Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke. Robert Louis Stevenson
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke - Robert Louis Stevenson страница 102
»Mr. Doig und ich würden uns mit Freuden seitens Eurer geschickten Feder noch härtere gefallen lassen.« »Wieder einmal muß ich die Diskretion der Männer bewundern«, lautete die Antwort. »Aber macht, daß Ihr fortkommt, wenn Ihr wirklich nicht essen wollt. Um so früher seid Ihr zurück; die wilde Jagd ist doch umsonst. Macht, daß ihr fortkommt, Mr. David.« Und die Tür öffnend, fügte sie hinzu:
»Auf saß er auf sein wackeres Roß,
Fort ging's über Berg und Rain;
Nicht schonte er Peitsche und stachligen Sporn;
So jagt er zur Liebsten fein.«
Ich ließ mir das nicht zweimal sagen und machte Miß Grants Zitat auf dem Wege nach Dean alle Ehre. Die alte Lady Allardyce spazierte in Hut und Haube allein im Garten, gestützt auf einen schwarzen, mit Silber eingefaßten Spazierstock. Als ich vom Pferde stieg und mich ihr unter Bücklingen näherte, sah ich, daß ihr das Blut ins Gesicht schoß, und daß sie mit einer Miene, wie ich sie mir bei einer Kaiserin träumte, den Kopf in den Nacken warf. »Was führt Euch an meine Tür?« rief sie in schrillem, näselnden Ton. »Ich kann sie Euch nicht verschließen. Die Männer meines Hauses sind tot und begraben; ich habe weder Gatten noch Sohn, die sich an meiner Statt vor die Schwelle stellen könnten; jeder Bettler darf mich am Barte zupfen – ein Bart ist wirklich vorhanden – und das ist noch das Schlimmste an der Sache!« fügte sie halb zu sich selbst hinzu.
Ich war über diesen Empfang arg konsterniert, zumal die letzte Bemerkung, die von einer Verrückten zu stammen schien, machte mich sprachlos.
»Ich sehe, ich habe mir Eure Ungnade zugezogen Madame«, sagte ich. »Dennoch möchte ich so kühn sein, mich bei Euch nach Miß Drummond zu erkundigen.« Brennenden Auges blickte sie mich an, die Lippen in zwanzig Falten zusammengepreßt, zitternd auf ihren Stock gelehnt. »Das übersteigt doch alles!« stieß sie hervor. »Ihr kommt, um Euch nach ihr zu erkundigen? Wolle Gott, ich wüßte was von ihr!« »Sie ist nicht hier?« rief ich. Abermals warf die alte Dame den Kopf zurück, trat einen Schritt vor und fuhr mich so heftig an, daß ich schleunigst den Rückzug antrat.
»Schande über Eure lügnerische Zunge! Was? Ihr kommt, mich auszuhorchen? Im Gefängnis sitzt sie, wo Ihr sie hingebracht habt – mehr gibt es nicht zu sagen. Und von allen Wesen in Mannsbildkleidung mußtet gerade Ihr der Verräter sein! Ihr feiger Schuft! Wäre meinem Namen auch nur ein einziges Mannsbild verblieben, ich sorgte, daß Euch der Buckel verwamst würde, bis Ihr brülltet.« Mich dünkte es unratsam, länger an diesem Ort zu verweilen, da ich merkte, daß sie sich immer mehr in Zorn hineinredete. Ja, als ich nach dem Pfosten zurückwich, an dem mein Pferd angebunden war, folgte sie mir, und ich schäme mich nicht, einzugestehen, daß ich davonritt, einen Fuß im Steigbügel und mit dem anderen krampfhaft den zweiten Bügel suchend. Da ich nicht wußte, wohin ich mich mit meinen Nachforschungen noch wenden sollte, blieb mir nichts übrig, als nach dem Hause des Lord Staatsanwalts zurückzukehren. Ich wurde von den vier Damen sehr freundlich begrüßt, die alle beisammen saßen und sich bemüßigt fühlten, mit großer Ausführlichkeit und Langeweile für mich, alle Neuigkeiten zu erzählen, sowie alles, was es von Prestongrange zu berichten gab. Währenddessen beobachtete mich die junge Dame, die wieder allein zu sprechen ich mich von Herzen sehnte, mit verschmitztem Ausdruck und schien sich an meiner Ungeduld zu weiden. Endlich, als ich eine ganze Mahlzeit über mich hatte ergehen lassen und schon sehr nahe daran war, das Fräulein in Gegenwart ihrer Tante um eine Unterredung zu bitten, erhob sie sich, ging an das Notenpult, wählte ein Lied aus und sang in hohem Sopran: »Wer nicht nutzt die Gelegenheit, wartet vergeblich zu späterer Zeit«. Damit jedoch ließ ihre Strenge es bewenden; bald darauf führte sie mich unter irgendeinem Vorwand, den ich vergessen habe, in ihres Vaters Privatbibliothek. Dabei darf ich nicht unterlassen zu erwähnen, daß sie mit vollendeter Eleganz gekleidet war und ganz ungewöhnlich schön aussah.
»So, Mr. David, jetzt setzt Euch und laßt uns unter vier Augen miteinander plaudern. Ich habe Euch viel zu erzählen; außerdem scheine ich Euch in puncto Geschmack schweres Unrecht getan zu haben.«
»Inwiefern, Miß Grant? Ich hoffe, ich habe es niemals an schuldigem Respekt fehlen lassen.« »Darüber kann ich Euch beruhigen, Mr. David. Euer Respekt, ob gegenüber Euch selbst oder Euren armen Mitmenschen, war glücklicherweise stets exemplarisch. Ihr erhieltet von mir ein Billett?«
»Ich war so kühn, dies auf gewisse Indizien hin zu glauben; es wurde dankbar aufgenommen.«
»Es muß Euch ungeheuer überrascht haben. Aber wir wollen mit dem Anfang anfangen. Ihr erinnert Euch vielleicht noch eines Tages, da Ihr so freundlich waret, drei äußerst langweilige Fräulein nach Hause zu geleiten? Ich habe um so mehr Grund, ihn nicht zu vergessen, als Ihr die große Güte hattet, mich in einige Grundprinzipien der lateinischen Grammatik einzuführen, eine Tatsache, die sich unauslöschlich in mein Dankesbewußtsein eingegraben hat.« »Ich fürchte, ich war ein trauriger Pedant«, sagte ich, in der Erinnerung schamüberwältigt. »Bedenkt indes, daß ich Damengesellschaft durchaus ungewohnt bin.« »Wir wollen also die Grammatik nicht weiter erwähnen. Wie kamt Ihr aber dazu, Eure Schutzbefohlenen im Stich zu lassen? ›Und er stieß sie hinweg und sah sie nimmer an, sein Annchen, sein süßes, süßes Annchen‹« summte sie. »Nun, sein Annchen und ihre beiden Schwestern mußten wie eine Herde junger Gänse ganz allein nach Haus marschieren! Ihr kehrtet, wie es scheint, zu meinem Papa zurück und benahmt Euch ungemein martialisch, und von dort ging es in unbekannte Gegenden, zuletzt offenbar nach der Insel Baß; aber vielleicht sind Lummen mehr nach Eurem Geschmack als hübsche Mädchen?« Durch all diese Neckerei hindurch schimmerte in der Dame Auge ein gewisses Wohlwollen, das mich annehmen ließ, sie habe Besseres für mich in petto.
»Ihr findet Vergnügen daran, mich zu quälen, und ich gebe ein recht wehrloses Spielzeug ab. Laßt Euch jedoch bitten, etwas barmherziger zu sein. Zur Zeit gelüstet es mich, nur das eine zu hören: Neues über Catriona.« »Nennt Ihr sie auch in ihrer Gegenwart bei diesem Namen?« »Mein Wort darauf, ich weiß es nicht genau«, stammelte ich. »Jedenfalls würde ich das nicht vor Fremden tun. Weshalb seid Ihr eigentlich so sehr an dieser jungen Dame Schicksal interessiert?« »Ich hörte, sie befände sich im Gefängnis.«
»Nun, jetzt hört Ihr, daß sie nicht mehr dort ist; was wollt Ihr mehr? Sie bedarf in Zukunft keines Ritters.« »Um so mehr bedarf ich ihrer, gnädiges Fräulein.« »Ach, das klingt schon besser! Aber blickt mir einmal gerade ins Gesicht; bin ich nicht hübscher als sie?«
»Ich wäre der letzte, das zu bestreiten; es gibt in ganz Schottland nicht Euresgleichen.« »Nun, jetzt habt Ihr die Wahl zwischen uns beiden und müßt durchaus nur von der andern reden? Das ist nie und nimmer die rechte Art, Damen zu gefallen, Mr. Balfour.« »Aber, Fräulein, zweifellos gibt es doch noch andere Dinge als Schönheit.« »Womit ich zu verstehen habe, daß ich nicht besser bin, als ich eigentlich sein sollte?«
»Womit Ihr gnädigst verstehen wollt, daß ich dem Hahn im Fabelbuche gleiche. Ich sehe zwar das kostbare Juwel – und es gefällt mir gut – aber mir tut ein Körnlein Weizen wohler«. »Bravissimo!« rief sie. »Endlich eine gut gedrehte Antwort, und Euer Lohn soll meine Geschichte sein. In der Nacht, da Ihr desertiertet, kehrte ich in vorgeschrittener Stunde von einer Freundin zurück – in deren Haus ich baß bewundert wurde, was immer Eure Ansicht sein mag – und was erfahre ich bei meiner Rückkunft? Daß mich ein Mädchen in Hochlandstracht zu sprechen wünscht. Sie sei schon über eine Stunde da, behauptete das Dienstmädel, und habe im Warten geweint. Ich ging direkt zu ihr; sie erhob sich bei meinem Eintritt, und ich erkannte