Versuchung. Nina Galtergo
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„Dann viel Spaß beim Joggen!“, rief sie ihm hinterher, doch er hatte die Tür schon hinter sich zugezogen.
Nach dem Baden putzte sie sich die Zähne länger als sonst mit der surrenden elektrischen Zahnbürste. So lange, bis ihr Zahnfleisch an einem Backenzahn wund zu werden begann. Sie spuckte den Schaum aus und spülte, dann ging sie fest in ihr Handtuch gewickelt ins Schlafzimmer und suchte sich aus der Schublade der Kommode einen Slip und einen BH aus. Da er sein Interesse an Sex bekundet hatte, nahm sie einen String mit passendem Push-up, an den bequemen Sachen in strahlendem Weiß griff sie zielstrebig vorbei. Sie hatte früher nie Dessous getragen, doch seit es zwischen ihnen nicht mehr so lief, kaufte sie hin und wieder etwas Schönes. Heute entschied sie sich für sündiges Rot. Dazu ihre groben Wollsocken anzuziehen, passte zwar nicht so richtig, doch beim Frieren hörte der Sexappeal auf, außerdem machte er es sowieso immer im Dunkeln, da würde sie die Socken unbemerkt ausziehen können. Dann nahm sie die Jeans von gestern zur Hand und zog einen dicken Wollpullover drüber. Zurück im Bad trug sie ein leichtes Makeup auf, kämmte das Haar noch einmal sorgfältig durch und knetete sich ein wenig Fluid in die Spitzen. Der abschließende Blick in den Spiegel erfüllte sie dennoch nur annähernd mit Zufriedenheit.
„Mädchen, siehst du fertig aus“, sagte sie zu sich selbst und lächelte sich flüchtig im Spiegel zu.
Auf Socken ging sie die Treppe herunter, die mit flauschiger beigefarbener Auslegeware bestückt war. Diesen Teppich hatte sie aller Unkenrufe zum Trotz ausgesucht, denn alle anderen (ihr Mann, ihr Vater, ihre Schwiegereltern) kritisierten seine offensichtlichen Defizite in Sachen Alltagstauglichkeit. Sie fand ihn nach wie vor sehr hübsch und er passte prima zu den dunklen Möbeln, die sie in diversen Antiquitätengeschäften zusammengekauft hatte. Schön war die Welt mit Vaters Geld, naja, eigentlich mit Mutters Geld, doch die war seit ihrem jähen Krebstod vor fünf Jahren nicht mehr am Leben, und Kirsten hatte viel Geld von ihr geerbt.
Sie betrat die Küche und hatte augenblicklich ein Déjà-vu. Die Aufregung des letzten Abends traf sie wie ein Blitz. Allerdings holte sie der Geruch von Kaffee schnell zurück auf den Boden der Tatsachen. Sie nahm sich seufzend einen Becher und goss sich die dampfende Brühe ein, die Florian immer fabrizierte. Dieser Kaffee konnte ohne Frage Tote erwecken. Sie nahm einen heißen Schluck und fühlte, wie ihre Lebensgeister immer wacher wurden.
Mit dem Kaffee in der Hand schlenderte sie in den großzügigen Ess- und Wohnbereich, der schon wieder bemerkenswert ordentlich war. Augenscheinlich hatte Florian hier schon tapfer den Hausmann gespielt und sich sogar des verfluchten Laminats angenommen. Sie ging zum Geschenketisch und beäugte abschätzig die Präsente, die Florian bekommen hatte. Ihre Geschenke lagen am äußersten Ende, daneben das Geschenk von Mausi und dem Wallach (es gab einen Seiden-Pyjama in einem senfgelben Ton, einen echten Alptraum eben, den nur eine Mausi ausfindig machen konnte, denn normalen Bürgern kam so etwas beim Shoppen gar nicht unter die Finger), dann kamen jede Menge Bücher, CDs und Blu-ray Discs. Da Florian einen vollkommen anderen Geschmack hatte als sie, war nicht viel Brauchbares dabei. Dann erspähte sie eine CD von Rihanna und legte sie ein. Kurz genoss Kirsten mit geschlossenen Augen die einsetzenden wummernden Beats, dann guckte sie weiter. Eigentlich wusste sie sehr genau, was sie suchte. Eine Karte mit den Unterschriften seiner Arbeitskollegen. Sie sah sich gerne Handschriften an und wollte unbedingt wissen, wie Christoph schrieb.
Tatsächlich fiel ihr beim Durchstöbern der Karten besagte Kollegenkarte in die Hand. Es war ein schlichtes Exemplar ohne viel Text,das sich deutlich von Kirstens bunter Comic-Karte abhob, die beim Öffnen laut „Happy Birthday“ spielte. Seine Leute hatten offenbar nicht viele nette Worte übrig für ihren Chef, kurz und bündig wünschten sie ihm alles Gute, nicht einmal Glück oder Gesundheit oder den üblichen Schmu. Nur schlicht alles Gute.
Christoph hatte tatsächlich unterschrieben. Er hatte eine bemerkenswert saubere Handschrift für einen Mann und hieß mit vollem Namen Christoph Oppermann. Das war alles, was sie wissen musste. Die restlichen Geschenke und Karten kümmerten sie nicht mehr. Sie eilte ins Arbeitszimmer, denn sie schätzte, dass der Joggingnovize nicht mehr lange durchhalten würde. Sie schaltete den PC ein und wartete ungeduldig auf die kleine Melodie, die signalisierte, das es losgehen konnte. Mit dem Fingerprint rief sie ihren Account auf und startete google. Dort gab sie den Namen Christoph Oppermann ein und das, was sie noch wusste, nämlich dass er hier wohnte, und sie war überrascht, dass der Name gar nicht so selten war. Aber als alter Internetfuchs fand sie ihn trotzdem nach wenigen Minuten.
Christoph Oppermann, Jahrgang 1986, hatte ein Gymnasium in Hamburg besucht. Er gehörte einer Studentenverbindung an und war ein erstklassiger Absolvent der juristischen Fakultät. Momentan war er im Referendariat, doch das wusste sie ja bereits. Sein Foto auf seiner MySpace-Seite ließ ihr Herz höher schlagen, es zeigte ihn lachend auf einem Segelausflug. Verrückt, schalt sie sich, zu jung, zu gutaussehend, zu klug für dich. Der hat in jedem Hafen eine, wenn er Segelausflüge macht. Bei dieser Idee musste sie schmunzeln, wie ein Matrose sah er nicht gerade aus, und er hatte zum Glück keinerlei Ähnlichkeit mit Popeye. Ob er wohl Spinat mochte?
Die Haustür ließ sie aufschrecken. Sofort schloss sie die Seite und fuhr den PC herunter. Beinahe ertappt, zum Glück aber nur beinahe!
„Ich bin wieder da“, keuchte Florian aus dem Flur.
Sie ging in den breiten Flur und sah mit Vergnügen, wie er mit dem Oberkörper nach vorne gebeugt auf die antike Kommode gestützt stand und nach Luft japste. Weg von der Kommode mit deinen triefenden Händen!
„Boah, das war anstrengend!“, brachte er mühevoll hervor.
Sie lächelte amüsiert.
„Du hast meine CD schon reingelegt?“
Rihanna sang gerade von gefundener Liebe. Seit wann hört er eigentlich Rihanna?
„Ich habe mir deine Geschenke angesehen“, antwortete Kirsten lapidar, „da habe ich die CD gefunden und war neugierig, wie sie so ist.“
„Du weißt doch, dass ich es nicht mag, wenn du einfach so an meine Sachen rangehst!“ Er stupste ihr leicht den Finger vor die Brust.
„Es ist doch nur eine CD“, sagte sie achselzuckend.
Doch sie sah ihm seinen Missmut deutlich an, und plötzlich regte sich in ihr ein komisches Gefühl. Seit wann war er so eigen, wenn es um seine Sachen ging? Er bediente sich an ihren Sachen auch immer ohne sie vorher um Erlaubnis zu fragen.
„Schöne Geschenke hast du bekommen“, stellte sie fest, um das Schweigen zu unterbrechen.
„Da fällt mir ein, dass der Paketbote ein Päckchen für dich abgegeben hat, und du hast doch gestern gesagt, dass du noch was für mich erwartest.“ Noch immer japste er ein wenig.
„Wo ist es?“
„Ich hab's aufs Sofa gelegt, als ich ans Telefon gegangen bin.“
Während sie zum Sofa ging, fragte sie über die Schulter nach hinten: „Und wer hat angerufen?“
„Nur meine Mutter“, antwortete er knapp.
Da wollte sie nicht weiter fragen. Immer wenn das Gespräch auf diese persona non grata kam, stieg ihr Blutdruck spürbar an. Mausi war schlichtweg ungesund für sie.
Sie riss die Lasche an der Verpackung auf und blickte glücklich auf das Geschenk. Besser spät als nie! Schnell verschwand sie im Arbeitszimmer und verpackte das Spiel, dann eilte sie zurück zu Florian, der bereits