen, jetzt fehlt nur noch das abendliche Unterhaltungsprogramm. Dieses gibt sich unfreiwillig in Form einer organisierten österreichisch / deutschen Trekkinggruppe ein Stelldichein. Zelte finden sie aufgebaut vor, umso mehr erstaunt uns mit welch riesigem Gepäck die Leute dennoch unterwegs sind. Selber tragen ist nicht, zwölfjährige Kinder müssen die überdimensionierten und dazu unhandlichen Sporttaschen an den Henkeln vom Tal herauf hochwuchten. Aber so ein Akkurasierer und anderer kleiner Luxus gehört schon dazu. Ist irgendwie doch verführerisch, wenn man sein Zeug nicht selber tragen muss, da wandert doch immer viel zu viel unnötiger Krimskrams in die Taschen. Kennt man selber nicht anders. Ich male mir aus, wie in der Dusche eifrigst nach einer Steckdose für den Fön gesucht wird. Sollte man vielleicht mal machen, so mitten in der Pampa eine Steckdosen-Attrappe anbringen. Und eine Kamera aufstellen.

      Im Gemeinschaftsraum des Campingplatzes hängen überall Schwarz-Weiß-Fotos von den ersten Expeditionen zum Nanga Parbat. Insbesondere Herman Buhl grinst öfters von der Wand, er scheint hier sehr verehrt zu werden. Auf seinen Spuren wollen auch wir wandern, allerdings nur bis zum Basislager. Zwecks Akklimatisierung legen wir doch einen eher gemütlichen Tag ein und wandern nur bis zum nächsten Weiler, namens Beyal. Der Weg dorthin führt immer auf der Moräne des Raikot-Gletschers entlang durch dichte Pinien-Wälder. Ständig kommen uns bärtige Männer mit umgehängten Flinten entgegen. Da könnte einem schon mulmig werden, aber sie grüßen freundlich.

      Beyal liegt auf knapp 3600 Meter. In den Alpen findet man auf dieser Höhe nur noch Gletschereis. Hier ist gerade mal der Waldrand erreicht. Je höher man kommt, umso ärmlicher werden allerdings die Behausungen. Armselige Bretterverschläge dienen als Unterkunft. Es ist kalt und so quillt Rauch aus den mit Steinen beschwerten Dächern. Die eigens für die Touristen abgesteckten Camping-Areale wirken da schon wieder surrealistisch. Zumal auch einige richtig schöne Blockhüttchen aufgestellt wurden, die sich im Vergleich zu den Hütten der Dorfgemeinschaft wie Neuschwanstein ausnehmen. Ziegen und Kühe sind wohl neben den Touristen das Hauptgeschäft für die Leute hier oben. Im Grunde auch egal, was für eine Herde man den Berg hochtreibt ...

      Unser Abendspaziergang führt uns wenige Meter die Moräne hoch. Ein prachtvoller Blick auf den Nanga Parbat eröffnet sich uns. Wild zerklüftet ziehen die Eisströme nach unten,

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